VwGH 97/01/0765

VwGH97/01/076514.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der Kimeta Dodaj in Graz, geboren am 10. Oktober 1970, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Juni 1997, Zl. 4.315.673/3-III/13/97, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der "Jugosl. Föderation", die am 2. März 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 4. März 1997 die Gewährung von Asyl.

Anläßlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 5. März 1997 gab die Beschwerdeführerin an, sie stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei Moslemin.

Zu ihren Fluchtgründen gab sie an:

"Seit ich mit meinem Gatten ausgemacht hatte, die Papiere für einen Visumantrag für Österreich vorzubereiten, ging ich zu serbischen Behörden, um alles zu bekommen. Dabei wurde ich gleich nach meinem Mann gefragt. Wenn ich nicht gesagt hätte, wo sich mein Mann aufhält, hätte ich überhaupt keine Papiere bekommen. Mein Mann hat keine Familie im Kosovo. Daher ging man davon aus, daß mein Mann bei mir zu Hause sein muß. Daher stellte man meine Familie unter Polizeibeobachtung und auch meine beiden Brüder mußten untertauchen.

Wurden gegen Sie selbst irgendwelche konkreten Maßnahmen gesetzt?

Ich hätte am 15.2.1997 zur Polizei kommen sollen, um 08.00 Uhr in der Früh. Am 14.2.1997 war die Polizei deshalb bei uns zu Hause, ich war aber nicht zu Hause. Die Ladung wurde bei meinem Vater hinterlassen. Ich habe die Ladung aber nicht mehr. Man wollte mich über meinen Gatten befragen.

Wie konnte Ihr Gatte überhaupt zur Hochzeit kommen, wenn er in der Heimat gesucht wird?

Nach der Heirat wurde meinem Gatten von den Behörden Ausreiseverbot erteilt. Er durfte den Ort nicht mehr verlassen.

Ihr Gatte ist doch Ihren Aussagen zufolge noch am Tag der Heirat wieder nach Österreich gefahren?

Er ist untergetaucht und heimlich ausgereist.

Vorhalt:

Ihr Gatte ist im Besitz eines Reisepasses und hat die Aufenthaltsberechtigung für Österreich. Die serbischen Behörden haben somit zweifellos Kenntnis von seinem legalen Aufenthalt in Österreich und für eine Befragung Ihrer Person besteht somit keinerlei Grund. - Dazu gebe ich an, daß ich nur weiß, daß mein Mann gesucht wird.

Welche Fragen wurden Ihnen gestellt?

Ich wurde gefragt, ob mein Mann jetzt bei mir im Kosovo lebt. Man hat gesagt, wenn ich nicht die Wahrheit sage, werde man mich einsperren. Ich wurde sogar im eigenen Haus von den Polizisten an den Haaren gezogen. Das dürfte um den 10.2.1997 gewesen sein.

Wollen Sie weitere Fluchtgründe geltend machen? Nein."

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, daß die Beschwerdeführerin keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen vermocht und sie aufgrund ihrer Aufenthalte in Kroatien und Slowenien in diesen Staaten Sicherheit vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 erlangt habe.

In der dagegen erhobenen Berufung wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die Wertung ihrer Angaben als unglaubwürdig, machte geltend, daß die von ihr angegebenen Schikanemaßnahmen im Kosovo durchaus üblich und an der Tagesordnung seien, und leitete unter Hinweis auf Berichte aus dem Jahr 1990 und 1991 aus diesen Maßnahmen eine begründete Furcht vor Verfolgung vor dem Hintergrund ihrer Zugehörigkeit zur ethnischen Volksgruppe der Albaner ab.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 19. Juni 1997. Sie übernahm die Wiedergabe der Aussagen der Beschwerdeführerin bei der niederschriftlichen Vernehmung im Bescheid der Behörde erster Instanz, welche richtig und vollständig erfolgt sei, und erhob sie zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und allgemeinen Ausführungen betreffend die Rechtslage begründete die belangte Behörde, daß im gegenständlichen Fall keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 für die Anordnung einer Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zuträfe. Das Bundesasylamt habe in der Begründung seines Bescheides vom 21. März 1997 die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefaßt. Die belangte Behörde schließe sich den Ausführungen des Bundesasylamtes vollinhaltlich an und erhebe sie zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Eigenständig führte die belangte Behörde ergänzend unter anderem aus, selbst wenn die Angaben der Beschwerdeführerin doch mit der Wirklichkeit übereinstimmten, wäre eine Asylgewährung nicht statthaft. Denn Verhöre und Befragungen über andere Personen bzw. allein nach deren Aufenthalt, in diesem Zusammenhang durchgeführte mehrmalige Kontrollen bzw. Observationen durch Organe der Sicherheitsbehörden und der Umstand, daß Polizisten die Beschwerdeführerin an den Haaren gezogen hätten, stellten keine Verfolgung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 von erheblicher Eingriffsintensität dar. Die Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zur albanischen Volksgruppe könne nicht als Grund für ihre Anerkennung als Flüchtling angesehen werden. Die gegen Albaner im Kosovo allfällig stattfindenden Repressionen wiesen die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte nicht auf. Ein staatliches Programm, das etwa die physische Vernichtung oder auch die Vertreibung der albanischen Volksgruppe aus dem Kosovo zum Ziel hätte, sei weder ersichtlich noch belegbar. Ein staatliches Vertreibungsprogramm müßte, um asylrechtlich von Relevanz zu sein, jeden ethnischen Albaner im Kosovo in seiner physischen Existenz, seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner persönlichen Freiheit aktuell bedrohen. Staatliche Maßnahmen, die keine gewaltsamen Vertreibungs- oder Ausrottungsmaßnahmen darstellten, sondern eine Politik der Einschüchterung verfolgten, reichten nicht aus, um ein asylrechtlich erhebliches Verfolgungsprogramm des serbischen Staates anzunehmen. Die in der Berufung genannten Berichte gäben nur einen Auszug der allgemeinen Situation wieder, gingen aber nicht auf die individuelle Situation der Beschwerdeführerin ein und würden für die Feststellung einer konkreten, gegen die Beschwerdeführerin persönlichen Verfolgung nicht genügen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, sie sei der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).

Die Beschwerdeführerin hat keinen tauglichen, sie selbst betreffenden Asylgrund geltend gemacht. Es sollte lediglich der Aufenthaltsort ihres Gatten in Erfahrung gebracht werden. Eine eigene politische Gesinnung wurde ihr nicht unterstellt; auch ethnische Gründe hat sie nicht genannt. Da die Sachverhaltsdarstellung hinsichtlich der der Beschwerdeführerin individuell widerfahrenen Benachteiligung ohnehin im Verlauf des weiteren Verfahrens nicht geändert wurde, kein Mangel anläßlich der Aufnahme der niederschriftlichen Einvernahme behauptet wurde und die Angaben der Beschwerdeführerin keine Anhaltspunkte auf einen Sachverhalt erkennen lassen, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, liegt weder der von der Beschwerdeführerin gerügte Verfahrensmangel vor noch sind Umstände erkennbar, die im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Anordnung der Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz erfordert hätten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides (Annahme der Sicherheit der Beschwerdeführerin vor Verfolgung in Slowenien und Kroatien) sowie mit dem hiegegen - nur hinsichtlich Slowenien - erstatteten Beschwerdevorbringen.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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