VwGH 97/18/0535

VwGH97/18/053530.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in Wien II, Franzensbrückenstraße 20/1/6b, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. September 1997, Zl. SD 895/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. September 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit dem 8. November 1990 im Bundesgebiet aufhalte, habe - ebenso wie seine Mutter - Sichtvermerke erhalten, wobei der ihm zuletzt erteilte Sichtvermerk bis 4. Mai 1993 gültig gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei nach Ablauf dieses Sichtvermerkes illegal in Österreich verblieben, ohne einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung zu stellen bzw. im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung zu sein. Da sich der Beschwerdeführer somit seit dem 5. Mai 1993 unrechtmäßig im Bundesgebiet befinde, bestehe kein Zweifel, daß die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben sei. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, so sei in Anbetracht des Umstandes, daß sich die Eltern des Beschwerdeführers in Österreich aufhielten, mit der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedenfalls zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien vom Beschwerdeführer in gravierender Weise mißachtet worden. Zu seinen Ungunsten falle ins Gewicht, daß er sich seit mehr als vier Jahren unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, daß die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus Österreich. Bekräftigt werde dieses Abwägungsergebnis durch den Umstand, daß der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt in Österreich von hier aus zu legalisieren. Die familiären Bindungen des Beschwerdeführers erführen weiters insofern eine Relativierung, als sich seine Mutter seit 1993 ebenfalls ohne Aufenthaltsbewilligung in Österreich aufhalte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, daß dem Beschwerdeführer nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihm zuletzt erteilten Sichtvermerks (mit 4. Mai 1993) keine Bewilligung zum Aufenthalt erteilt worden sei. Vor diesem Hintergrund begegnet die Auffassung der Behörde, im Beschwerdefall sei die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben, keinen Bedenken, zumal der Beschwerdeführer darlegte, daß der von ihm (behaupteterweise) eingebrachte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen worden sei und überdies weder dieser Antrag noch der auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gerichtete Antrag seiner Mutter (der nach Ausweis des Aktes mittlerweile ebenfalls abgewiesen wurde) dem Beschwerdeführer eine solche Berechtigung verschaffen hätte können.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der Behörde nach § 19 FrG vorgenommenen Beurteilung.

Der Beschwerdeführer sei 1990 im Alter von elf Jahren mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Österreich gekommen und habe hier die Schule besucht; alle seine Bezugspersonen befänden sich in Österreich. Die Feststellung der belangten Behörde, daß sich auch sein Vater in Österreich aufhalte, sei unrichtig, weil der Aufenthaltsort seines Vaters unbekannt sei. Da es dem Beschwerdeführer aufgrund der "Probleme" mit seiner Aufenthaltsbewilligung unmöglich gewesen sei, eine Lehre zu beginnen oder eine Arbeit anzunehmen, sei er auch wirtschaftlich völlig von seiner Mutter und der Unterstützung durch seine älteren Geschwister abhängig. Eine Schwester des Beschwerdeführers sei in Österreich verheiratet, die andere sei berufstätig. Müßte der Beschwerdeführer Österreich verlassen, so wäre er nicht nur von seinen sämtlichen Bezugspersonen getrennt, sondern auch seine wirtschaftliche Existenz in seinem Heimatland nicht gesichert. Der lange illegale Aufenthalt seit dem 5. Mai 1993 könne dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er - "nach jugoslawischem Recht bis 11. Juli 1997 minderjährig" - aus rechtlichen Gründen eine Entscheidung über seinen Aufenthalt bis dahin nicht habe treffen können; weiters sei es für ihn als damals - im Jahr 1993 - Vierzehnjährigen aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen, in sein Heimatland zurückzukehren, in dem er keine Bezugspersonen mehr habe. Seine Mutter könne in Ansehung der aufschiebenden Wirkung, die der Verwaltungsgerichtshof ihrer Beschwerde gegen die Versagung der Aufenthaltsbewilligung zuerkannt habe, bis zur Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht ausgewiesen werden. Der Beschwerdeführer habe auch in seiner Berufung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß seine Familie vor der Einreise nach Österreich in Kroatien gelebt habe, er nicht mehr dorthin zurückkehren könne und die Existenz der Familie in seinem Heimatland "völlig zerstört" sei. Darüber hinaus würde die Versagung der Aufenthaltsbewilligung betreffend seine Mutter gemäß § 113 Abs. 6 des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 außer Kraft treten, was mit "hoher Wahrscheinlichkeit zur Erteilung einer Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligung" an seine Mutter führen werde.

Nach Auffassung der Beschwerde sei daher die Ausweisung des Beschwerdeführers nicht dringend geboten im Grunde des § 19 FrG.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die geltend gemachten persönlichen Interessen zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Ebenso zutreffend hat sie aber auf das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften hingewiesen, dem nach der hg. Rechtsprechung aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH). Dieses öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen rechtswidrigen Aufenthalt nach der Beendigung der Geltungsdauer des ihm zuletzt erteilten Sichtvermerkes in der Dauer von über vier Jahren und drei Monaten gravierend beeinträchtigt. Dem gegenüber treten die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers in den Hintergrund. Was die aufgrund des Aufenthaltes seiner Mutter in Österreich geltend gemachten familiären Interessen des Beschwerdeführers betrifft, so werden diese - worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist - dadurch relativiert, daß dieser seit dem Ablauf der Geltungsdauer des ihr zuletzt erteilten Sichtvermerkes mit 4. Mai 1993 - was die Beschwerde nicht bestreitet - ebenfalls keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zukam, zumal ihr weder der von der Beschwerde ins Treffen geführte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung noch ihre gegen die Versagung der Aufenthaltsbewilligung gerichtete Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts eine solche Berechtigung verschaffen konnten. Eine Relativierung seiner familiären Interessen ergibt sich weiters daraus, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - wie in der Beschwerde vorgebracht - bereits "volljährig" war. Der Hinweis, daß der Beschwerdeführer unbescholten sei, kann nicht zu seinen Gunsten ausschlagen, da dieser Umstand weder eine Stärkung des persönlichen Interesses noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge hat (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 95/18/0451). Was das behauptete Fehlen von Familienangehörigen in seinem Heimatland bzw. die dort gegebene Situation betrifft, entbehren diese Umstände im gegebenen Zusammenhang der Relevanz, weil - zum einen - mit der Ausweisung keine Aussage verbunden ist, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird, und - zum anderen - sich § 19 lediglich auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/18/0532). Mit der Rüge, die Behörde habe unzutreffenderweise festgestellt, daß sich der Vater des Beschwerdeführers in Österreich aufhalte, zeigt die Beschwerde somit keinen Umstand auf, der im Grunde des § 19 FrG relevant wäre.

Schließlich geht der Beschwerdehinweis auf § 113 Abs. 6 des Femdengesetzes 1997 schon deshalb fehl, weil es sich - folgt man der Darstellung in der Beschwerde - im Fall des Antrags seiner Mutter auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht (wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend festgehalten hat) um einen solchen auf "Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung" im Sinne dieser Bestimmung handelt (vgl. § 113 Abs. 6 leg. cit. iVm § 13 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes).

3. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen haftet dem bekämpften Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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