VwGH 96/21/0490

VwGH96/21/049024.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,

Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, in der Beschwerdesache des SC in Wien, geboren am 10. Juli 1968, vertreten durch

Dr. Herbert Eichenseder, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Auerspergstraße 2/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 22. April 1996, Zl. Fr 1002/96, betreffend Aufenthaltsverbot, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §35 Abs3 Z1;
FrG 1997 §35 Abs3 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
FrG 1997 §38;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §35 Abs3 Z1;
FrG 1997 §35 Abs3 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
FrG 1997 §38;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug erlassenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 22. April 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ein bis zum 30. November 2000 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer seit August 1993 27 Verwaltungsübertretungen begangen habe. Er sei am 30. September 1991 illegal nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, welchen er jedoch im Jahre 1993 zurückgezogen habe. In der Zeit vom 26. August 1993 bis zum 26. August 1995 habe er über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Sein am 13. Juli 1995 gestellter Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 26. September 1995 abgewiesen worden. Schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG habe der Beschwerdeführer insbesondere durch das wiederholte Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne die erforderliche Lenkerberechtigung begangen. Hiefür sei er gemäß § 64 Abs. 1 i.V.m. § 134 Abs. 1 KFG 1967 insgesamt sechsmal rechtskräftig bestraft worden. Durch dieses Verhalten werde die öffentliche Ruhe und Ordnung erheblich beeinträchtigt. Das Aufenthaltsverbot bewirke zwar einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, dieser sei im Grunde der §§ 19 und 20 FrG jedoch gerechtfertigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Prozeßvoraussetzungen in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat erwogen:

Mit dem - am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen - Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unterschiedlich zu jenen des Fremdengesetzes aus 1992 geregelt.

§ 114 Abs. 4 und 7 des Fremdengesetzes 1997 lautet:

"(4) Aufenthaltsverbote, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände.

...

(7) In den Fällen der Abs. 4 und 5 ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen; mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde tritt in diesen Fällen auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft. Solchen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen darf für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen."

Die Voraussetzungen für die Gegenstandslosigkeitserklärung der Beschwerde und die Einstellung des Verfahrens im Sinne der eben genannten Bestimmungen sind im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen erfüllt:

§ 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 lautete:

"§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder

2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft."

Demgegenüber lautet § 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 wie folgt:

"§ 36. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft."

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 36 des Fremdengesetzes 1997 wird ausgeführt, daß diese Bestimmung mit geringen Änderungen dem § 18 des bisherigen Fremdengesetzes entspreche. Durch die neue Rechtslage sei das Wort "ist" durch das Wort "kann" ersetzt worden, um "deutlich zu machen, daß im gegebenen Zusammenhang Ermessen der Behörde besteht". Die "Ermessensdeterminanten" seien "insbesondere § 36 Abs. 2 und den §§ 37 und 38 und damit im Zusammenhang dem Art. 8 EMRK zu entnehmen" (685 BlgNR 20. GP, 75 f).

In § 36 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 sind - ebenso wie in § 18 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 - beispielsweise Sachverhalte angeführt, deren Verwirklichung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes führen soll. § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 sieht - ebenso wie § 19 des Fremdengesetzes aus 1992 - in bezug auf Aufenthaltsverbote vor, daß ein solches nur dann erlassen werden darf, wenn der dadurch bewirkte Entzug der Aufenthaltsberechtigung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 37 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 entspricht dem § 20 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992; darin wird normiert, daß ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden darf, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. § 38 des Fremdengesetzes 1997 regelt - ebenso wie § 20 Abs. 2 des bisherigen Fremdengesetzes - jene Fälle, in denen, insbesondere wegen starker Ausprägung der privaten oder familiären Verankerung des Fremden, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig ist.

Ermessen liegt gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG dann vor, wenn die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde selbst überläßt; in einem solchen Fall hat die Behörde von ihrem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch zu machen.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner Rechtsprechung zu den §§ 18 bis 20 des Fremdengesetzes aus 1992 stets davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in diesen Bestimmungen auf bindende Weise festgelegt sind; diese Bestimmungen räumen der Behörde kein Ermessen ein (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0320, sowie vom 4. September 1996, Zl. 95/21/1209). Auch nach dem Fremdengesetz 1997 ist die Entscheidung über ein Aufenthaltsverbot in Form der Beurteilung von mit unbestimmten Begriffen umschriebenen öffentlichen Interessen daran, daß sich der Fremde nicht im Bundesgebiet aufhalte, und gegebenenfalls der Beurteilung seiner näher umschriebenen privaten und familiären Interessen am Verbleib im Bundesgebiet sowie einer Abwägung zwischen diesen und den genannten öffentlichen Interessen zu treffen. Auch nach der neuen Rechtslage hat die Behörde bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bezüglich dieser im Gesetz detailliert umschriebenen Determinanten ebenso wie nach dem bisherigen Fremdengesetz das Vorliegen der festgelegten Voraussetzungen zu prüfen und zu begründen. In dieser Hinsicht ist daher keine Änderung der Rechtslage eingetreten und wird eine unrichtige Anwendung des Gesetzes bei Beurteilung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen - bevor eine Ermessensübung im Hinblick auf das Wort "kann" in Betracht kommt - als inhaltliche Rechtswidrigkeit aufzugreifen sein.

Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die Änderung des Wortlautes von "ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen" zur Formulierung "kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden", keine normativen Konsequenzen bewirkt hätte. § 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 räumt daher der Behörde insoferne ein Ermessen ein, als diese Bestimmung die Behörde bei Vorliegen bestimmter Umstände ermächtigt, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch dann abzusehen, wenn die in den §§ 36 bis 38 leg. cit. hiefür normierten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Für die Ausübung dieses Ermessens ist nicht bloß das Gewicht der privaten und familiären Interessen des betroffenen Fremden, welches bereits für die Entscheidung, ob die Voraussetzungen der §§ 36 bis 38 des Fremdengesetzes 1997 gegeben sind, maßgeblich ist, von entscheidender Bedeutung. Die Behörde hat vielmehr bei ihrer Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 in Erwägung zu ziehen, ob und wenn ja welche bestimmten Umstände im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung für und gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechen, und sich hiebei insbesondere von den Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 leiten zu lassen (hingewiesen sei etwa auf den eine Bedachtnahme dieser Art normativ zum Ausdruck bringenden § 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, wonach sich die Behörde bei ihrer dort vorgesehenen Ermessensentscheidung von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen hat).

Bezüglich dieser, nunmehr nach dem Fremdengesetz 1997 bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu treffenden Ermessensentscheidung hat die Behörde den für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt bei entsprechender Wahrung des Parteiengehörs (§ 45 AVG) festzustellen und in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz erforderlich ist (vgl. zu Ermessensentscheidungen allgemein etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. März 1980, Slg. Nr. 10.077/A, und vom 21. Dezember 1990, Zlen. 90/17/0344 bis 0381).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich somit, daß der Beschwerdeführer in dem Verfahren, das zur Erlassung des von ihm angefochtenen Aufenthaltsverbotes geführt hat, keine Möglichkeit hatte, derartige erst im Rahmen der dargestellten Ermessensentscheidung gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechende Umstände aufzuzeigen. Auch enthält der angefochtene Bescheid keine Begründungselemente, die eine Überprüfung im Hinblick auf die nunmehr gebotene Ermessensübung ermöglichen würden.

Es liegt auch kein Fall vor, in welchem das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich wäre (vgl. die in § 38 Abs. 1 Z. 3 sowie § 35 Abs. 3 Z. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 genannten Fälle). Der Verwaltungsgerichtshof ist hiebei von folgenden Erwägungen ausgegangen:

Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, daß es im Anwendungsbereich der §§ 36 ff Fremdengesetz 1997 Fälle gibt, bei deren Vorliegen kein Spielraum für eine Ermessensentscheidung der Behörde besteht. Diesem Verständnis liegt die Bestimmung des § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 zugrunde, weil dort angeordnet wird, daß nicht alle Aufenthaltsverbote mit Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 außer Kraft treten. Dem Gesetzgeber kann daher nicht zugesonnen werden, er habe sämtliche Aufenthaltsverbotsbescheide, die der in § 36 des Fremdengesetzes 1997 neu enthaltenen "Kann-Bestimmung" in der Begründung nicht Rechnung tragen, außer Kraft treten lassen. Demgemäß gilt es, die aus dem Fremdengesetz 1997 abzuleitenden Schranken für die auf Ermessensübung gegründete Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen für dessen Verhängung zu finden, mit anderen Worten, die Grenze zu finden, bei deren Überschreitung durch die Abstandnahme von einem (an sich) zulässigen Aufenthaltsverbot der Sinn des Gesetzes verletzt würde. Eine Ermessensentscheidung kann demnach nicht zur Abstandnahme von der Erlassung eines - ansonsten im Grunde der §§ 36 bis 38 des Fremdengesetzes 1997 zulässigen - Aufenthaltsverbotes führen, wenn angesichts der vom Fremden ausgehenden Gefahren für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder für andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen ein sehr hohes öffentliches Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes besteht.

