Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. Juli 1994 wurden der Beschwerdeführerin von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Beiträge und Verzugszinsen in der Höhe von insgesamt S 533.174,99 nachverrechnet. Grundlage dieser Nachverrechnung war der Umstand, daß die Beschwerdeführerin Innendienstmitarbeitern für den Abschluß von Versicherungsverträgen (mit der Beschwerdeführerin) geleistete Provisionen bei der Entrichtung der Beiträge - nach Meinung der Gebietskrankenkasse zu Unrecht - nicht berücksichtigt hatte.
Dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid gab die belangte Behörde nach dem Übergang der Entscheidungspflicht auf sie (§ 73 Abs. 2 AVG) mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid und stützte diese Entscheidung in rechtlicher Hinsicht vor allem auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der zu beurteilende Sachverhalt gleicht in wesentlichen Zügen demjenigen, der dem (in der Gegenschrift der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erwähnten, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides aber noch nicht vorliegenden) Erkenntnis vom 17. Oktober 1995, Zl. 94/08/0269, zugrunde lag. In bezug auf die ausführliche Erörterung und Beantwortung der auch im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen Provisionen, die ein Versicherer seinen Innendienstmitarbeitern für die außerhalb ihrer Pflichten im Innendienst durchgeführte Vermittlung von Versicherungsverträgen bezahlt, als Entgelt aus dem Dienstverhältnis oder aufgrund desselben gemäß § 44 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 ASVG in die Beitragsgrundlage einzubeziehen sind, kann zunächst gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis - wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift richtig ausführt - darauf hingewiesen, daß das Leistungsinteresse des Dienstgebers an der (zusätzlichen) Tätigkeit seiner Angestellten als Vermittler von Versicherungsverträgen allein noch nicht ausreiche, um die hiefür gezahlten Beträge als Entgelt aus dem Dienstverhältnis oder aufgrund desselben zu qualifizieren. Die Zurechnung ist vielmehr nur möglich, wenn entweder auch in bezug auf die Vermittlungstätigkeit die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG überwiegen (was die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht angenommen hat), oder aber - worauf es im vorliegenden Fall angekommen wäre - eine inhaltliche und/oder zeitliche Verschränkung der beiden Tätigkeiten vorliegt.
Dem ist zur Verdeutlichung hinzuzufügen, daß das "Leistungsinteresse" eines Dienstgebers in bezug auf (zusätzlich zur Erfüllung der Pflichten aus dem Dienstvertrag ausgeübte) Tätigkeiten, für die er selbst ein Entgelt bezahlt, nicht zweifelhaft sein kann. Daran würde auch der Umstand nichts ändern, daß die Zulassung der Innendienstmitarbeiter zur Vermittlungstätigkeit, wie die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall geltend macht, nur auf Drängen der Belegschaftsvertretung zustande kam und von der Beschwerdeführerin selbst nicht gewünscht wurde. Daß die nach Erzielung eines Kompromisses hierüber im Falle erfolgreicher Vermittlungen bezahlten Provisionen für Leistungen bezahlt werden, an denen die Beschwerdeführerin kein Interesse hätte, ließe sich daraus nicht ableiten.
Als Kriterium dafür, ob bestimmte Provisionen dem "Entgelt" im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG zuzurechnen seien, ist das "Leistungsinteresse" vor allem dort von Bedeutung (weil nicht selbstverständlich), wo nicht der Dienstgeber, sondern ein Dritter diese Provisionen zahlt. Auf einen derartigen Fall bezog sich - wie auch die belangte Behörde hervorhebt - das Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt (als Beispiel für einen Fall, in dem das "Leistungsinteresse" - aus anderen Gründen - auch in einem zweipersonalen Verhältnis zu erörtern war, vgl. das eine Arztehegattin betreffende Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0060).
