VwGH 96/10/0126

VwGH96/10/012620.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerden 1. der A in 4020 Linz und 2. des

A in 4063 Hörsching, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung 1. vom 22. April 1996 und

2. vom 15. April 1996, beide jeweils mit Zl. N-104079/1996-Kra, betreffend 1. Zurückweisung einer Berufung und

2. naturschutzbehördlichen Einstellungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
NatSchG OÖ 1995 §36 Abs2;
NatSchG OÖ 1995 §44 Abs1;
NatSchG OÖ 1995 §44 Abs2;
NatSchG OÖ 1995 §44 Abs3;
NatSchG OÖ 1995 §5 Abs1 Z1;
NatSchG OÖ 1995 §5 Abs2 Z1;
AVG §8;
NatSchG OÖ 1995 §36 Abs2;
NatSchG OÖ 1995 §44 Abs1;
NatSchG OÖ 1995 §44 Abs2;
NatSchG OÖ 1995 §44 Abs3;
NatSchG OÖ 1995 §5 Abs1 Z1;
NatSchG OÖ 1995 §5 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 3. Juli 1995 übermittelte der Bürgermeister der Marktgemeinde H. der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (BH) eine Kopie des Ansuchens des Zweitbeschwerdeführers samt Einreichunterlagen um Erteilung einer Baubewilligung auf dem Grundstück (Nr. 3214/2, KG M.) der Erstbeschwerdeführerin zur Abgabe einer Stellungnahme gemäß § 36 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1995, LGBl. Nr. 37 (in der Folge: OÖ LSchG 1995). Das Schreiben langte bei der BH am 5. Juli 1995 ein.

Die BH übersandte die Projektsunterlagen dem Regionsbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz, der mit Schreiben vom 29. Juli 1995 gegen die Proportionierung des Gebäudes keine Bedenken erhob. Die Eindeckung der Dachflächen habe jedoch mit anthrazitgrauem, kleinschuppigen Material zu erfolgen. Denkbar wäre ferner eine Erhöhung der Dachneigung auf ca. 30 Grad, damit Probleme mit dem nach der Baubeschreibung genannten Dachdeckungsmaterial vermieden würden.

Die BH übermittelte daraufhin mit Schreiben vom 1. August 1995 der Marktgemeinde H. eine Stellungnahme im Sinne der Ausführungen des Regionsbeauftragten. Das Schreiben wurde nach Lage der Verwaltungsakten noch am selben Tag abgesendet.

Mit Bescheid vom 9. August 1995 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde H. dem Zweitbeschwerdeführer auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der am 3. Juli 1995 durchgeführten Bauverhandlung, gemäß § 35 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung verschiedener, im Einzelnen angeführter Bedingungen und Auflagen. Die vom Regionsbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz vorgeschlagenen Auflagen wurden nicht berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 14. September 1995 informierte die BH den Zweitbeschwerdeführer darüber, dass vor Ausführung seines Vorhabens eine naturschutzbehördliche Bewilligung zu erwirken sei. Er werde daher eingeladen, einen entsprechenden Antrag mit den vorgeschriebenen Unterlagen zu stellen.

Eine Antragstellung erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 30. November 1995 verfügte die BH gemäß § 5 iVm § 44 OÖ NSchG 1995, dass der Zweitbeschwerdeführer die weitere bewilligungslose Ausführung der Errichtung eines Weideunterstandes auf dem Grundstück Nr. 3214/2 der KG M. unverzüglich einzustellen habe. Nach der Begründung habe die Baubehörde die Belange der Naturschutzbehörde nicht mit berücksichtigt. Der Zweitbeschwerdeführer sei daher aufgefordert worden, um die erforderliche naturschutzbehördliche Bewilligung anzusuchen. Dieser Aufforderung sei er bisher nicht nachgekommen. Die Behörde habe festgestellt, dass er mit der Ausführung seines Vorhabens bereits konsenslos begonnen habe. Würden bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung ausgeführt, so könne die Behörde auch die unverzügliche Einstellung der weiteren Ausführung bescheidmäßig verfügen.

