VwGH 97/01/1173

VwGH97/01/117324.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des G in St. Radegund, vertreten durch Dr. Karin Hermann, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Mondscheingasse 6/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 13. Oktober 1997, Zl. UVS 20.3-46/97-3, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in Angelegenheit der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach dem Sicherheitspolizeigesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §97;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §97;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark wurde die "Beschwerde wegen Verletzung subjektiver Rechte sowie Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten gem. § 88/89 SPG" des Beschwerdeführers vom 19. September 1997 in ihrem die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betreffenden Teil als unzulässig zurückgewiesen.

Die belangte Behörde begründete nach wörtlicher Wiedergabe der gesamten Beschwerde ihre Entscheidung folgendermaßen:

"Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung eindeutig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, Rz 608). Ein Eingriff liegt im allgemeinen nur dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (siehe ebenfalls Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, Rz 610). Im übrigen dienen die Regelungen über sogenannte Maßnahmenbeschwerden nur der Schließung einer Lücke im Rechtschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtes. Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer beantragten 'notwendigen Veranlassungen entsprechend den einschlägigen gesetzlichen Richtlinien' wird auf den § 67 c Abs 4 AVG verwiesen, wonach die erkennende Behörde ausschließlich Feststellungen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit eines bereits erfolgten Verwaltungsaktes in ihrer Entscheidung zu treffen hat. Im übrigen behauptet der Beschwerdeführer pauschal 'in seinen subjektiven Rechten gemäß Artikel 129 a Abs 1 Z 2 B-VG verletzt' worden zu sein, ohne in der Beschwerde näher zu konkretisieren, in welchen subjektiven Rechten in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt er beeinträchtigt wurde. Unter Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer geschilderten Sachverhaltes läßt sich jedenfalls keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 67 a Abs 1 Z 2 AVG ableiten. Zum einen ist ein Verfahren im Sinne des § 89 Sicherheitspolizeigesetz bei der Bundespolizeidirektion Graz zu Zahl P-762/710 anhängig (Zahl beim UVS Steiermark 22.3-13/97), wobei überprüft wird, ob eine Richtlinienverletzung bei den vorgehenden Beamten vorliegt und zum anderen ein Verwaltungsstrafverfahren bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung GZ.: 15.1/1997/11717, wonach das Verhalten des Beschwerdeführers einer verwaltungsstrafrechtlichen Überprüfung unterzogen wird.

Ausdrücklich wird bemerkt, daß das Einschreiten eines Exekutivbeamten in Zivilkleidung keinesfalls die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, als auch die behauptete nachträgliche Änderung in der Abnahmebescheinigung des Führerscheins des Beschwerdeführers durch Herrn Abt. Insp. R. nicht in einem Beschwerdeverfahren im Sinne des § 67 c AVG überprüft werden kann, sondern in einem der obigen angeführten Verfahren bzw. bei Verdacht eines strafgerichtlichen Deliktes eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu ergehen hätte.

Da somit keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt aus dem geschilderten Sachverhalt vorliegt - ein konkretes Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären im Sinne des § 67 c Abs 1 Z 5 AVG wurde ebenfalls nicht gestellt - war die eingelangte Beschwerde bereits a limine zurückzuweisen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die Beschwerde ist folgendermaßen ausgeführt:

"Der angefochtene Bescheid ist vor allem insoferne rechtswidrig als davon ausgegangen wird, daß der Beschwerdeführer auf die Verletzung seiner subjektiven Rechte hinweist, ohne diese näher zu konkretisieren.

Dies wird allein dadurch widerlegt, als der Beschwerdeführer, wie ohnedies in den Feststellungen wiedergegeben ist, sehr wohl genau den Vorgang nahelegt, insbesondere aber auch darauf hinweist, daß er, obwohl er, wie auch dargelegt wird, in der Zeit von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr einen Urlaubsschein ausgestellt erhielt, während seines Urlaubs eines Alkoholtestes untersucht wurde, obwohl der Abteilungsinspektor R. zu einer derartigen Maßnahme gar nicht berechtigt gewesen wäre.

Weiters ergibt sich, eindeutig aus dem Akteninhalt, daß sich Abteilungsinspektor R. zu diesem Zeitpunkt in Zivil befand und daher zu einer derartigen Maßnahme nicht befugt gewesen wäre.

Im übrigen wurden zwei Bestätigungen ausgestellt, jeweils von Herrn Abteilungsinspektor R., die sich offensichtlich im Original (eines der Originale befindet sich in Händen des Beschwerdeführers) wesentlich unterscheiden.

Darüberhinaus ist das Verfahren insoferne mangelhaft geblieben, weil die Zeugen niemals vernommen wurden.