Im Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0077, hatte der Verwaltungsgerichtshof Provisionen zu beurteilen, die ein Dienstnehmer (Lagerhalter) aus einer zusätzlichen Tätigkeit als Autovertreter für seinen Dienstgeber von letzterem bezog. Der Verwaltungsgerichtshof gelangte zu dem Ergebnis, die Tätigkeit als Autovertreter werde nicht im Rahmen desselben oder eines zweiten Dienstverhältnisses, sondern außerhalb eines solchen ausgeübt, und fügte dem - abgrenzend - hinzu, unter diesen Umständen genüge auch nicht das ("zweifelsfrei bestehende") Leistungsinteresse der damals beschwerdeführenden Partei an der Tätigkeit ihres Dienstnehmers auch als Autovertreter, um "in Übertragung der Grundsätze der ständigen Rechtsprechung zur Wertung von Leistungen Dritter als Entgelt" zu einer Wertung der Provisionen als Entgelt (zwar nicht aus einem Dienstverhältnis, aber) "auf Grund" des Dienstverhältnisses als Lagerhalter zu gelangen. Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, hiezu wäre "neben diesem Interesse auch erforderlich, daß die nach dem Parteiwillen nur für die Tätigkeit als Autovertreter zustehenden Provisionen dennoch wegen ihres sachlichen oder zeitlichen Zusammenhangs mit der Tätigkeit als Lagerhalter auch als Gegenwert für die von D. im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses erbrachten Leistungen zu werten wären". Im Beschwerdefall sei aber "weder von einer inhaltlichen noch von einer zeitlichen Verschränkung der beiden aufgrund unterschiedlicher Verträge ausgeübter Tätigkeiten auszugehen".
Das Erfordernis einer zum "Leistungsinteresse" - als bei Zahlungen Dritter unterscheidungskräftigem Merkmal - hinzutretenden "zeitlichen oder inhaltlichen Verschränkung" wurde in der Folge auch in Erkenntnissen erörtert, in denen es um die Beitragspflicht in bezug auf Provisionszahlungen Dritter ging (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0149, und vom 13. Juni 1995, Zl. 94/08/0107). Auf die dabei vorgenommene "Präzisierung" nahm das Erkenntnis vom 17. Oktober 1995, Zl. 94/08/0269, das - wie erwähnt - einen mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhalt betraf, Bezug.
Diese Judikaturentwicklung läßt es - schon seit dem Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0077 - nicht zu, unter Berufung auf das Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, das in der Regel selbstverständliche "Leistungsinteresse" desjenigen, der eine Leistung vergütet, in Fallkonstellationen wie der hier zu beurteilenden als entscheidendes Merkmal dafür heranzuziehen, ob es sich um Bezüge handelt, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer "aus dem Dienstverhältnis" Anspruch hat oder die er "auf Grund des Dienstverhältnisses" erhält. Ist davon auszugehen, daß die vergütete Leistung nicht aufgrund des (oder eines zweiten) Dienstverhältnisses zum Dienstgeber erbracht wird, so hängt die Einbeziehung ihrer Vergütung in die Beitragsgrundlage vielmehr davon ab, ob eine inhaltliche und/oder zeitliche Verschränkung der beiden Tätigkeiten vorliegt.
Die belangte Behörde hat dies im vorliegenden Fall verkannt und die Beitragspflicht in bezug auf die der Nachverrechnung zugrunde gelegten Provisionen deshalb bejaht, weil ein "Leistungsinteresse" des Dienstgebers in bezug auf die (zusätzliche) Vermittlertätigkeit der Dienstnehmer als gegeben anzusehen sei. Eine Prüfung der Frage, ob die Tätigkeiten inhaltlich und/oder zeitlich miteinander verschränkt waren, wurde nicht vorgenommen. Auch Tatsachenfeststellungen, aus denen in rechtlicher Hinsicht eine solche Verschränkung ableitbar wäre, wurden nicht getroffen. Insoweit die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift meint, solche Verschränkungen lägen vor, geht sie nicht von Sachverhaltselementen aus, die die belangte Behörde festgestellt hätte. Der angefochtene Bescheid ist daher inhaltlich rechtswidrig.
