VwGH 95/10/0084

VwGH95/10/008416.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerden 1.) des FT und 2.) der AT, beide in L und vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach 270, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 21. März 1995, Zl. Senat-MD-94-002 (zur Zl. 95/10/0084) und Zl. Senat-MD-94-003 (zur Zl. 95/10/0085), betreffend Übertretungen des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
ForstG 1975 §16 Abs1;
ForstG 1975 §16 Abs3;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
ForstG 1975 §172 Abs6;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z4;
ForstG 1975 §175;
VStG §31 Abs2;
AVG §39 Abs2;
ForstG 1975 §16 Abs1;
ForstG 1975 §16 Abs3;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
ForstG 1975 §172 Abs6;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z4;
ForstG 1975 §175;
VStG §31 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Niederösterreich jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 5. Juli 1990 erteilte die Bezirkshauptmannschaft M. (BH) den Beschwerdeführern unter Berufung auf die §§ 16 und 172 Abs. 6 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) die Aufträge, das von ihnen auf der Waldfläche 61/104, KG L., abgelagerte Schüttmaterial bis spätestens 30. September 1990 gänzlich zu entfernen und im Bereich der Schüttfläche bis spätestens 30. April 1991 eine Wiederbewaldung durchzuführen.

Nach der Begründung sei auf dem genannten Grundstück im Bereich jener Fläche, für welche die Nutzungsart Wald festgelegt sei, durch eine Anschüttung von Aushubmaterial eine Waldverwüstung verursacht worden. Das Grundstück habe ein Gesamtausmaß von 1,09 ha, wobei 3761 m2 als Waldanteil ausgewiesen seien. Dabei sei es auf einer Fläche von 704 m2 durch die Anschüttung zu einer waldfremden Nutzung gekommen, womit eine konsenslose Rodung vorliege. Der Waldbestand habe ein Alter zwischen 25 und 50 Jahren, sei vom Bestandsaufbau mehrschichtig und weise bestandesbildende Holzarten, wie Rotbuche, Hainbuche, Esche, Weide und Schwarzerlen auf. Die Überschirmung des Waldbestandes habe 10/10 betragen. Durch die Anschüttung sei die Produktionskraft des Waldes gänzlich vernichtet worden, weshalb einerseits die Entfernung des Schüttmaterials und andererseits die anschließende Aufforstung erforderlich sei. Die beschwerdeführenden Parteien seien Pächter des genannten Grundstückes. Vom Recht des Parteiengehörs innerhalb der ihnen eingeräumten Frist hätten sie keinen Gebrauch gemacht. Lediglich im Zuge einer Vorsprache durch den Beschwerdeführer sei die Auffassung vertreten worden, daß keine dem ForstG zuwiderlaufende Maßnahme gesetzt worden sei und eine Gegenäußerung unter Anschluß eines forstfachlichen Gutachtens angekündigt worden. Eine solche Stellungnahme sei jedoch nicht eingelangt.

Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Mit Straferkenntnissen vom 9. Dezember 1993 wurde den Beschwerdeführern als Verantwortliche für die Waldverwüstung vorgeworfen, daß sie den ihnen mit Bescheid der BH vom 5. Juli 1990 erteilten Auftrag, das von ihnen auf der gegenständlichen Waldfläche abgelagerte Schüttmaterial bis spätestens 30. September 1990 gänzlich zu entfernen, insofern nicht erfüllt hätten, als das Schüttmaterial am 24. April 1992 nach wie vor nicht beseitigt gewesen sei (Spruchpunkt 1.); ferner hätten sie den ihnen mit dem genannten Bescheid der BH erteilten Auftrag, im Bereich der Schüttfläche bis spätestens 30. April 1991 eine Wiederbewaldung durchzuführen, insofern nicht erfüllt, als die Wiederbewaldung am 24. April 1992 noch nicht durchgeführt gewesen sei (Spruchpunkt 2.).

Die Beschwerdeführer hätten dadurch § 174 Abs. 1 lit. a Z. 4 sowie § 16 Abs. 3 erster Satz ForstG in Verbindung mit dem Spruch des Bescheides der BH vom 5. Juli 1990 übertreten. Gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 4 ForstG werde über die beschwerdeführenden Parteien für jeden Spruchpunkt des Straferkenntnisses eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 72 Stunden) verhängt.

Den dagegen erhobenen Berufungen wurde mit den angefochtenen Bescheiden jeweils zu Punkt 1. der Straferkenntnisse gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und die Straferkenntnisse mit der Maßgabe bestätigt, daß die Strafnorm zu diesem Spruchpunkt "§ 174 Abs. 1 lit. a ForstG" zu lauten habe.

Den Berufungen zum Spruchpunkt 2. der Straferkenntnisse wurde jeweils gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise Folge gegeben und die Strafe von S 3.000,-- auf S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden auf 36 Stunden) herabgesetzt. Die Übertretungsnorm habe "§ 174 Abs. 1 lit. b Z. 33 in Verbindung mit § 172 Abs. 6 lit. a ForstG und dem zweiten Teil des Spruches des Bescheides der BH vom 5. Juli 1990" zu lauten. Strafnorm sei "§ 174 Abs. 1 lit. b ForstG".

