VwGH 95/09/0294

VwGH95/09/02941.7.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Karl S in H, vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien XXI, Brünnerstraße 37/5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 11. September 1995, Zl. Senat-MI-95-436, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VStG §24;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs3;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VStG §24;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs3;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einer Anzeige des Gendarmeriepostens G. vom 24. September 1994 an die Bezirkshauptmannschaft M. ist davon die Rede, die beiden tschechischen Staatsangehörigen Milan und Miroslav V. (im folgenden: V.) seien bei Maurerarbeiten am Haus des Beschwerdeführers angetroffen worden. Sie seien damit beschäftigt gewesen, eine Veranda zu errichten.

In den Verwaltungsstrafakten finden sich zwei Niederschriften über die Einvernahme der beiden ausländischen Staatsangehörigen vom 20. September 1994 durch ein Organ der Bezirkshauptmannschaft M. Bei diesen Vernehmungen war eine Dolmetscherin anwesend. Die Zeugenaussage des Miroslav V. lautet dahin, daß er am 21. September 1994 gemeinsam mit seinem Bruder Milan V. nach Österreich eingereist sei. Am 17. September 1994 sei der Beschwerdeführer zu ihm nach Tschechien gekommen und habe ihm angeboten, beim Zubau seines Wohnhauses (Veranda) Maurerarbeiten durchzuführen. Er hätte auch noch andere Maurer mitnehmen sollen. Es sei vereinbart worden, daß die angeführten Arbeiten erstmals am Mittwoch, dem 21. September 1994, durchgeführt werden sollten. Seitens des Beschwerdeführers sei eine Entlohnung ("genaue Höhe wurde nicht erwähnt") sowie "kostenlose Kost" während der Zeit der Arbeitstätigkeit zugesagt worden. Den Arbeitsauftrag habe der Beschwerdeführer, und zwar zur Durchführung der Maurerarbeiten am Zubau, erteilt. Das Material sei vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt worden. - Die Zeugenaussage des zweiten ausländischen Staatsangehörigen Milan V. ist gleichlautend derjenigen seines Bruders protokolliert.

Mit Straferkenntnis vom 28. März 1995 sprach die Bezirkshauptmannschaft M. den Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 AuslBG in zwei Fällen (Beschäftigung des Miroslav und des Milan V. am 21. September 1994) für schuldig. Sie verhängte eine Geldstrafe in der Höhe von jeweils S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils fünf Tage). In der Begründung des Straferkenntnisses wird unter Hinweis auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren im wesentlichen ausgeführt, daß "in zusammenfassender Weise" jedenfalls von einem arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnis zu den beiden an der Baustelle des Beschwerdeführers angetroffenen Ausländern ausgegangen werden könne.

In der Berufung betonte der Beschwerdeführer nochmals, daß es sich bei den Brüdern V. um "Freunde von mir handelt, die mir unentgeltlich beim Aufstellen einer Mauer helfen wollten".

Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, an der der Beschwerdeführer persönlich teilnahm, wurden mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. September 1995 die verhängten Geldstrafe bestätigt, die Ersatzfreiheitsstrafen wurden allerdings auf zweimal einen Tag herabgesetzt (laut Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. August 1995 war nach "Aufruf der Sache" der erstinstanzliche Verfahrensakt verlesen und weiters der bei der Anzeigeerstattung tätig gewesene Gendarmeriebeamte einvernommen worden).

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird nach Wiedergabe des Verfahrensganges ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der mündlichen Berufungsverhandlung angegeben, die beiden Ausländer bereits seit etwa fünf Jahren zu kennen (Miroslav V. habe er im Jahr 1990 anläßlich einer Autopanne kennengelernt). Der Beschwerdeführer selbst habe den Ausländern bereits öfters, beispielsweise bei Tapeziererarbeiten, geholfen. Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Gendarmerie seien die Ausländer schon mit dem Aufsetzen der Ziegel fertig gewesen, wobei die Tätigkeiten insgesamt längstens etwa vier bis fünf Stunden in Anspruch genommen hätten. Insbesondere sei auch darauf zu verweisen, daß bei der Aufnahme der Niederschrift mit den beiden Ausländern durch Organe der Bezirkshauptmannschaft M. kein gerichtlich beeideter Dolmetscher anwesend gewesen sei. Seitens des als Zeugen einvernommenen Meldungslegers (eines Beamten des Gendarmeriepostens G.) seien im Rahmen der Berufungsverhandlung auch von diesem bei der Erhebung angefertigte Fotos über die Bauarbeiten vorgelegt worden. Nach Schluß des Beweisverfahrens habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe nie bestritten, daß die Ausländer Arbeiten durchgeführt hätten. Er habe jedoch - wie bereits mehrmals erwähnt - keine Entlohnung versprochen gehabt, "wobei er ebenfalls noch hinzufügen wolle, daß die Ausländer von ihm eher auch nichts verlangt hätten, eben aufgrund der bestehenden Freundschaft, wobei er einen der Ausländer mindestens zweimal im Monat sehe, dies bei gegenseitigen Besuchen".

