VwGH 92/08/0051

VwGH92/08/005112.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 22. November 1991, Zl. IVb/7022/7100B, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 1 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
VwRallg;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom 26. Juli 1989 seines Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes für die Zeit vom 1. Juli 1989 bis 28. Juli 1989 für verlustig erklärt, weil er die Annahme einer vom Arbeitsamt zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung vereitelt habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin brachte er vor, daß er sich auf Weisung des Arbeitsamtes in einem näher bezeichneten Hotel als Oberkellner vorgestellt hätte. Beim Vorstellungsgespräch seien dem Beschwerdeführer bezüglich Arbeitszeit, Verdienst und genauem Aufgabenbereich keine bzw. widersprüchliche Auskünfte gegeben worden. Es sei ihm u.a. gesagt worden, daß er hauptsächlich um 6.00 Uhr in der Früh mit der Arbeit beginnen müßte und dies auch samstags und sonntags. Er habe gesagt, dies sei für seine Familie nicht zumutbar, da es sich nicht vermeiden ließe, daß er seine Familie um 4.30 Uhr morgens aufwecken würde. Auf die Frage des Beschwerdeführers, ob zu dem angebotenen Bruttogehalt von S 13.000,-- noch Trinkgeld dazukäme, sei ihm nicht geantwortet worden, ebenso nicht auf die Frage nach dem genauen Arbeitsbereich. Er hätte der Dame dann mitgeteilt, daß er die ganze Sache noch mit seiner Frau besprechen möchte. Eineinhalb Stunden später hätte er die Dame angerufen und sie gebeten, seine Bewerbung weiterzuleiten. Daraufhin sei ihm mitgeteilt worden, daß die Stelle schon besetzt sei.

Mit Bescheid vom 22. November 1991 hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und den angefochtenen Bescheid bestätigt. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß eine berufungsbehördliche Überprüfung der Angelegenheit ergeben habe, daß es sich bei der angebotenen Beschäftigung um eine Stelle als Oberkellner mit einer monatlichen Entlohnung von S 13.000,-- netto, mit 40 Wochenstunden, einer Fünftagewoche und einem Wechseldienst von 6.00 bis 14.30 Uhr bzw. 15.00 Uhr und von 10.00 bis 18.00 Uhr und von 18.00 bis 23.00 Uhr gehandelt habe. Beim Vorstellungsgespräch sei der Beschwerdeführer weder mit dem Verdienst noch mit der Arbeitszeit einverstanden gewesen und habe sich erst nach Rücksprache mit seiner Ehefrau bereit erklärt, die Stelle anzunehmen. Da der Beschwerdeführer in seiner Berufung den Sachverhalt klar dargelegt habe, habe von einer persönlichen Vorsprache des Beschwerdeführers abgesehen werden können. Der Grund für das Nichtzustandekommen des Dienstverhältnisses sei in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen. Dies vor allem deshalb - so setzt die belangte Behörde in ihrer Begründung fort - weil der Beschwerdeführer einerseits nach dem ersten Kontakt mit dem Dienstgeber Bedingungen für seine Zusage genannt habe, weshalb für diesen ein gewisses, vom Beschwerdeführer geäußertes Desinteresse habe angenommen werden dürfen, andererseits stelle die vom Beschwerdeführer behauptete Unzumutbarkeit des frühen Arbeitsbeginnes keinen triftigen Grund für die Nichtannahme einer Beschäftigung dar, dies umsomehr als er schon seit längerem im Bezug von Notstandshilfe stehe. Dadurch sei der Tatbestand des § 10 AlVG erfüllt und auch allfällige Nachsichtsgründe nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn der Arbeitslose sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, so verliert er gemäß § 10 Abs. 1 erster Satz AlVG für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung des Arbeitslosen zumutbar, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, daß der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet.