Dieser Bescheid wurde unter anderem sowohl der Erstbeschwerdeführerin als auch dem Zweitbeschwerdeführer zugestellt.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer erhoben Berufung. Dieser brachte im Wesentlichen vor, die Naturschutzbehörde habe innerhalb der gesetzlichen Frist keine ablehnende Stellungnahme abgegeben. Die Stellungnahme der BH vom 1. August 1995 sei bei der Baubehörde erst am 4. August 1995, sohin verspätet, eingelangt. Im Übrigen sei den Anregungen der BH im Wesentlichen Rechnung getragen worden, da die Eindeckung der Dachflächen mit einfachem grauen Material erfolgt sei.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte eine naturschutzbehördliche Bewilligungspflicht in Abrede und verwies im Übrigen auf die Ausführungen des Zweitbeschwerdeführers.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 22. April 1996 wies die belangte Behörde die Berufung der Erstbeschwerdeführerin mangels Parteistellung als unzulässig zurück. Nach der Begründung sei dem Zweitbeschwerdeführer mit Bescheid der BH vorgeschrieben worden, die weitere bewilligungslose Ausführung, nämlich die Errichtung eines Weideunterstandes, auf dem Grundstück der Erstbeschwerdeführerin unverzüglich einzustellen. Nach § 44 Abs. 1 OÖ NSchG 1995 habe die Behörde, wenn bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung ausgeführt worden seien, unabhängig von einer Bestrafung nach § 42, demjenigen, der rechtswidrig das Vorhaben ausgeführt habe oder habe ausführen lassen, oder dessen Rechtsnachfolger mit Bescheid aufzutragen, binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist auf seine Kosten den vorherigen Zustand wieder herzustellen. Unter der Voraussetzung des Abs. 1 könne die Behörde auch die unverzügliche Einstellung des bescheidmäßigen Vorhabens verfügen. Da der Zweitbeschwerdeführer ohne naturschutzbehördliche Bewilligung mit der Errichtung des Weideunterstandes begonnen habe, sei gegen ihn gemäß § 44 leg. cit. vorzugehen gewesen. Die Grundeigentümerin habe die zur Erfüllung des Auftrages notwendigen Maßnahmen zu dulden, woraus jedoch keine Parteistellung resultiere, da die Grundeigentümerin keine Leistungspflicht treffe.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 15. April 1996 wurde der Berufung des Zweitbeschwerdeführers keine Folge gegeben und der Bescheid der BH bestätigt. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die BH als Naturschutzbehörde sei mit Schreiben der Marktgemeinde H. vom 3. Juli 1995 aufgefordert worden, gemäß § 36 ÖO NSchG 1995 eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben sei bei der BH am 5. Juli 1995 eingelangt; die vierwöchige Stellungnahmefrist habe daher am 2. August 1995 geendet. Die Stellungnahme der BH vom 1. August 1995 mit Auslaufstempel gleichen Datums sei daher rechtzeitig. In ihrer Stellungnahme vom 1. August 1995 habe die BH eine Eindeckung der Dachflächen mit anthrazitgrauem, kleinschuppigem Material verlangt. Diese Auflage sei jedoch von der Marktgemeinde H. in ihrem Baubewilligungsbescheid vom 9. August 1995 nicht übernommen worden. Daher sei ein naturschutzbehördliches Bewilligungsverfahren durchzuführen. Der Aufforderung, eine naturschutzbehördliche Bewilligung zu erwirken, sei der Zweitbeschwerdeführer bisher noch nicht nachgekommen. Die Verfügung der unverzüglichen Einstellung der weiteren Ausführung des Vorhabens sei daher zu Recht ergangen.

Gegen diese Bescheide richten sich die unter den Zlen. 96/10/0126, 0151, erhobenen Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt wird.

Die Beschwerdeführer haben dazu einen weiteren Schriftsatz

erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 22. April 1996:

Mit Bescheid der BH vom 30. November 1995 wurde dem Zweitbeschwerdeführer gemäß § 44 (ergänze: Abs. 3) OÖ NSchG 1995 aufgetragen, die weitere bewilligungslose Ausführung der Errichtung eines Weideunterstandes auf dem Grundstück der Erstbeschwerdeführerin unverzüglich einzustellen. Unbestritten ist dabei, dass der Zweitbeschwerdeführer dieses Vorhaben ausgeführt hat bzw. hat ausführen lassen. Die von der Erstbeschwerdeführerin als Grundeigentümerin dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Der mit "Besondere administrative Verfügungen" überschriebene § 44 OÖ NSchG 1995 lautet auszugsweise:

"(1) Wurden bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung ausgeführt oder wurden in Bewilligungen verfügte Bedingungen, Befristungen oder Auflagen nicht eingehalten, kann die Behörde unabhängig von einer Bestrafung nach § 42 demjenigen, der rechtswidrig das Vorhaben ausgeführt hat oder ausführen hat lassen, oder dessen Rechtsnachfolger mit Bescheid auftragen, binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist auf seine Kosten den vorherigen Zustand wieder herzustellen bzw. den bescheidmäßigen Zustand herzustellen oder, wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand in einer Weise abzuändern, dass Natur und Landschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.

(2) Trifft eine Verpflichtung gemäß Abs. 1 nicht den Grundeigentümer, hat dieser die zu ihrer Erfüllung notwendigen Maßnahmen zu dulden.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Behörde auch die unverzügliche Einstellung der weiteren Ausführung des Vorhabens bescheidmäßig verfügen.

