VwGH 97/08/0414

VwGH97/08/041430.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des G in U, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 9, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 22. April 1997, Zl. B1-12896C42-10, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in Abweisung einer Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Arbeitsmarktservice Perg vom 21. November 1996 - ausgesprochen, daß dem Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 7. November 1996 bis 18. Dezember 1996 versagt und eine Nachsicht nicht erteilt werde. Nach der Begründung dieses Bescheides sei dem (seit 23. Oktober 1996) im Bezug von Arbeitslosengeld stehenden Beschwerdeführer am 30. Oktober 1996 eine Beschäftigung "als Schlosser bei der Firma Metallbau Hannl ... mit einer Entlohnung von brutto S 100,-- pro Stunde und Arbeitsantritt am 7.11.1996 zugewiesen" worden.

Das Dienstverhältnis sei nicht zustandegekommen, wobei der

Beschwerdeführer angegeben habe, nicht auf Montage fahren zu

können, da er zu Hause in der elterlichen Landwirtschaft

mitarbeiten müsse. Ferner hätte er den von der Firma verlangten

Führerschein C nicht. Die dem Beschwerdeführer gebotene

Entlohnung von S 100,-- sei zu niedrig. Nach Wiedergabe des

Berufungsvorbringens, der Ermittlungstätigkeit der belangten

Behörde und des wesentlichen Inhalts schriftlich erstatteter

Stellungnahmen des Beschwerdeführers, sowie nach Hinweisen auf

die angewendeten Rechtsvorschriften kam die belangte Behörde

zum Ergebnis, daß die vom Arbeitsmarktservice zugewiesene

Beschäftigung den "Zumutbarkeitsbestimmungen" des § 9 Abs. 2

AlVG entsprochen habe. Das Gebot der zumindest

kollektivvertraglichen Entlohnung gelte für die zugewiesene

Beschäftigung und beziehe sich nicht auf einen vorher erzielten

Verdienst bzw. die vorherige Verwendung im erlernten Beruf. Die

vom Beschwerdeführer "monierte Entlohnungshöhe" entspreche den

Bestimmungen des Kollektivvertrages: er wäre als Schlosser mit

S 100,-- pro Stunde entlohnt worden, der Kollektivvertrag sehe

jedoch nur einen Betrag von S 97,30 vor. Der Erwerb des

Führerscheins der Gruppe "C" wäre dem Beschwerdeführer "im Zuge

der aufgenommenen Beschäftigung objektiv möglich und daher

zumutbar gewesen, auch wenn dies möglicherweise im Zuge des

Vorstellungsgespräches nicht konkret angeboten" worden sei. Da

ein Leistungsanspruch erst seit 23. Oktober 1996 bestanden habe

und der Beschwerdeführer die zugewiesene Beschäftigung mit

7. November 1996 hätte antreten sollen, sei "in diesem kurzen

Zeitraum (15 Tage) ... (der) Qualifikationsverlust ... derart

gering, daß (dem Beschwerdeführer) die Annahme der

Beschäftigung durchaus zumutbar gewesen wäre, ohne daß (der

Beschwerdeführer) einen Qualifikationsverlust hätte hinnehmen

müssen, der ... den Wiedereinstieg in den erlernten Beruf

unmöglich gemacht hätte". Überdies könnten aufgrund der vorgelegten Unterlagen keine derart gravierenden Unterschiede in den Berufsbildern festgestellt werden, die das Vorliegen von zwei grundverschiedenen Berufen erkennen hätten lassen, welche den Wiedereinstieg in den jeweils anderen Beruf wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht hätten (dazu folgen detaillierte Feststellungen der Behörde über die Berufsbilder des Schlossers und des Maschinenschlossers). Die Angabe des Beschwerdeführers, er könne nicht auf Montage fahren, da er zu Hause in der elterlichen Landwirtschaft mitarbeiten müsse, sei vom Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens "nicht ... widerrufen" worden. Durch diese Äußerung habe der Beschwerdeführer jedenfalls nicht die "in § 9 Abs. 1 AlVG normierte Arbeitswilligkeit ... zu erkennen gegeben". Das Kriterium der Zumutbarkeit sei durch eine etwaige Montagetätigkeit nicht beeinflußt und es sei auf die behauptete private Verpflichtung zur Mitarbeit in der Landwirtschaft unter dem Titel einer Gegenleistung für das Wohnrecht daher keine Rücksicht zu nehmen. Da sich der Beschwerdeführer sohin geweigert habe, die ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, verliere er daher gemäß § 10 Abs. 1 AlVG für die Dauer von sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist u.a. arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Eine solche Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert.