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß die ihm zugewiesene Arbeitsgelegenheit als Oberkellner in einem Hotelbetrieb eine künftige Verwendung in seinem (im Antrag auf Notstandshilfe selbst als "Kellner" angegebenen) Beruf wesentlich erschweren würde, sodaß die grundsätzliche Zuweisungstauglichkeit der vom Arbeitsamt namhaft gemachten Beschäftigung unter diesem Gesichtspunkt nicht strittig ist. Er wendet sich vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen die seiner Auffassung nach mangelnde Begründung des angefochtenen Bescheides: Die belangte Behörde habe unbegründet gelassen, wie sie zu der Feststellung gelangt sei, der Beschwerdeführer hätte sich weder mit dem Verdienst noch mit der Arbeitszeit einverstanden erklärt und ihm seien S 13.000,-- netto (statt S 13.000,-- brutto) angeboten worden. Auch habe die belangte Behörde nicht den Umstand erörtert, daß sein Wunsch, das Angebot mit seiner Ehegattin besprechen zu dürfen, seitens des Hotels nicht abgelehnt worden sei. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, daß das Ausbedingen einer Bedenkzeit keine vorsätzliche Vereitelung der Annahme einer Beschäftigung darstelle.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter "Vereitelung" iSd § 10 Abs. 1 AlVG ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt; das Nichtzustandekommen muß in einem darauf gerichteten oder dieses zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 1984, Slg. Nr. 11887/A, vom 23. Februar 1984, Zl. 82/08/0015, vom 13. September 1985, Zl. 85/08/0077, vom 30. September 1985, Zl. 85/08/0084, vom 9. April 1987, Zl. 86/08/0088, und vom 18. April 1989, Zl. 88/08/0065).

Die Beschwerdeausführungen gehen zunächst am Kern der Sache vorbei, soweit sie darauf hinauslaufen, daß das Verlangen nach Einräumung einer Bedenkzeit (oder deren tatsächliche Einräumung) noch keine Vereitelung des Zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der dargelegten Rechtslage darstelle (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. September 1985, Zl. 84/08/0155). Die belangte Behörde hat nämlich - wie aus der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides ersichtlich ist - keineswegs nur diesen Umstand zur Stützung ihres Bescheides herangezogen, sondern das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers während des Vorstellungsgespräches gewürdigt, aus dem der Dienstgeber nach Auffassung der belangten Behörde ein Desinteresse des Beschwerdeführers an der Annahme der angebotenen Beschäftigung entnehmen durfte.

Dieser Auffassung der belangten Behörde vermag der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht entgegenzutreten, weil der Beschwerdeführer in seiner Berufung selbst vorgebracht hat, während des Vorstellungsgespräches geäußert zu haben, daß ihm eine Beschäftigung mit einem Arbeitsbeginn um 6.00 Uhr deshalb nicht zumutbar sei, weil er in diesem Fall seine Familie um 4.30 Uhr morgens aufwecken würde. Mit diesem im Vorstellungsgespräch vorgebrachten Einwand hat der Beschwerdeführer keinen Grund geltend gemacht, aus dem die zugewiesene Beschäftigung als unzumutbar im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG angesehen werden könnte. Die Darstellung dieses in der Sphäre des Beschwerdeführers liegenden Umstandes als ernstliches Hindernis für die Annahme der angebotenen Beschäftigung, mußte beim potentiellen Arbeitgeber Zweifel darüber erwecken, ob der Stellenbewerber tatsächlich als Dauerlösung für den ins Auge gefaßten Arbeitsplatz in Betracht kommt. Dieser Eindruck mußte umsomehr entstehen, als sich der Beschwerdeführer (auch in diesem Zusammenhang) überdies zwecks Rücksprache mit seiner Ehefrau Bedenkzeit erbeten hat. Wenn daraufhin die Arbeitsstelle mit einem anderen Bewerber besetzt worden ist, so war dies nach der Lebenserfahrung als unmittelbare Folge des Verhaltens des Beschwerdeführers geradezu zu erwarten. Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Handlungsweise des Beschwerdeführers, mit welcher dieser die - schließlich eingetretene - Folge der anderweitigen Besetzung des Arbeitsplatzes zumindest in Kauf genommen hat, als Vereitelung im Sinne der dargelegten Rechtslage qualifiziert hat.

Aber auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers versagt:

Unter angemessener Entlohnung im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das kollektivvertragliche Entgelt zu verstehen (vgl. das Erkenntnis vom 23. Mai 1989, Zl. 88/08/0161, mit zahlreichen Hinweisen).

Der Beschwerdeführer räumt ein, daß ihm anläßlich des Vorstellungsgespräches ein Entgelt von S 13.000,-- brutto (monatlich) angeboten worden sei. Daß damit die in Betracht kommenden kollektivvertraglichen Entgeltansprüche unterschritten worden wären, behauptet der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde nicht. Schon auf dem Boden der Behauptungen des Beschwerdeführers kann daher von einer Unzumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung mangels angemessener Entlohnung im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG keine Rede sein. Es ist daher aus rechtlichen Gründen unerheblich, ob dem Beschwerdeführer der genannte Betrag (sogar) netto - wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides behauptet - oder (nur) brutto angeboten worden ist. Es kann demnach auch offenbleiben, ob die diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde ausreichend begründet sind, zumal selbst im Falle einer nicht ausreichenden Begründung ein Einfluß auf das Verfahrensergebnis auszuschließen ist.

Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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