Allein diese schwerwiegenden Vergehen können seitens der belangten Behörde nicht damit abgetan werden, daß eine 'Zweigleisigkeit' des Verfahrens im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird ausdrücklich auf das Vorbringen in der Beschwerde vom 19.09.1997 hingewiesen.

Das Vorgehen des Herrn Abteilungsinspektor R. nämlich Abänderung der Abnahmebescheinigungen, Vornahme des Alkotestes beim Beschwerdeführer, Auftreten in Zivilkleidung sowie überhaupt Aufforderung zur Leistung eines Alkoholtestes sind daher sehr wohl als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen.

Der belangte Bescheid ist daher in seinem gesamten Punkte rechtswidrig und das Verfahren mangelhaft geblieben."

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zunächst übersieht der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde - dem § 89 Abs. 2 und 4 SPG entsprechend - den Teil der Beschwerde vom 19. September 1997, welcher eine Richtlinienverletzung gemäß § 89 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) beinhaltet, mit dem angefochtenen Bescheid nicht entschieden hat, sondern auf das hierüber anhängige Verfahren bei der Bundespolizeidirektion Graz hingewiesen hat. Damit geht der Beschwerdepunkt in seinem eine - nicht näher bezeichnete - Rechtsverletzung nach § 89 SPG behauptenden Teil ins Leere.

Aus dem Sachverhalt und dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde vom 19. September 1997 und der gegenständlichen Beschwerde lassen sich drei Vorwürfe erkennen, welche nach Meinung des Beschwerdeführers als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen wären:

a) Aufforderung zur Ableistung und Vornahme eines Alkotestes durch Abteilungsinspektor R. beim Beschwerdeführer.

Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers erfolgte diese Aufforderung und in weiterer Folge die Vornahme des Alkotestes am 10. August 1997 gegen 7.00 Uhr aufgrund eines vom Beschwerdeführer in der Nacht zuvor verursachten Verkehrsunfalles, somit in Vollziehung der Straßenverkehrsordnung (StVO). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Aufforderung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO keinen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher (somit auch keinen Akt sicherheitsbehördlicher) Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 602 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Hiebei ist es gleichgültig, ob die Aufforderung durch ein zuständiges oder unzuständiges Organ erfolgte. Daß physischer Zwang bei der Vornahme des Alkotestes ausgeübt worden wäre oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung der Aufforderung gedroht hätte, behauptet der Beschwerdeführer nicht.

b) Ankreuzen des weiteren Grundes "außergewöhnlicher Erregungs- und Übermüdungszustand" auf der Kopie der Abnahmebescheinigung hinsichtlich des Führerscheines.

Worin bei einer nachträglichen Abänderung der Abnahmebescheinigung die Ausübung physischen Zwanges gegenüber dem Beschwerdeführer gelegen sein sollte, ist nicht zu erkennen, zumal der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge beim Abänderungsvorgang selbst gar nicht zugegen war.

c) Auftreten des Abteilungsinspektors R. in Zivilkleidung.

Abgesehen davon, daß die Befugnisse nach § 5 Abs. 2 StVO einem Exekutivbeamten auf Grund seiner Ernennung und der Vereidigung auf die Dienstpflichten zustehen und vollkommen unabhängig davon sind, ob er Uniform trägt oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 1991, Zl. 90/03/0282), wird dadurch die Aufforderung zur Ableistung des Alkotestes und dessen Vornahme nicht zur faktischen Amtshandlung.

Sollte damit eine Richtlinienverletzung oder die Verletzung von Dienstpflichten behauptet werden, so ist dies nicht Sache des angefochtenen Bescheides, die Ausführungen gehen damit ins Leere.

Sollte der Beschwerdeführer seine Beschwerde auf § 88 Abs. 2 SPG gestützt wähnen, wonach die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen erkennen, die behaupten, auf andere Weise - sogenanntes "schlichtes Polizeihandeln" - durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern diese nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist, so verkennt er, daß der Begriff "Sicherheitsverwaltung" in § 2 Abs. 2 SPG definiert ist. Die Sicherheitsverwaltung besteht aus der Sicherheitspolizei (§ 3 SPG), dem Paß- und Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munition-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.

Das gegenständliche bekämpfte Handeln des Abteilungsinspektors R. erfolgte hingegen in Vollziehung der StVO, sohin in keinem der unter Sicherheitsverwaltung einzuordnenden Tatbestände, weshalb die Beschwerde vom 19. September 1997 auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zulässig war.

Die belangte Behörde kam daher im Ergebnis zu Recht zum Schluß, daß die Beschwerde vom 19. September 1997 keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher (gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG) oder sicherheitsbehördlicher (gemäß § 88 SPG) Befehls- und Zwangsgewalt und keine Besorgung der Sicherheitsverwaltung beinhaltet, weshalb sie als unzulässig zurückzuweisen war.

Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Juni 1998

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