Der Beschwerdeführer erachtet die zugewiesene Beschäftigung unter mehreren Gesichtspunkten als nicht zumutbar: Er habe den Beruf eines Maschinenschlossers gelernt und diesen Beruf in qualifizierter Form auch bisher immer ausgeübt. Wesentlich für die Tätigkeit des Maschinenschlossers sei die Beschäftigung an den entsprechenden Maschinen. Hätte er daher eine Beschäftigung als "LKW-Fahrer und Monteur auf Baustellen" angenommen, hätte er damit seine Qualifikationen in seinem Beruf binnen kurzer Zeit verloren und es wäre eine künftige Verwendung in seinem bisherigen Beruf eines Maschinenschlossers ganz wesentlich erschwert worden. Ferner habe der Beschwerdeführer über die Lenkerberechtigung der Gruppe C, die für die zugewiesene Tätigkeit erforderlich gewesen wäre, nicht verfügt. Überdies erfülle die ihm zugewiesene Beschäftigung nicht die Voraussetzung einer angemessenen Entlohnung. Bei der zugewiesenen Beschäftigung wäre der Beschwerdeführer lediglich als Facharbeiter eingestuft worden und hätte daher nicht das kollektivvertragliche Mindestentgelt für die Lohngruppe "qualifizierter Facharbeiter" erhalten.

Was das zuletzt erwähnte Argument des Beschwerdeführers betrifft, so trifft die Begründung der belangten Behörde zu, daß es für die Zumutbarkeit unter dem Gesichtspunkt des angemessenen Entgelts ausschließlich darauf ankommt, ob die zugewiesene Beschäftigung zumindest kollektivvertraglich entlohnt wird, nicht aber, wie sich dieser kollektivvertragliche Lohn zu dem Lohn des Beschwerdeführers in seiner früheren Beschäftigung verhält. Ebensowenig kommt es darauf an, in welchem Verhältnis der Lohn der zugewiesenen Beschäftigung zum "Durchschnittslohn des Gewerbes" steht, sofern die Beschäftigung nach den übrigen Kriterien des § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar ist.

Im übrigen ist dem Beschwerdevorbringen jedoch aus folgenden Gründen beizupflichten:

Grundvoraussetzung für die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung an einen Arbeitslosen ist, daß dessen Kenntnisse und Fähigkeiten jenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, die an der zugewiesenen Arbeitsstelle verlangt werden. Wenn daher von einem Unternehmen ein Monteur, der im Besitz eines Führerscheins der Gruppe C steht, gesucht wird, dann ist diese Beschäftigung für die Zuweisung eines Arbeitslosen, der über diesen Führerschein nicht verfügt, nicht tauglich. Darauf, ob und unter welchen Voraussetzungen während dieses Beschäftigungsverhältnisses allenfalls die Möglichkeit besteht, diesen Führerschein nachzuholen, und ob die Nachholung dieses Führerscheins durch den Dienstgeber bezahlt wird, ist schon deshalb nicht Bedacht zu nehmen, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verpflichtung des Arbeitslosen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- bzw. umschulen zu lassen, nur unter der Voraussetzung besteht, daß er mit seinen bisherigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden kann (vgl. dazu etwa zuletzt das Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 95/08/0339, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur, und das Erkenntnis vom 16. September 1997, Zl. 96/08/0308).

Die belangte Behörde unterliegt aber auch insoweit einem Rechtsirrtum, als sie ohne Bedachtnahme auf die konkrete, zugewiesene Tätigkeit in der Frage, ob die Beschäftigung dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf wesentlich erschweren würde, lediglich die Berufsbilder eines Schlossers und eines Maschinenschlossers einander gegenübergestellt hat. Nach den Feststellungen der belangten Behörde stellt das Unternehmen, in dem der Beschwerdeführer hätte beschäftigt werden sollen, Überdachungen für Zapfsäulen und Waschanlagen her, die dann von Monteuren hauptsächlich im Raum von Salzburg und Oberösterreich aufgestellt würden. Ungeachtet dessen, ob diese Tätigkeit eines solchen Monteurs für Überdachungen für Zapfsäulen und Waschanlagen dem Berufsbild eines Schlossers entspricht, hätte die belangte Behörde zu prüfen gehabt, welche der Kenntnisse und Fähigkeiten eines Schlossers überhaupt für die Verrichtung einer derartigen Tätigkeit erforderlich sind, mit anderen Worten, ob es sich nicht bloß um solche Teiltätigkeiten aus dem Beruf des Schlossers handelt, für die qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten, wie sie das Wesen des Berufsbildes ausmachen, nicht erforderlich sind. Diese für die konkrete Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten wären dann dem Berufsbild des Maschinenschlossers (welchen Beruf der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen bisher ausgeübt hat), gegenüberzustellen gewesen. Danach wäre festzustellen gewesen, welche Fertigkeiten und Kenntnisse eines Maschinenschlossers in der konkreten Verweisungstätigkeit nicht benötigt werden. Erst aufgrund dieser Sachverhaltsgrundlage wäre auch zu beurteilen gewesen, ob die zugewiesene Tätigkeit dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf wesentlich erschweren würde. Die genannte Prüfung wäre im Falle des Beschwerdeführers umsomehr anzustellen gewesen, als dessen Arbeitslosigkeit erst wenige Tage angedauert hat und seitens der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice offenbar weder ein Versuch unternommen wurde, den Beschwerdeführer im Rahmen seiner bisherigen Berufstätigkeit zu vermitteln, noch Feststellungen darüber getroffen wurden, daß eine solche Vermittlung (etwa wegen völligen Mangels jeglicher Arbeitsstellen für Maschinenschlosser) auf absehbare Zeit nicht möglich wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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