(4) ... "

Der Verwaltungsgerichtshof ist von einer Parteistellung von Eigentümern des von einem Wiederherstellungsauftrag betroffenen Objektes ausgegangen, wenn etwa eine naturschutzrechtliche Vorschrift eine Duldungspflicht des Grundeigentümers vorsieht (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 1999, Zl. 99/10/0029, mit Hinweis auf Vorjudikatur). Eine solche Duldungspflicht des Grundeigentümers sieht auch § 44 Abs. 2 OÖ NSchG 1995 bei Wiederherstellungsaufträgen nach Abs. 1 leg. cit. vor. Im Beschwerdefall wurde allerdings gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer keine Wiederherstellung, sondern gemäß § 44 Abs. 3 OÖ NSchG 1995 die unverzügliche Einstellung der weiteren Ausführung seines Vorhabens bescheidmäßig verfügt. Eine "Duldungspflicht" der Grundeigentümerin kommt in einem solchen Fall schon begrifflich nicht in Frage. Der Erstbeschwerdeführerin kam daher keine Parteistellung zu, weshalb ihre Berufung von der belangten Behörde zu Recht zurückgewiesen worden ist. Die förmliche Zustellung einer Bescheidausfertigung an eine Nichtpartei begründet noch nicht deren Parteistellung (vgl. z.B. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 8 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, insbesondere E 226 ff).

2. Zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers gegen den Bescheid vom 15. April 1996:

Der Zweitbeschwerdeführer behauptet zunächst, die BH habe keine fristgerechte Stellungnahme im Sinne des § 36 Abs. 2 OÖ NSchG 1995 abgegeben.

Gemäß § 36 Abs. 2 OÖ NSchG 1995 ist die Bezirksverwaltungsbehörde als Naturschutzbehörde in Verfahren betreffend eine Bewilligung von im § 5 Abs. 2 genannten Vorhaben zu beteiligen. Demgemäß hat ihr die jeweils zuständige Bewilligungsbehörde das Bewilligungsansuchen und die dazugehörigen Unterlagen (Kopien) zu übersenden und ihr eine Frist von vier Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme einzuräumen. Wird eine mündliche Verhandlung durchgeführt, ist die Bezirksverwaltungsbehörde als Naturschutzbehörde rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen. Die in den genannten Bewilligungsverfahren ergehenden Bescheide sind ihr zuzustellen.

Nach § 5 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. bedürfen einer naturschutzbehördlichen Bewilligung gemäß Abs. 1 nicht jene gemäß Abs. 1 Z. 1 bewilligungspflichtigen Bauvorhaben, zu denen die Naturschutzbehörde auf Grund der von der zuständigen Bewilligungsbehörde gemäß § 36 Abs. 2 durchzuführenden Beteiligung innerhalb von vier Wochen ab Einlangen des Bewilligungsansuchens mit den dazugehörigen Unterlagen - in den Fällen, in denen nach Ablauf dieser Frist eine mündliche Verhandlung statt findet, spätestens bei dieser - keine ablehnende Stellungnahme abgegeben hat. Das Gleiche gilt, wenn die zuständige Bewilligungsbehörde allfälligen Bedingungen oder Auflagen der Naturschutzbehörde (Abs. 3 zweiter Satz) voll Rechnung trägt.

Im Beschwerdefall hat die zuständige Bewilligungsbehörde (Bürgermeister der Marktgemeinde H. als Baubehörde erster Instanz) der BH (als Naturschutzbehörde) das Ansuchen des Zweitbeschwerdeführers um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Weideunterstandes auf dem Grundstück der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 36 Abs. 2 OÖ NSchG 1995 mit Schreiben vom 3. Juli 1995 übermittelt. Dieses Schreiben ist bei der BH nachweislich am 5. Juli 1995 eingelangt. Die - innerhalb der vierwöchigen Frist - abgegebene Stellungnahme der BH vom 1. August 1995 wurde nach Ausweis der Verwaltungsakten noch an diesem Tag zur Post gegeben und erweist sich somit als fristgerecht. Auf das Einlangen bei der Baubehörde - wie die Beschwerdeführer meinen - kommt es hingegen nicht an. Da die Baubehörde der Auflage der BH in ihrem Bewilligungsbescheid vom 9. August 1995 nicht Rechnung trug, bedurfte das - unbestritten - gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1 bewilligungspflichtige Bauvorhaben einer gesonderten naturschutzbehördlichen Bewilligung. Auf diesen Umstand wurde der Zweitbeschwerdeführer mit Schreiben der BH vom 14. September 1995 ausdrücklich hingewiesen.

Da das bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Erteilung einer Bewilligung vom Zweitbeschwerdeführer in Angriff genommen wurde, handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie diesem vorschrieb, die weitere bewilligungslose Ausführung der Errichtung des Weideunterstandes unverzüglich gemäß § 44 Abs. 3 OÖ NSchG 1975 einzustellen.

Die vorliegenden Beschwerden erweisen sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 1999

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