VwGH 95/19/1837

VwGH95/19/183719.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1995, Zl. 107.415/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §10 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §5 Abs3;
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs2;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
AVG §66 Abs4;
AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §10 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §5 Abs3;
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs2;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß "§ 6 Abs. 1 AufG" abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe seinen am 28. April 1994 gestellten Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz mit einer beabsichtigten unselbständigen Tätigkeit als Metalltechniker begründet. Erst in seiner (am 27. September 1994 bei der belangten Behörde eingelangten) Berufung habe er angegeben, er strebe eine selbständige Erwerbstätigkeit an. Aus dem Grunde des § 6 Abs. 1 letzter Satz AufG (in der von der belangten Behörde angewendeten Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) könne der Antragsteller den bei der Antragstellung angegebenen Zweck seines Aufenthaltes im Laufe des Verfahrens nicht ändern.

Damit sei von einem auf die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gerichteten Antrag auszugehen gewesen, dessen Bewilligung ausgeschlossen sei, weil die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien nicht bestätigt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer beantragte, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmung des § 6 Abs. 1 letzter Satz AufG trat mangels Übergangsregelung in der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 am 20. Mai 1995 in Kraft. Sie ist auf die hier mit der am 27. September 1994 bei der belangten Behörde eingelangten Berufung vorgenommene Änderung des Aufenthaltszweckes nicht anwendbar. § 6 Abs. 1 letzter Satz AufG ist - im Gegensatz zur Erfolgsvoraussetzung der Antragstellung vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 AufG (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0677) - eine die Zulässigkeit einer Prozeßhandlung, nämlich der Änderung des zur Antragsbegründung herangezogenen Aufenthaltszweckes, regelnde Norm des Prozeßrechtes.

Zwar gilt, daß im allgemeinen die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende Recht anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise hat aber dann Platz zu greifen, wenn darüber abzusprechen ist, was zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtens war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Zl. 898/75, Slg. Nr. 9.315/A). Für die Beurteilung, ob die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommene Prozeßhandlung der Änderung des Aufenthaltszweckes zulässig war oder nicht, ist die im Zeitpunkt dieser Prozeßhandlung herrschende Rechtslage maßgeblich (vgl. hiezu etwa die Anknüpfung der Zulässigkeit eines Devolutionsantrages nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Einbringung den hg. Beschluß vom 13. Oktober 1980, Zl. 2397/80, Slg. Nr. 10.263/A).

§ 6 Abs. 1 letzter Satz AufG stand daher im Beschwerdefall der Änderung des Aufenthaltszweckes nicht entgegen. Eine solche Antragsänderung im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens wurde vom Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 96/18/0045) für zulässig erachtet. Auch gegen eine Antragsänderung im Berufungsverfahren bestehen aus nachstehenden Gründen keine Bedenken.

Gemäß § 10 Abs. 1 erster Satz AufG berechtigt eine Aufenthaltsbewilligung - unabhängig davon, zu welchem Zweck sie erteilt wurde - den Fremden zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet für deren Geltungsdauer. Eine Einschränkung des Umfanges dieser Berechtigung auf den bei Antragstellung geltend gemachten Aufenthaltszweck ist dem § 10 Abs. 1 AufG weder in seiner Fassung vor, noch in jener nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 zu entnehmen, zumal eine solche auch aus dem zweiten Satz dieser Bestimmung in der Fassung der genannten Novelle, wonach in der Bewilligung der Aufenthaltszweck festzusetzen sei, nicht abgeleitet werden kann. Auch die Zulässigkeit der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung hängt gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG nur von der Berechtigung des Fremden zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, nicht aber von dem in der Aufenthaltsbewilligung angeführten Aufenthaltszweck ab. Dem geltend gemachten Aufenthaltszweck kommt daher in erster Linie der Charakter einer AntragsBEGRÜNDUNG zu. Insoweit eine zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erteilte Bewilligung gemäß § 5 Abs. 3 AufG zur Arbeitssuche unter Zuhilfenahme des Arbeitsmarktservice berechtigt, geht der Umfang einer zu diesem Zweck erteilten Bewilligung über jenen einer solchen zu anderen Zwecken hinaus. Durch den nunmehr begehrten Zuspruch eines "Minus" geht die Identität der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nicht verloren.

Aus diesen Erwägungen hätte die belangte Behörde ihrer Entscheidung nicht die Annahme zugrundelegen dürfen, der Beschwerdeführer strebe eine unselbständige Erwerbstätigkeit an. Sie hätte vielmehr aufgrund des zulässigerweise geänderten Aufenthaltszweckes "selbständige Erwerbstätigkeit" zu entscheiden gehabt.

Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang noch darauf, daß selbst bei Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 AufG der angefochtene Bescheid aus den im hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 96/18/0046, dargelegten Gründen, die auch für die Rechtslage aufgrund der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, gelten (vgl. das hg. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1996, G 1409/95 und Folgezahlen), rechtswidrig wäre.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Umsatzsteuer ist im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand bereits enthalten (vgl. die bei Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 697, wiedergegebene Judikatur).

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