VwGH 96/19/1940

VwGH96/19/19403.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des MM in Wien, geboren 1966, vertreten durch Dr. AW, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Mai 1996, Zl. 100.657/9-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §2 Abs3 Z4 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte über Wiedereinreisesichtvermerke für die Zeiträume vom 9. August 1991 bis 30. Jänner 1992, vom 11. Februar 1992 bis 30. Juli 1992, vom 11. August 1992 bis 28. Februar 1993 und zuletzt vom 14. Juli 1993 bis zum 30. Oktober 1993. Ein Antrag des Beschwerdeführers auf "Wiedereinsetzung in die Frist zur rechtzeitigen Antragstellung nach dem AufG" und auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 12. Jänner 1995 wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Dezember 1995 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer stellte sowohl am 16. Jänner 1995, als auch am 6. September 1995 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab an, über eine Beschäftigungsbewilligung bzw. eine Arbeitserlaubnis zu verfügen und Angehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin zu sein. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 24. Jänner 1996 diese Anträge mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) unter Berücksichtigung der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, sowohl gemäß § 4 Z. 2 als auch Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 zur Antragstellung im Inland berechtigt zu sein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Die Behörde stellte fest, daß sich der Beschwerdeführer seit Ablauf seiner letzten Aufenthaltsberechtigung am 30. Oktober 1993 unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte und diese Tatsache eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle, da sein Verhalten auf andere Fremde durchaus Beispielswirkung haben könnte. Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, daß durch den Aufenthalt der Gattin des Beschwerdeführers im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei § 6 Abs. 2 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor dem Hintergrund des Art. 8 MRK verfassungskonform auszulegen. Lediglich eine kurzfristige Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Antragstellung gemäß § 6 Abs. 2

letzter Satz AufG berechtige den Fremden zur Inlandsantragstellung, wenn er sich jahrelang bzw. seit Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, was beim Beschwerdeführer angesichts seiner Aufenthaltsberechtigung vom 9. August 1991 bis 30. Oktober 1993 nicht vorliege. Feststehe, daß der Beschwerdeführer die Frist zur Stellung des Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung um ca. 15 Monate bzw. 22 Monate versäumt habe, weshalb eine analoge Heranziehung des § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG ausgeschlossen und dies auch mit Art. 8 MRK vereinbar sei. Auch die Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 komme im Fall des Beschwerdeführers trotz der Tatsache, daß dieser eine Arbeitserlaubnis besitze, nicht zum Tragen.

Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welcher darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 23. Mai 1996 war das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1996 und die Verordnung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, anzuwenden. Die für die Beurteilung des Beschwerdefalles danach maßgebenden Bestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. .... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ....; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. ...

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

(2) ..."

§ 4 Z. 2 und 4 der obzitierten Verordnung lauteten:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden, von:

...

2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z. 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,

...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Der Beschwerdeführer verfügte nach den in den Verwaltungsakten erliegenden Antragsbeilagen zwar über einen Wiedereinreisesichtvermerk mit Gültigkeit bis zum 28. Februar 1993 und wieder über einen Sichtvermerk ab dem 14. Juli 1993; am 1. Juli 1993 (Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes) konnte der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt auf keinen aufrechten Aufenthaltstitel stützen.

Die vorliegenden Anträge vom Jänner bzw. September 1995 stellen keine Verlängerungsanträge im Sinn des § 6 Abs. 1 AufG dar, weil der letzte Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers, ein nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes erteilter Wiedereinreisesichtvermerk, einer Verlängerung durch eine Aufenthaltsbewilligung nicht zugänglich ist und § 13 Abs. 1 erster Satz AufG im Fall des Beschwerdeführers ebenfalls keine Anwendung finden konnte. Die belangte Behörde wertete die vorliegenden Anträge somit zu Recht als Erstanträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für die die Vorschriften des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gelten.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895).

Der Beschwerdeführer bestreitet weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, daß er die Anträge vom Inland aus gestellt hat. Er beruft sich aber darauf, daß ihm gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 ein ausnahmsweises Recht zur Inlandsantragstellung zustünde. Insoweit der Beschwerdeführer auf die Bestimmung des § 4 Z. 4 der Verordnung Bezug nimmt, so ergibt sich die Möglichkeit einer zulässigen Inlandsantragstellung für ihn deshalb nicht aus dieser Bestimmung, weil er nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 4 Z. 4 der zitierten Verordnung auf Antragsteller, die nie im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung waren, nicht anwendbar. Mit Aufenthaltsbewilligung im Sinne der zitierten Verordnungsbestimmung ist die im § 1 Abs. 1 AufG beschriebene besondere Bewilligung gemeint. Diese - im AufG "Bewilligung" genannte - Berechtigung ist Gegenstand des Antrages nach § 6 Abs. 2 AufG. § 4 der Verordnung bezeichnet diesen als "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung". Die Verordnung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" im § 4 erster Satz etwas anderes bedeuten soll als jener im § 4 Z. 4 leg. cit. (vgl. das zu § 3 Z. 3 der Verordnung, BGBl. Nr. 408/1995, ergangene hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897). Die Berechtigungen zum Aufenthalt aufgrund von Wiedereinreisesichtvermerken fällt nicht unter diesen Begriff (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1997, Zl. 96/19/1003).

Der Beschwerdeführer, ein Angehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin, könnte die Möglichkeit der ausnahmsweisen Inlandsantragstellung gemäß § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 dann für sich in Anspruch nehmen, wenn ihm vor der (letzten) Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt worden wäre. Die belangte Behörde unterließ es in diesem Zusammenhang festzustellen, daß - wie den vorgelegten Aktenunterlagen und den dort befindlichen Ein- bzw. Ausreisestempeln in der Kopie des Reisepasses (Aktenseite 47) zu entnehmen ist - der Beschwerdeführer im Jahr 1992 aus dem Bundesgebiet aus- bzw. wieder einreiste. Der erste, dem Beschwerdeführer erteilte Wiedereinreisesichtvermerk bezog sich auf den Zeitraum vom 9. August 1991 bis 30. Jänner 1992, und wäre diesem somit vor seiner (letzten) Einreise ins Bundesgebiet erteilt worden. Hätte die belangte Behörde Feststellungen hinsichtlich des Zeitpunktes der letzten Einreise des Beschwerdeführers getroffen, hätte sie zum Ergebnis kommen können, daß der Beschwerdeführer, der Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin ist, gemäß § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 zur Antragstelung vom Inland aus berechtigt war.

Die belangte Behörde hätte in einem solchen Fall die Abweisung des Antrages nicht auf die Nichterfüllung der Vorschrift des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG stützen können. Aber auch der von der belangten Behörde weiters herangezogene Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG wäre im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber durch die in § 6 Abs. 2 dritter Satz in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG enthaltene Verordnungsermächtigung an die Bundesregierung (von der diese auch Gebrauch gemacht hat), näher umschriebene Gruppen von Fremden, die sich nach dem Ende ihrer Aufenthaltsbewilligung weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die Möglichkeit zur Antragstellung im Inland einzuräumen, zu erkennen gegeben, daß er die vom unrechtmäßigen Aufenthalt solcher zur Antragstellung im Inland berechtigter Fremder ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens nicht für so gravierend erachtet, daß daraus die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG maßgebliche Prognose abzuleiten wäre, auch ihr weiterer Aufenthalt aufgrund einer zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ordnung (auf diesem Gebiet) gefährden. Aus diesem Grund wäre der von der Behörde gebrauchte Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG von der aufgezeigten Rechtswidrigkeit der Abweisung aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 AufG mit umfaßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/2066).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b) und c) VwGG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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