Nach der Begründung habe die belangte Behörde am 27. Februar 1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei sei der anzeigelegende Beamte der Forstabteilung der BH Guido D. einvernommen worden. Ferner habe die belangte Behörde in ein Prospekt der Gemeinde L. Einsicht genommen, in dem eine Luftaufnahme aus dem Jahre 1988 enthalten gewesen sei. Weiters sei in den Verwaltungsakt der BH sowie einen Grundbuchsauszug des zuständigen Grundbuchsgerichtes Einsicht genommen worden und das mit 1. Juni 1990 datierte Schreiben der Grundstückseigentümerin an die Beschwerdeführerin verlesen worden. Aufgrund dieses Beweisverfahrens stehe fest, daß in den Jahren vor 1990 im südöstlichen Bereich des genannten Grundstückes ein Waldbestand mit einem Alter von 25 bis 50 Jahren bestanden habe. Die Anwendung des ForstG auf die gegenständliche Teilfläche sei daher nicht rechtswidrig. Die beschwerdeführenden Parteien hätten im gesamten Verwaltungsstrafverfahren das Zuwiderhandeln gegen die Aufträge im Bescheid vom 5. Juli 1990 nicht bestritten, sodaß vom Zuwiderhandeln gegen diese Aufträge und somit von der Erfüllung des gesetzlichen Tatbildes auszugehen gewesen sei. Dadurch, daß die beschwerdeführenden Parteien den behördlichen Aufträgen zur Beseitigung der Schüttung und zur Durchführung einer Wiederbewaldung nicht nachgekommen seien, sei es zu einer nicht unbeträchtlichen Beeinträchtigung der Interessen der Allgemeinheit am Bestand von Wald in der gegenständlichen Region gekommen.

Gegen diesen Bescheid richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des sachlichen Zusammenhanges verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 ForstG ist jede Waldverwüstung verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.

Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 3 ForstG die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Insbesondere kann sie hiebei in den Fällen des Abs. 2 eine bestimmte Nutzungsart vorschreiben, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist jede Fällung an eine behördliche Bewilligung binden oder anordnen, daß der Verursacher die Gefährdung und deren Folgewirkung in der Natur abzustellen oder zu beseitigen hat. Privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers bleiben unberührt.

Maßnahmen nach § 16 Abs. 3 ForstG dienen in erster Linie der Walderhaltung (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. Mai 1981, VwSlg. 10.463/A). Die Forstbehörden sind im Fall einer Waldverwüstung zum Einschreiten von Amts wegen, ohne Rücksicht darauf, ob die Waldverwüstung vom Waldeigentümer oder von einer anderen Person verursacht worden ist, verpflichtet (vgl. das Erkenntnis vom 27. April 1987, VwSlg. 12.457/A).

Wer den behördlichen Vorkehrungen und Vorschreibungen zur Abstellung von Waldverwüstungen oder Beseitigung der Folgen derselben gemäß § 16 Abs. 3 zuwiderhandelt, begeht gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 4 ForstG eine Verwaltungsübertretung.

Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde gemäß § 172 Abs. 6 ForstG, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung (lit. a), dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.

Aufträge nach § 172 Abs. 6 lit. a ForstG sind keine Strafsache und von der Einleitung eines Strafverfahrens und damit von der Verfolgungsverjährung unabhängig (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Mai 1993, Zl. 92/10/0374).

Wer es dem Organ der Behörden verwehrt oder erschwert, die gemäß § 172 Abs. 1 dritter Satz und Abs. 2 erster Satz im Rahmen der Forstaufsicht vorgesehenen Aufgaben durchzuführen oder den gemäß Abs. 6 bezeichneten Vorkehrungen nicht nachkommt oder diesen zuwiderhandelt, begeht nach § 174 Abs. 1 lit. b Z. 33 ForstG eine Verwaltungsübertretung.

Soweit in den Beschwerden unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG behauptet wird, weil dem Straferkenntnis vom 9. Dezember 1993, welches von der belangten Behörde bestätigt worden sei, nicht entnommen werden könne, auf welche Waldfläche sich die strafbaren Handlungen beziehen sollten, ist den beschwerdeführenden Parteien zu erwidern, daß durch die Bezugnahme im Spruch des Straferkenntnisses auf den Bescheid der BH vom 5. Juli 1990 der Tatort der in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen so eindeutig umschrieben ist, daß für die beschwerdeführenden Parteien weder die Gefahr einer Doppelbestrafung gegeben ist noch für sie unklar sein kann, im Hinblick auf welche Waldfläche ihnen die gegenständlichen Übertretungen angelastet werden (vgl. z.B. die Ausführungen in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, zu § 44a VStG, S. 969 ff).

Den beschwerdeführenden Parteien wurde vorgeworfen, bescheidmäßig aufgetragene forstpolizeiliche Aufträge nicht erfüllt zu haben; der Lauf der Verjährungsfrist beginnt daher erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Unterlassung beendet ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. Oktober 1972, VwSlg. 8306/A). Der behauptete Verstoß gegen die Verjährungsbestimmung des § 175 ForstG liegt daher nicht vor.

Mit ihrer Verfahrensrüge, wonach sie keine Gelegenheit gehabt hätten, zu den Aussagen des Zeugen Guido D. und dem Brief der Verpächterin Stellung zu nehmen, womit der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei, vermögen die beschwerdeführenden Parteien schon deshalb keine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen, weil sie die Relevanz dieses Verfahrensverstoßes darzutun, also durch konkretes tatsächliches Vorbringen in der Beschwerde anzuführen gehabt hätten, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. z.B. aus der ständigen Rechtsprechung das Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 87/18/0058, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Aus den dargestellten Erwägungen erweisen sich daher die vorliegenden Beschwerden als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. November 1998

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