Normen
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei zu Handen des Beschwerdevertreters Aufwendungen von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die damals im Bezug von Arbeitslosengeld stehende Beschwerdeführerin gab in einer von der regionalen Geschäftstelle aufgenommenen Niederschrift vom 5.6.1996, nach getroffener Feststellung, daß ihr am 23.5.1996 vom Arbeitsmarktservice bei einem näher bezeichneten Dienstgeber eine Beschäftigung als Küchenhilfe mit einer Entlohnung "Kollektivvertrag + Leistung" zugewiesen worden sei - dazu an, daß das Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen sei, weil sie sich nicht vorgestellt habe. Die Beschwerdeführerin "warte auf einen Anwalt vom Arbeitsgericht, um die Kündigung der 5 Arbeitgeber", die sie davor gehabt habe, "zu erklären" (gemeint offenbar: anzufechten). Außerdem wolle sie auf die Überprüfung ihrer Sozialversicherung warten, weil sie vermute, nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen zu sein. Aus ihrer Erfahrung wolle sie einen Arbeitsplatz, wo es eine Stechuhr gebe, damit sie ihre Arbeitszeit beweisen könne. Sie glaube, daß ihr der Gatte bei sämtlichen Arbeitgebern Probleme mache und werde ihn deshalb klagen. Sobald dies erledigt sei, werde sie sich wieder bei den zugewiesenen Stellen bewerben. Sonstige berücksichtigungswürdige Gründe bestünden keine.
Die regionale Geschäftsstelle sprach daraufhin mit Bescheid vom 27. Juni 1996 aus, daß die Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. Juni 1996 bis 12. Juli 1996 ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld gem. § 10 AlVG verloren habe, und begründete dies damit, daß sie das Arbeitsangebot vereitelt habe.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie zum Teil ihre Angaben aus der oben erwähnten Niederschrift wiederholte und - soweit dies aus den zum Teil unzusammenhängenden Formulierungen zu entnehmen ist - offenbar einerseits die Auffassung vertritt, nach einer Dienstgeberkündigung komme eine zumutbare Beschäftigung nicht in Betracht, anderseits scheint sie darin der Ansicht zu sein, daß die Verhängung der Sperrfrist auf eine Fehlinformation über eine angebliche Beschäftigung der Beschwerdeführerin zurückzuführen sei, wogegen sie sich ebenfalls wendet.
Mit einem weiteren Schreiben übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde eine ärztliche Bestätigung mit der Behauptung, "daß sie keine Arbeit annehmen konnte wegen (ihres) Gesundheitszustandes": sie habe zwei Wochen Zahnschmerzen gehabt und kaum essen können. Aus dem angeschlossenen Amubulanzprotokoll der Landeskrankenanstalten Salzburg geht hervor, daß die Beschwerdeführerin am 11. Juni 1996 um 8 Uhr früh mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht worden sei und behauptet habe, von ihrem Mann ins Gesicht geschlagen worden zu sein. Es seien gelockerte Zähne in der Unterkieferfront bei parodontal vorgeschädigter Bezahnung festgestellt worden, die mit einer Klebeschiene für die Dauer von 4 Wochen stabilisiert worden seien. Wegen der familiären Konfliktsituation sei ein Termin beim Sozialdienst vereinbart worden. Am 20.6.1996 habe eine Kontrolluntersuchung stattgefunden. Ferner brachte die Beschwerdeführerin in diesem Schreiben vor, daß die zugewiesene Arbeitsstelle weit weg von ihrer Wohnung sei, sie sich dort schon einmal vorgestellt habe und abgelehnt worden sei, weil das Unternehmen jemanden brauche, der ganz in der Nähe wohne.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen: Sie hielt den Tatbestand der Arbeitsverweigerung aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin in der mit ihr aufgenommenen Niederschrift und aufgrund ihres Berufungsvorbringens für erwiesen; die behauptete Arbeitsunfähigkeit sei erst später eingetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Eine solche Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert.
Grundvoraussetzung für die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung an einen Arbeitslosen ist, daß dessen Kenntnisse und Fähigkeiten jenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, die an der zugewiesenen Arbeitsstelle verlangt werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/08/0414).
Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132, in Fortführung seiner seit dem Erkenntnis vom 23. Februar 1984, Slg. Nr. 11.337/A, ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, sind die genannten Bestimmungen Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrundeliegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muß sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h., bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.
Um sich in bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern (zum zuletzt erwähnten Gesichtspunkt vgl. neben dem Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132, schon das Erkenntnis vom 12. Mai 1992, Zl. 92/08/0051).
Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, daß der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, daß er den Erfolg seiner (nach außen zutage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund unterliegt es keinem Zweifel, daß die Beschwerdeführerin dadurch, daß sie sich nicht an der angegebenen Arbeitsstelle vorgestellt hat, den Tatbestand der Vereitelung verwirklicht hätte, würde es sich um eine zumutbare und für die Zuweisung geeignete Arbeitsstelle gehandelt haben. Eine Unzumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung hat sie weder geltend gemacht, noch ist sie sonst ersichtlich. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Arbeitsunfähigkeit ist jedenfalls erst später eingetreten und vermochte daher die Unterlassung der Vorstellung nicht zu entschuldigen.
Soweit in der Beschwerde jedoch gerügt wird, daß die belangte Behörde Ermittlungen zu der Behauptung der Beschwerdeführerin unterlassen habe, sie sei bereits früher einmal (nämlich "vom 14.2.1996 bis 19.3.1996") an die genannte Arbeitsstelle zugewiesen, dort aber abgelehnt worden, bekämpft sie im Ergebnis mit Recht die von der belangten Behörde angenommene Zuweisungstauglichkeit:
Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift einräumt, sei die Beschwerdeführerin von der regionalen Geschäftsstelle erstmals am 27.2.1996 an diesen Dienstgeber zugewiesen worden und nach einem Vorstellungsgespräch nicht eingestellt worden, weil sich die Verhandlungspartner nicht über die Arbeitszeit hätten einigen können und das Unternehmen mitgeteilt habe, lieber eine Dienstnehmerin zu suchen, die näher am Arbeitsort wohne. Die Zuweisung hat sich daher - soweit die Beschwerdeführerin dem Anforderungsprofil des potentiellen Dienstgebers wegen ihres Wohnsitzes nicht entsprochen hat - seinerzeit als untauglich erwiesen. Eine Zuweisung ist nämlich - vor dem Hintergrund der oben erwähnten Gesetzeszwecke und der genannten Verpflichtungen des Arbeitslosen, aufgrund einer solchen Zuweisung ein entsprechend zielgerichtetes Verhalten unverzüglich an den Tag zu legen - schon dann untauglich, wenn sie - gemessen an den Anforderungen des einstellungswilligen Arbeitgebers - von vornherein nicht geeignet ist, die Arbeitslosigkeit zu beenden, weil dann das dem Arbeitslosen zugemutete zielgerichtete Verhalten leerlaufen müßte (zur Unzulässigkeit einer Zuweisung, wenn der Arbeitslose dem Anforderungsprofil des Dienstgebers in fachlicher Hinsicht nicht entspricht, vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 30.9.1997, Zl. 97/08/0414).
Die belangte Behörde hätte daher angesichts der ihr bekannten Ergebnislosigkeit der früheren Zuweisung aufgrund des Wohnortes der Beschwerdeführerin zunächst zu ermitteln gehabt, ob sich die Anforderungen des Dienstgebers geändert hatten. Verneinendenfalls wäre weiterhin von einem für eine Zuweisung der Beschwerdeführerin ungeeigneten Arbeitplatz auszugehen und die Zuweisung demgemäß zu unterlassen gewesen. Bejahendenfalls hätte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin anläßlich der (dann zulässigen) Zuweisung vom geänderten Anforderungsprofil in Kenntnis zu setzen gehabt; hat die belangte Behörde dies unterlassen, so konnte das Unterbleiben der Vorstellung durch die Beschwerdeführerin dieser nicht als verschuldet angelastet werden.
Da die belangte Behörde diesen Anforderungen nach derAktenlage nicht entsprochen hat, war der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Dezember 1998
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