VwGH 96/01/0652

VwGH96/01/065222.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. Martin Lichtenegger, Rechtsanwalt in Graz, Andreas-Hofer-Platz 9/II, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 11. April 1996, GZ 11.1/99-96, betreffend Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §19;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
SPG 1991 §65 Abs1;
SPG 1991 §65 Abs4;
SPG 1991 §77 Abs1;
SPG 1991 §77 Abs2;
SPG 1991 §77 Abs3;
AVG §19;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
SPG 1991 §65 Abs1;
SPG 1991 §65 Abs4;
SPG 1991 §77 Abs1;
SPG 1991 §77 Abs2;
SPG 1991 §77 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit "Ladungsbescheid" der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 11. April 1996 wurde der Beschwerdeführer ersucht, zur Mitwirkung an der "erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß Sicherheitspolizeigesetz" am 20. Mai 1996 um 10.00 Uhr persönlich zum Gendarmerieposten Frohnleiten zu kommen, wobei ihm für den Fall der Nichtbefolgung ohne wichtigen Grund die zwangsweise Vorführung angedroht wurde. Als Rechtsgrundlage wurden § 19 AVG und §§ 65 und 77 Sicherheitspolizeigesetz angeführt.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. 566/1991 (SPG), in der hier anzuwendenden Fassung, haben folgenden Wortlaut:

"§ 16. ...

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer

  1. 1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB) BGBl. Nr. 60/1974, oder
  2. 2. nach den §§ 12, 14 oder 14a des Suchtgiftgesetzes, BGBl. Nr. 234/1951, oder
  3. 3. nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945,

    strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird.

(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen, die im Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln. Hievon kann solange abgesehen werden, als nicht zu befürchten ist, der Betroffene werde weitere gefährliche Angriffe begehen.

(2) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines bestimmten gefährlichen Angriffes Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn diese nicht im Verdacht stehen, den gefährlichen Angriff begangen zu haben, aber Gelegenheit hatten, Spuren zu hinterlassen, soweit dies zur Auswertung vorhandener Spuren notwendig ist.

(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, deren Identität gemäß § 35 Abs. 1 Z. 3 festgestellt werden muß und die über ihre Identität keine ausreichenden Aussagen machen wollen oder können, sofern eine Anknüpfung an andere Umstände nicht möglich ist oder unverhältnismäßig wäre.

§ 77. (1) Die Behörde hat einen Menschen, den sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat, unter Bekanntgabe des maßgeblichen Grundes formlos hiezu aufzufordern.

(2) Kommt der Betroffene der Aufforderung gemäß Abs. 1 nicht nach, so ist ihm die Verpflichtung gemäß § 65 Abs. 4 bescheidmäßig aufzuerlegen; dagegen ist eine Berufung nicht zulässig. Eines Bescheides bedarf es dann nicht, wenn der Betroffene auch aus dem für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen Grunde angehalten wird.

(3) Wurde wegen des für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen Verdachtes eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet, so gelten die im Dienste der Strafjustiz geführten Erhebungen als Ermittlungsverfahren (§ 39 AVG) zur Erlassung des Bescheides. Dieser kann in solchen Fällen mit einer Ladung (§ 19 AVG) zur erkennungsdienstlichen Behandlung verbunden werden."

Da die vorliegende Erledigung der belangten Behörde als "Ladungsbescheid" bezeichnet wurde und die Androhung von Zwangsfolgen enthält, handelt es sich hiebei nicht um eine formlose Aufforderung im Sinne von § 77 Abs. 1 SPG, sondern um einen - mit einer Ladung verbundenen - bescheidmäßigen Abspruch über die Verpflichtung des Beschwerdeführers, an der erkennungsdienstlichen Behandlung mitzuwirken.

Im Gegensatz zu bloßen Ladungsbescheiden hat derartigen Bescheiden gemäß § 56 AVG grundsätzlich ein Ermittlungsverfahren voranzugehen, wobei allerdings im Falle des § 77 Abs. 3 SPG die im Dienst der Strafjustiz geführten Erhebungen als Ermittlungsverfahren gelten. Gemäß § 60 iVm § 58 Abs. 2 AVG wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Der angefochtene Bescheid enthält jedoch keine Begründung.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer nach Erlassung des angefochtenen Bescheides das an sie gerichtete Ersuchen des Gendarmeriepostens Semriach vom 22. Jänner 1996 "in Ergänzung des ha. Ladungsbescheides ... zur gefälligen Kenntnisnahme" übersendet. Darin ersucht dieser Gendarmerieposten, die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers, der wegen mehrerer strafbarer Handlungen nach dem StGB angezeigt worden sei und die erkennungsdienstliche Behandlung verweigert habe, mit Bescheid vorzuschreiben. Dieser Vorgang vermag die erforderliche Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu ersetzen.

Da die aufgezeigte Mangelhaftigkeit den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der inhaltlichen Rechtmäßigkeit hindert, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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