Normen
AufG 1992 §10 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs3 impl;
AufG 1992 §3 Abs4 idF 1995/351;
AufG 1992 §4 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;
AufG 1992 §10 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs3 impl;
AufG 1992 §3 Abs4 idF 1995/351;
AufG 1992 §4 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.680,--, den Zweit- und Drittbeschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 25.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind philippinische Staatsangehörige; der Erstbeschwerdeführer ist der Neffe der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer.
Die Beschwerdeführer beantragten am 13. Dezember 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gaben als Aufenthaltszweck die Familienzusammenführung mit den Eltern (so der Erstbeschwerdeführer) bzw. mit (je) einer Schwester (so die Zweit- und Drittbeschwerdeführer) an. Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Jänner 1995 (betreffend die Erst- und Drittbeschwerdeführer), bzw. vom 2. Februar 1995 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer) gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die Beschwerdeführer erhoben am 17. Februar 1995 Berufung und gaben in den Berufungen als weiteren Aufenthaltszweck den der unselbständigen Erwerbstätigkeit als ausgebildeter Stationsgehilfe (so der Erstbeschwerdeführer), als Krankenpfleger (so der Zweitbeschwerdeführer) und als Hebamme und Krankenschwester (so die Drittbeschwerdeführerin) an.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres je vom 16. April 1996 wurden die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG abgewiesen. Der Bescheid betreffend den Erstbeschwerdeführer wurde zusätzlich auf § 3 Abs. 4 AufG gestützt.
Die belangte Behörde stellte im Fall des Erstbeschwerdeführers fest, dieser habe seinen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG damit begründet, daß sich seine Eltern im Bundesgebiet aufhielten und mit diesen eine Familienzusammenführung angestrebt werde. Die Eltern des Erstbeschwerdeführers hielten sich bereits seit geraumer Zeit in Österreich auf und es sei ihnen bereits die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Beim volljährigen Beschwerdeführer könne nicht davon ausgegangen werden, daß ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinn des § 3 Abs. 4 AufG vorliege, da dieser bereits seit längerer Zeit von seinen Eltern getrennt lebe, aufgrund seines Alters bereits einer Beschäftigung nachgehen sollte und nicht auf das Einkommen seiner Eltern angewiesen sein dürfte. Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, daß durch den Aufenthalt der Eltern des Beschwerdeführers im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Im Rahmen der Familienzusammenführung könne jedoch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden.
In den Bescheiden betreffend die Zweit- und Drittbeschwerdeführer stützte die belangte Behörde ihren abweislichen Bescheid jeweils darauf, daß die Familienzusammenführung mit (je) einer Schwester der Beschwerdeführer, welche bereits österreichische Staatsbürgerin sei, gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG nicht möglich sei und aus diesem Grund im Zuge der Familienzusammenführung keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden dürfe. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse sei zu sagen, daß durch den Aufenthalt der Schwestern der Zweit- und Drittbeschwerdeführer im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden, jedoch im Rahmen der Familienzusammenführung keine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die §§ 3 Abs. 1 und 4, sowie 4 Abs. 1 AufG lauteten:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
- 1. von österreichischen Staatsbürgern oder
- 2. von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
(4) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und unter denselben Voraussetzungen kann, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten ist, eine Bewilligung auch volljährigen Kindern und Eltern der in Abs. 1 genannten Personen erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind.
§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung."
Die Beschwerdeführer verfügten noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung. Bei den gegenständlichen Anträgen handelt es sich somit um Erstanträge, auf welche § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 keine Anwendung findet.