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage aus, ausgehend von den Angaben der beiden Ausländer, die diese anläßlich ihrer Ersteinvernahme gegenüber Organen der Bezirkshauptmannschaft M. gemacht hätten, sei zu schließen, daß der Beschwerdeführer bestimmt habe, wann die Arbeiten im Bereich seiner Veranda hätten durchgeführt werden sollen. Er habe hiezu auch die notwendigen Arbeitsgeräte bzw. Werkzeuge und das Material zur Verfügung gestellt. Es stehe für die belangte Behörde auch ebenso eindeutig fest, daß der Beschwerdeführer die beiden Ausländer während der Durchführung der Arbeiten verköstigt bzw. ihnen auch eine Entlohnung zugesagt gehabt habe, "wie einer der beiden Ausländer anläßlich der mit ihm aufgenommenen Niederschrift angab". Hiebei sei es auch ohne Belang, wenn die genaue Höhe der Entlohnung nicht von vornherein vereinbart worden sei, zumal der Beschwerdeführer "ja selbst angab, zu den beiden Ausländern bestünde eine Art freundschaftliches Verhältnis". Deshalb könne es nicht als außergewöhnlich angesehen werden, wenn diese sich ohne entsprechende vorherige Vereinbarung mit der anschließend erfolgenden Gegenleistung einverstanden erklärt hätten. Auch dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach anläßlich der Aufnahme der Niederschrift bei der Bezirkshauptmannschaft M. kein gerichtlich beeideter Dolmetscher beigezogen worden sei (bzw. seiner Kritik an der Aufnahme der Niederschriften mit den beiden Ausländern), könne sich die belangte Behörde nicht anschließen, zumal der Beschwerdeführer nicht konkret darzulegen vermocht habe, "worin eine etwaige Unrichtigkeit gelegen sein solle, bzw. wo er etwaige Widersprüche in den Niederschriften erblicke".

Schließlich wird im angefochtenen Bescheid die Ansicht vertreten, daß dem Beschwerdeführer bezüglich der Deliktsbegehung zumindest der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens treffe, wobei sich insgesamt die von der Erstbehörde verhängte gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe als gerechtfertigt erweise.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat als erwiesen angenommen, daß die beiden Ausländer Milan und Miroslav V. in einem nach dem AuslBG bewilligungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu dem Beschwerdeführer gestanden sei. Der Beschwerdeführer ist hiezu mit seiner auf § 51i VStG gestützten Verfahrensrüge im Recht:

Nach dieser Gesetzesbestimmung ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet.

Wenn man entsprechend der protokollierten Verlesung des "erstinstanzlichen Verfahrensaktes" in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 8. August 1995 davon ausgeht, diese Verlesung habe konkret auch die beiden Niederschriften über die Einvernahme der Ausländer vom 20. September 1994 umfaßt, so wäre eine derartige Verlesung nicht ohne weiteres zulässig gewesen. § 51g Abs. 3 VStG lautet:

"(3) Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen sowie die Gutachten der Sachverständigen dürfen nur verlesen werden, wenn

1. die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind, ihr Aufenthalt unbekannt ist oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder wegen Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen nicht verlangt werden kann oder

2. die in der mündlichen Verhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früheren Aussagen abweichen oder

3. Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder Beschuldigte die Aussage verweigern oder

4. alle anwesenden Parteien zustimmen."

Da die belangte Behörde nach der Aktenlage nicht einmal den Versuch unternommen hat, die Ausländer zur mündlichen Berufungsverhandlung zu laden, kann nicht gesagt werden, daß die Voraussetzungen für die Verlesung der Vernehmungsniederschriften nach § 51g Abs. 3 Z. 1 VStG bestanden hätten. Ebenso waren die Z. 2, 3 und 4 leg. cit. nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer hat der Verlesung des erstinstanzlichen Verfahrensaktes lt. Protokoll zur mündlichen Verhandlung offensichtlich nicht widersprochen, daraus folgt aber nicht, daß er der Verlesung der in Rede stehenden Niederschriften im Sinn des § 51g Abs. 3 Z. 4 VStG zugestimmt hätte, zumal er etwa ausdrücklich auch die Nichtbeiziehung eines gerichtlich beeideten Dolmetschers bei der seinerzeitigen Einvernahme gerügt hatte.

Widersprach die Verlesung der Einvernahme der beiden Ausländer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde aber § 51g Abs. 3 VStG, so durfte die belangte Behörde darauf bei der Fällung ihres Erkenntnisses nicht Rücksicht nehmen und die rechtswidrig verlesenen Niederschriften hiebei nicht verwerten. Dies folgt aus dem in § 51g Abs. 2 und 3 sowie in § 51i VStG normierten Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Februar 1997, 95/09/0211, m. w.N.).

Der unterlaufene Verfahrensmangel ist wesentlich, weil die belangte Behörde ihre Feststellungen (insbesondere zur Frage der Entgeltlichkeit) entscheidend auf die protokollierten Angaben der beiden Ausländer stützte, und diese mit der (in der Beschwerde wiederholten) Verantwortung des Beschwerdeführers nicht im Einklang standen.

Der angefochtene Bescheid war damit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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