VwGH 96/19/0891

VwGH96/19/089122.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1969 geborenen SC, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1996, Zl. 300.809/3-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
AufG 1992 §12 Abs1;
AufG 1992 §12 Abs2;
AufG 1992 §12 Abs4 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z4;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
AufG 1992 §12 Abs1;
AufG 1992 §12 Abs2;
AufG 1992 §12 Abs4 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, der über Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen (zuletzt mit Gültigkeit bis 1. Dezember 1994) verfügte, stellte am 31. Oktober 1994 einen Antrag auf Verlängerung der zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. April 1995 wurde dieser Antrag im Instanzenzug abgewiesen.

Mit dem nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag vom 29. August 1995 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Wie bei seinen übrigen Anträgen gab er auch in diesem an, aus dem Kriegsgebiet (in Bosnien) zu kommen. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 16. November 1995 den Antrag mangels Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß er am 6. August 1991 nach Österreich gekommen sei, daß sein Haus abgebrannt und alles geraubt worden sei. Er könne nicht mehr in seine Heimat zurück.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Die Behörde stellte fest, der Beschwerdeführer halte sich seit dem Zeitpunkt des Ablaufes seiner Aufenthaltsbewilligung am 1. Dezember 1994 unrechtmäßig in Österreich auf und habe seinen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nicht vor seiner Einreise in das Bundesgebiet eingebracht, sondern sei dieser Antrag von einer dritten Person bei der österreichischen Botschaft in Laibach eingebracht worden, während sich der Beschwerdeführer in Österreich aufgehalten habe.

Der Beschwerdeführer sei nicht gewillt, die Vorschriften des österreichischen Fremdenrechtes einzuhalten und zu respektieren, weshalb der unrechtmäßige Aufenthalt eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, da das Verhalten des Beschwerdeführers auf andere Fremde durchaus Beispielswirkung haben könnte. Bei Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 EMRK habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß durch den Aufenthalt von Familienmitgliedern durchaus familiäre Bindungen zu Österreich bestünden, der Beschwerdeführer bereits volljährig sei und sein Aufenthalt seit 1991 auch nicht derart lange sei, daß ein hoher Integrationsgrad vorliege. Darüberhinaus sei der Beschwerdeführer noch nie einer Beschäftigung nachgegangen und stelle der einjährige unrechtmäßige Aufenthalt einen schwerwiegenden Eingriff in ein geordnetes Fremdenwesen dar, weshalb die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit überwögen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (8. Februar 1996) hatte die belangte Behörde das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden. Die §§ 6 Abs. 2 und 12 Abs. 1, 2 und 4 AufG lauteten in dieser Fassung:

"§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

...

§ 12. (1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren.

(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 sind Einreise und Dauer des Aufenthaltes der Fremden unter Berücksichtigung der Umstände des besonderen Falles zu regeln.

...

(4) Wird infolge der längeren Dauer der in Abs. 1 genannten Umstände eine dauernde Integration erforderlich, kann in der Verordnung festgelegt werden, daß für bestimmte Gruppen der Aufenthaltsberechtigten abweichend vom § 6 Abs. 2 eine Antragstellung im Inland zulässig ist.

..."

§§ 1 Abs. 1 und 2 der am 9. Juni 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, lautete:

"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die auf Grund bewaffneter Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

...

§ 2. Personen, die zum 1. Jänner 1995 gemäß der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 1038/1994, ein Aufenthaltsrecht hatten, können den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG ausnahmsweise im Inland stellen."

§ 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994, lautete (auszugsweise):

"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

(2) Dieses Aufenthaltsrecht besteht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.

..."

§ 4 Z. 4 der von der belangten Behörde anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder eine Befreiuungsschein ausgestellt ist und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Der rechtzeitig gestellte Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers vom 31. November 1994 wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. April 1995 abgewiesen. Der verfahrensgegenständliche, am 29. August 1995 gestellte neuerliche Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde daher zu Recht von der belangten Behörde nicht als Verlängerungsantrag, sondern als Erstantrag gewertet, für dessen Beurteilung § 6 Abs. 2 erster Satz AufG maßgeblich war.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung darüber auch abzuwarten, ist nicht als bloße Formvorschrift, sondern als Erfolgsvoraussetzung zu werten, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010 sowie Zl. 95/19/0895).

Die Abweisung eines entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrages erwiese sich nur dann als rechtwidrig, wenn der Beschwerdeführer zu jenem Personenkreis zählte, für den aufgrund der §§ 6 Abs. 2 dritter Satz und 12 AufG oder einer darauf gestützten Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise eine Antragstellung im Inland zulässig gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer hat bereits in seinem Antrag darauf hingewiesen, aus dem Kriegsgebiet zu stammen und in seiner Berufung ergänzend vorgebracht, bereits seit Anfang August 1991 in Österreich zu sein. Auch in den dem gegenständlichen Verfahren vorausgehenden Anträgen brachte der Beschwerdeführer stets vor, Kriegsflüchtling zu sein. In der Beschwerde erklärt der Beschwerdeführer dazu ausdrücklich, als Kriegsvertriebener am 6. August 1991 legal nach Österreich eingereist zu sein. Wie den obzitierten, gemäß § 12 AufG erlassenen Verordnungen zu entnehmen ist, fallen nur solche Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas in ihren Anwendungsbereich, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten. Der Beschwerdeführer behauptet, Anfang August 1991 nach Österreich eingereist zu sein. Zu diesem Zeitpunkt, der vor der Erklärung der Souveränität Bosnien-Herzeogwinas durch das Republikparlament am 15. Oktober 1991 und vor der Durchführung der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Bosnien-Herzegowinas Anfang März 1992, an die der Ausbruch des Bürgerkriegs anschloß (vgl. Der Fischer Welt-Almanach "93, S. 34 und S. 92), liegt, war Bosnien-Herzeogwina noch nicht Schauplatz bewaffneter Konflikte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1152). Der Beschwerdeführer mußte seine Heimat im August 1991 somit nicht aufgrund bewaffneter Konflikte verlassen. Der belangten Behörde kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, daß dem Beschwerdeführer die in den gemäß § 12 AufG ergangenen Verordnungen vorgesehene Möglichkeit zur Antragstellung vom Inland aus nicht offen stand.

Der Beschwerdeführer, der zwar über Aufenthaltsbewilligungen, aber weder nach der Aktenlage noch nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde jemals über eine ausländerbeschäftigungsrechtliche Bewilligung verfügte, konnte sich aus diesem Grund auch nicht auf die ausnahmsweise Möglichkeit zur Inlandsantragstellung gemäß § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 berufen. Die belangte Behörde hatte den vorliegenden Antrag somit an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen.

Angesichts des unbestrittenen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Inland im Zeitpunkt der Antragstellung und während des Verwaltungsverfahrens kann die Abweisung des gegenständlichen Antrages wegen der Nichteinhaltung der letztgenannten Vorschrift als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Angesichts dieses Verfahrensergebnisses erübrigte sich ein Eingehen auf den von der belangten Behörde ebenfalls herangezogenen Abweisungsgrund des § 5 Abs. AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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