Die belangte Behörde stützte ihre abweislichen Bescheide darauf, daß im Fall des Erstbeschwerdeführers als volljähriges Kind österreichischer Staatsbürger die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 AufG nicht vorlägen und im Fall der Zweit- und Drittbeschwerdeführer die angestrebte Familienzusammenführung mit ihren Schwestern in § 3 Abs. 1 AufG nicht vorgesehen sei. Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie im Fall des Erstbeschwerdeführers das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 AufG mangels eines entsprechenden Vorbringens während des Verwaltungsverfahrens als nicht gegeben erachtete. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Auslegung dieser Bestimmung ausgeführt, daß diese Ausnahmestimmung nur volljährige, von ihren Eltern wirtschaftlich abhängige Kinder vor Augen hat, deren individuelle Lebenssituation sich von der allgemeinen Lage anderer, von ihren Eltern wirtschaftlich abhängiger volljähriger Fremder unterscheidet. Ein Fall besonderer Härte werde dann gegeben sein, wenn die Schutzbedürftigkeit und Abhängigkeit des Volljährigen (außerhalb der bloß wirtschaftlichen Abhängigkeit) mit jener eines minderjährigen Kindes vergleichbar ist, z.B. wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen. Darüberhinaus müsse es diese besondere, individuelle Lebenssituation des Fremden zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten erscheinen lassen, im Inland einen Hauptwohnsitz zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0685). Eine derartige, der Abhängigkeit von Minderjährigen gleichzuhaltende Unterstützungsbedürftigkeit durch seine Eltern im Inland wurde durch den Erstbeschwerdeführer nicht dargetan. Der Behörde war es daher im Fall des Erstbeschwerdeführers verwehrt, im Wege einer gesonderten Ermessensentscheidung gemäß § 3 Abs. 4 AufG eine Bewilligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AufG dennoch zu erteilen und damit in Ansehung der Bewilligungsdauer die (privilegierende) Bestimmung des § 4 Abs. 3 AufG anzuwenden.
Ebenso zutreffend erweist sich die Ansicht der belangten Behörde, wonach Geschwister nicht zu den § 3 Abs. 1 AufG genannten Personen zählen und die Zweit- und Drittbeschwerdeführer demnach keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu ihren Schwestern haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 96/19/2101).
Sowohl im Fall des Erstbeschwerdeführers, als auch im Fall der Zweit- und Drittbeschwerdeführer bedeutet dies jedoch daß die belangte Behörde gehalten gewesen wäre, eine Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG - sei es durch die Erteilung einer Bewilligung oder einer Versagung einer solchen - unter Berücksichtigung der geltend gemachten familiären Gründe zu treffen (vgl. das zur gleichartigen Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0291, sowie zuletzt das hg. Erkenntnis vom 13. März 1998, Zl. 97/19/0575). Indem sie diese Rechtslage verkannte, belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Darüberhinaus hat es die belangte Behörde auch verabsäumt auf die in der Berufung jeweils angegebenen weiteren Aufenthaltszwecke der Beschwerdeführer einzugehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2134, mit näherer Begründung dargetan hat, war sowohl vor als auch nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 bzw. der Verordnung BGBl. Nr. 395/1995 die Geltendmachung mehrerer Aufenthaltszwecke zulässig. Auch der Änderung der Aufenthaltszwecke in den vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 erhobenen Berufungen stand kein Hindernis entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837). Einer solchen Änderung ist auch die Hinzufügung eines weiteren Aufenthaltszweckes gleichzuhalten. Damit haben sich die Beschwerdeführer aber auch wirksam auf den Aufenthaltszweck der Ausübung unselbständiger Erwerbstätigkeit gestützt. Die belangte Behörde hätte sich daher auch mit der Frage befassen müssen, ob den Beschwerdeführern eine Aufenthaltsbewilligung für diesen Aufenthaltszweck zu erteilen wäre. Hätte die belangte Behörde entsprechende Feststellungen getroffen, so wäre es ihr nicht verwehrt gewesen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 AufG den Beschwerdeführern im Wege einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG eine Aufenthaltsbewilligung unter Zugrundelegung des Aufenthaltszweckes der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zu erteilen. In Hinblick auf diesen geltend gemachten Aufenthaltszweck hat die belangte Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht hinlänglich erhoben. Bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels wäre es jedoch nicht ausgeschlossen gewesen, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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