Aus § 38 Abs. 1 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 (wonach - außer es liegt ein Fall des § 38 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz 1997 vor - ein Aufenthaltsverbot gegen einen Fremden, der wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, auch dann erlassen werden kann, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft verliehen hätte werden können) sowie aus § 39 Abs. 1 leg. cit. (wonach u.a. in den in § 36 Abs. 2 Z. 1 genannten Fällen der Verwirklichung gerichtlich strafbarer Tatbestände auch ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt werden kann) geht hervor, daß der Gesetzgeber die Verwirklichung von bestimmten gerichtlich strafbaren Handlungen und die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung wegen derselben als besonders gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit gewertet hat und dabei dem Gewicht des für die Aufenthaltsbeendigung sprechenden Grundes (Differenzierung innerhalb der gerichtlich strafbaren Handlungen) sowie der vom Gericht ausgesprochenen Strafhöhe insbesondere auch für die Dauer des Aufenthaltsverbotes entscheidende Bedeutung beimißt. In diesem Zusammenhang ist die in § 38 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 erfolgte Anbindung an § 34 leg. cit. zu beachten, wonach eine aufenthaltsbeendende Maßnahme auch im Falle eines entsprechend langen rechtmäßigen Aufenthaltes jedenfalls (bis zur Einschränkung gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 und 4) dann zulässig ist, wenn eine gerichtliche Verurteilung wegen eines die öffentlichen Interessen gravierend beeinträchtigenden, gerichtlich strafbaren Delikts im Sinne des § 35 leg. cit. vorliegt. Das Fremdengesetz 1997 bezeichnet in § 35 Abs. 3 jene Fälle der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, in denen ein Fremder auch dann wegen Wirksamwerdens eines Versagungsgrundes ausgewiesen werden darf, wenn er vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits zehn Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war. Dies ist der Fall, wenn der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei oder gemäß den §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes - SMG, oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (§ 35 Abs. 3 Z. 1 Fremdengesetz 1997) oder wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung im Sinne des § 71 StGB beruht, wie eine andere von ihm begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten (§ 35 Abs. 3 Z. 2 leg. cit.) rechtskräftig verurteilt worden ist.

Fragt man nach den Grenzen, die einer im Ermessen der Behörde liegenden Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes (für das die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen erfüllt sind), dann bieten die gesetzlichen Bestimmungen über die Grenzen der Verbote aufenthaltsbeendender Maßnahmen eine Orientierung. Hiezu zählt in erster Linie der wiedergegebene § 38 Abs. 1 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997, der eine Ausnahme vom Aufenthaltsverbot-Verbot des § 38 Abs. 1 leg. cit. mit den Worten umschreibt, "es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden". Eine vergleichbare Wertung liegt dem zuletzt wiedergegebenen § 35 Abs. 3 Z. 1 und 2 leg. cit. zugrunde, der die entsprechende Ausnahme vom Ausweisungsverbot bei Fremden mit Aufenthaltsverfestigung mit der analogen Wendung "es sei denn, sie wären" wegen der in Z. 1 und 2 bezeichneten Straftaten zu den dort genannten Strafen "gerichtlich verurteilt worden" normiert. Angesichts der bei diesen eben zitierten Tatbeständen im Gesetz zum Ausdruck gebrachten Wertung als Tatbestände besonderer Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ist davon auszugehen, daß eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung eines (nach den sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 36 bis 38 des Fremdengesetzes 1997) zulässigen Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 36 Abs. 1 leg. cit. offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes erfolgen würde, wenn der Fremde im Sinne des § 38 Abs. 1 Z. 3 oder des § 35 Abs. 3 Z. 1 oder 2 des Fremdengesetzes 1997 rechtskräftig verurteilt worden ist.

Dies war beim Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aber nicht der Fall.

Im vorliegenden Fall kann daher nicht gesagt werden, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 "offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände", weshalb er gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten ist.

Der angefochtene Bescheid findet auch deswegen in den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 nicht offensichtlich eine Grundlage, weil das damit verhängte Aufenthaltsverbot im wesentlichen auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 64 Abs. 1 KFG 1967 (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne die hiefür erforderliche Lenkerberechtigung) gegründet ist. Im Unterschied zu § 18 Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 ist eine mehr als einmalige derartige Verwaltungsübertretung nach § 36 Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 aber nicht mehr im Katalog jener Verwaltungsübertretungen enthalten, die bei rechtskräftiger Bestrafung jedenfalls als bestimmte Tatsache für die Annahme gilt, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.

Somit war die Beschwerde gemäß § 114 Abs. 7 i.V.m. Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Hingewiesen wird darauf, daß mit dem vorliegenden Beschluß gemäß § 114 Abs. 7 erster Satz, zweiter Halbsatz, des Fremdengesetzes 1997 auch der Bescheid der Behörde erster Instanz außer Kraft tritt.

Vom Zuspruch eines Aufwandersatzes war gemäß § 115 Abs. 1 zweiter Satz des Fremdengesetzes 1997 abzusehen.

Der vorliegende Beschluß konnte im Hinblick auf eine Mitteilung nach § 115 Abs. 2 erster Satz, zweiter Halbsatz, Fremdengesetz 1997 abweichend von § 115 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. schon vor dem 2. Juli 1998 gefaßt werden.

Stichworte