Normen
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 30. April 1997 wurde gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, die Erstbeschwerdeführerin und ihre drei mj. Kinder (Zweit- bis Viertbeschwerdeführer) seien in Bosnien-Herzegowina gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Die Erstbeschwerdeführerin habe bei Stellung ihres Antrags nach § 54 FrG auf ihre Angaben im Asylverfahren verwiesen. Gehe man von diesen Angaben aus, so ergebe sich, daß sie (mit ihren Kindern) von den Serben im Juli 1995 aus Srebrenica vertrieben worden sei. Sie habe dann in Tuzla, in einer rein moslemischen Zone, Zuflucht gefunden und sich dort bis zu ihrer Flucht (17. Februar 1996) aufgehalten. Die Versorgungslage sei sehr schlecht gewesen. Sie (die Erstbeschwerdeführerin) sei geflüchtet, weil sie kein Geld gehabt habe und für ihre Kinder nicht habe sorgen können. Sie habe gar nicht versucht, in einen anderen von Moslems beherrschten Landesteil zu gelangen, weil die Lebensbedingungen in ganz Bosnien-Herzegowina so schlecht gewesen wären und weil sie Angst vor Soldaten und Minen gehabt habe.
Es sei amtsbekannt - so die belangte Behörde weiter-, daß es im Juli 1995 in Srebrenica zu Übergriffen gegen die moslemische Bevölkerung durch Serben gekommen sei. Die aus Srebrenica vertriebenen Beschwerdeführer seien jedoch in der Folge in Tuzla sicher gewesen. Daß dort eine extrem schlechte Versorgungslage geherrscht habe und die Beschwerdeführer nichts mehr zu essen gehabt hätten, bilde keinen berücksichtigungswürdigen Grund nach § 37 Abs. 1 oder 2 FrG. Außerdem sei es für die Beschwerdeführer zumutbar gewesen, in andere moslemisch beherrschte Landesteile zu gehen. Es liege auf der Hand, daß sie bloß wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage aus Bosnien-Herzegowina geflüchtet seien. Zwar könne es sein, daß es in bestimmten exponierten Gebieten Bosnien-Herzegowinas noch zu "Reibungspunkten" zwischen den ethnischen Gruppen kommen könne. Dies ändere jedoch nichts daran, daß es seit dem Friedensprozeß von Dayton einen völkerrechtlich anerkannten Staat Bosnien-Herzegowina mit moslemisch-dominierten Gebieten gebe und daß insofern für rückkehrwillige Flüchtlinge entsprechende Rückkehrmöglichkeiten bestünden. Einzelne Vorfälle reichten keinesfalls aus, um eine individuelle "oder" aktuelle Verfolgungsgefahr im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG darzutun. Auf Grundlage "des vorliegenden Datenmateriales" sei resümierend festzuhalten, daß die innerstaatliche Bewegungsfreiheit der ethnischen Gruppen zwar auch nach dem Friedensvertrag von Dayton eingeschränkt sei; die Flüchtlinge könnten sich jedoch in den Gebieten, die von ihrer ethnischen Gruppe dominiert würden, entsprechend frei bewegen. Eine Rückkehr in angestammte frühere Gebiete, die von der jeweiligen anderen ethnischen Gruppe dominiert würden oder die ihr durch den Friedensvertrag von Dayton zugesprochen worden seien, sei allerdings nicht leicht möglich. Unter diesen Umständen sei es den Beschwerdeführern zumutbar, in ein Gebiet zurückzukehren, in dem sie auf Grund moslemischer Dominanz nicht mit Verfolgung zu rechnen hätten. Allfällige Versorgungsschwierigkeiten stellten keinen "Abschiebungshindernisgrund" im Sinn des § 37 FrG dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "gemäß § 42 Zif. 1 VwGG 1965" wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Drohende Behandlungen oder Verfolgungen im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG von bestimmten Bevölkerungsgruppen durch andere sind den Fällen der vom Staat ausgehenden oder von ihm gebilligten Bedrohung gleichzustellen, wenn der betreffende Staat infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht in der Lage ist, solche drohenden Behandlungen oder Verfolgungen zu verhindern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1997, Zl. 95/21/0908, m.w.N.). Regelmäßig - ausgenommen die Abschiebung wäre nur in ein bestimmtes Teilgebiet möglich oder beabsichtigt - kommt es jedoch darauf an, ob der Fremde im gesamten Gebiet des von seinem Antrag erfaßten Staates für den gedachten Fall seiner Abschiebung einer Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG ausgesetzt wäre; die stichhaltigen Gründe im Sinn der genannten Bestimmung müssen sich auf das gesamte Gebiet des genannten Staates beziehen, um eine maßgebliche Bedrohung glaubhaft machen zu können (vgl. das gleichfalls Bosnien-Herzegowina betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/21/0344).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde unbestritten festgestellt, daß es in Bosnien-Herzegowina moslemisch-dominierte Gebiete gebe und daß sich Flüchtlinge in jenen Gebieten, die von ihrer ethnischen Gruppe beherrscht würden, entsprechend frei bewegen könnten. Daß die Abschiebung der Beschwerdeführer dorthin nicht erfolgen könne, wurde nicht behauptet. Im Licht der eben dargestellten Überlegungen kann daher eine von der serbischen Bevölkerungsgruppe ausgehende Gefährdung der moslemischen Beschwerdeführer im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG für den Fall ihrer Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina nicht (mehr) angenommen werden.
Die Beschwerde tritt dieser von der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt "innerstaatliche Fluchtmöglichkeit" vertretenen Rechtsauffassung nicht ausdrücklich entgegen. Allerdings wird die Ansicht vertreten, daß eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliege, weil die Erstbeschwerdeführerin bei Antragstellung nicht pflichtgemäß aufgeklärt und angeleitet worden sei, "welche exakten Gründe für die Unzulässigkeit der Abschiebung gegeben sein müssen". Sie hätte davon in Kenntnis gesetzt werden müssen, daß nicht wirtschaftliche Erwägungen, sondern ausschließlich die in den Tatbeständen des § 37 Abs. 1 und 2 FrG genannten Gründe maßgeblich seien, um eine Abschiebung zu verhindern.
Mit diesem Vorbringen verkennen die Beschwerdeführer, daß es im Rahmen der dem Fremden obliegenden Glaubhaftmachung einer Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG dessen Aufgabe ist, von sich aus die insoweit relevanten Fakten mitzuteilen. Der Einwand, im Verwaltungsverfahren sei gegen die Anleitungspflicht verstoßen worden, versagt schon deshalb, weil sich die Belehrungspflicht des § 13a AVG nur auf Verfahrensschritte, nicht jedoch auf die Beratung in materiell-rechtlicher Hinsicht bezieht (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0977, m.w.N.). Daß die Beschwerdeführer aber auf die Möglichkeit zur Antragstellung nach § 54 FrG ausdrücklich hingewiesen wurden - unter Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen -, stellt auch die Beschwerde nicht in Abrede. Im übrigen läßt sie offen, was bei "pflichtgemäßer Aufklärung" ergänzend vorgebracht worden wäre. Von daher mangelt es dem geltend gemachten Verfahrensfehler daher auch an der Relevanz. Wenn in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, daß die Erstbeschwerdeführerin Furcht vor Verfolgung für sich und ihre Kinder und Angst vor Soldaten und Minen gehabt habe, so ist das jedenfalls zu unbestimmt, um eine konkret drohende Gefahr darzutun.
Einen weiteren Verfahrensfehler erblicken die Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde keinerlei Ermittlungen in die Richtung angestellt habe, ob den Beschwerdeführern tatsächlich eine gefahrlose Rückkehr in den Heimatstaat möglich sei. Auch diesem Einwand ist entgegenzuhalten, daß in keiner Weise dargestellt wurde, welches Ergebnis die vermißten Ermittlungen erbracht hätten. Ungeachtet des Hinweises auf Medienberichte, wonach im Heimatstaat der Beschwerdeführer nach wie vor Verfolgungen stattfänden, wurde jedenfalls die schon erwähnte behördliche Feststellung , daß es in Bosnien-Herzegowina moslemisch-dominierte Gebiete gebe und daß die Beschwerdeführer in diesen Gebieten vor Verfolgung durch Serben sicher seien, nicht bestritten.
Im Rahmen der geltend gemachten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides behaupten die Beschwerdeführer zunächst neuerlich einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 13a AVG. Mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen sind sie auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
Daß die belangte Behörde - wie in der Beschwerde weiters behauptet wird - festgestellt habe, daß im Heimatstaat der Beschwerdeführer "nach wie vor immer wieder Vertreibungen stattgefunden haben", ist unrichtig. Festgehalten wurde lediglich, daß es in bestimmten exponierten Gebieten Bosnien-Herzegowinas noch zu "Reibungspunkten" zwischen den ethnischen Gruppen kommen könne und daß die "innerstaatliche Bewegungsfreiheit der ethnischen Gruppen" auch nach dem Friedensvertrag von Dayton eingeschränkt sei. Diese Umstände vermögen jedoch keine maßgebliche Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG zu begründen.
Abschließend verweisen die Beschwerdeführer auf ihre wirtschaftliche Notlage in Tuzla und darauf, daß dort für sie keine Möglichkeit zum Überleben bestanden habe. Das ist im gegebenen Zusammenhang freilich schon deshalb nicht relevant, weil es nicht auf die Verhältnisse in Tuzla, sondern auf die im gesamten moslemisch beherrschten Teil Bosnien-Herzegowinas ankommt. Aber auch wenn man auf die nicht auf Tuzla beschränkte Behauptung der Beschwerdeführer in ihrer Berufung gegen den negativen erstinstanzlichen Bescheid Bezug nimmt, wonach ihnen für den Fall ihrer Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina jegliche Lebensgrundlage fehlen würde, ist für sie nichts gewonnen; dieses Vorbringen ist nämlich nicht ausreichend konkretisiert, um daraus schon eine unmenschliche Behandlung der Beschwerdeführer seitens des Staates Bosnien-Herzegowina (§ 37 Abs. 1 FrG) ableiten zu können. Auch unter Bezugnahme auf diesen Gesichtspunkt kann der Beschwerde somit kein Erfolg beschieden sein. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Gemäß § 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG haben die Beschwerdeführer Aufwandersatz zu gleichen Teilen zu leisten.
Wien, am 27. November 1998
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