Die belangte Behörde hat, den Behauptungen der Beschwerdeführerin folgend, u.a. festgestellt, deren Dienstnehmern sei es untersagt, die Vermittlungstätigkeit während der Dienstzeit und am Arbeitsplatz auszuüben. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Sachverhalt von den Rahmenbedingungen, unter denen die Beitragspflicht in bezug auf Provisionseinkünfte in denjenigen Erkenntnissen, in denen die Provisionen jeweils von Dritten gezahlt worden waren, zu prüfen war. Dies gilt auch für das Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 96/08/0065, in dem es zwar nur um die Provisionen für Abschlüsse ging, die außerhalb der Dienstzeit erzielt wurden, den Dienstnehmern die Vermittlungstätigkeit aber auch innerhalb der Dienstzeit gestattet war. Wenn in diesem Erkenntnis formuliert wurde, bei Vorhandensein eines Leistungsinteresses des Dienstgebers in bezug auf die vom Dritten durch Provisionen vergüteten Leistungen spiele es im Sinne der Vorjudikatur keine Rolle, ob die Vermittlungen innerhalb oder außerhalb der Dienstzeit stattfänden, so ist dies nicht auf Sachverhalte zu beziehen, in denen die Ausübung der Vermittlungstätigkeit innerhalb der Dienstzeit vertraglich ausgeschlossen (und auch ihre faktische Duldung nicht festgestellt) ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Ausführungen über das Erfordernis einer "Verschränkung" der Tätigkeitsbereiche in den zitierten Erkenntnissen jeweils formuliert, es genüge, wenn diese Verschränkung eine zeitliche oder inhaltliche sei. Insoweit die Beitragspflicht in diesen Erkenntnissen (zumindest grundsätzlich) bejaht wurde, wurde sachverhaltsbezogen jeweils eine zeitliche und inhaltliche Verschränkung festgestellt, die sich daraus ergab, daß den Dienstnehmern eine mit dem Geschäft des Dienstgebers in einem inneren Zusammenhang stehende Tätigkeit nicht nur außerhalb ihrer Arbeitszeit, sondern auch innerhalb derselben gestattet worden war (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0149, und vom 13. Juni 1995, Zl. 94/08/0107, wobei in der "Verschränkung" in diesen Erkenntnissen auch ein Indiz für das "Leistungsinteresse" gesehen wurde; ähnlich das Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 96/08/0065). In dem Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0077, in dem die Beitragspflicht auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen (vorerst) verneint wurde, wurde hervorgehoben, nach diesen Vereinbarungen liege weder eine inhaltliche noch eine zeitliche Verschränkung vor.
In dem dem Erkenntnis vom 17. Oktober 1995, Zl. 94/08/0269, zugrunde liegenden, mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Fall hatte die dort beschwerdeführende Versicherung - wie im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin - u.a. vorgebracht, die Vermittlungstätigkeit dürfe innerhalb der Dienstzeit nicht ausgeübt werden. Ähnlich wie im vorliegenden Fall war auch geltend gemacht worden, diese Tätigkeit erschöpfe sich nahezu ausschließlich in der Namhaftmachung potentieller Kunden und sei von der Innendiensttätigkeit scharf getrennt. Dem war in tatsächlicher Hinsicht - allerdings ohne schlüssige Begründung - nicht gefolgt worden. Der Verwaltungsgerichtshof hob hervor, es sei keineswegs ausgeschlossen, daß die "nebenberufliche Vermittlungstätigkeit" solcher Innendienstangestellter in der von der damaligen Beschwerdeführerin geschilderten Weise so organisiert sei, daß
- unter Bedachtnahme auf den Inhalt und die Art der Ausübung der jeweiligen Angestelltentätigkeit - die für die Einbeziehung der Provisionen in die Beitragsgrundlage erforderliche "inhaltliche und/oder zeitliche" Verschränkung fehle. Dabei wurde einerseits weder ausgesprochen noch ausdrücklich verneint, daß schon das (völlige) Fehlen einer zeitlichen Verschränkung der Tätigkeiten ausreiche, um die Beitragspflicht in bezug auf die Provisionen auszuschließen, andererseits aber eindeutig davon ausgegangen, daß der bloße Umstand, daß es sich um die Vermittlung von Versicherungsverträgen durch Innendienstmitarbeiter der Versicherung handle, noch nicht ausreiche, um als (inhaltliche) Verschränkung eine Einbeziehung der Provisionen in die Beitragsgrundlage zu rechtfertigen. Damit wurde jedenfalls ein anderer Maßstab angelegt als in den Fällen, in denen - in Verbindung mit einer Gestattung der Vermittlungstätigkeit während der Dienstzeit und somit einer zeitlichen Verschränkung - hervorgehoben worden war, auch eine inhaltliche Verschränkung sei gegeben, weil die (damals jeweils zu beurteilende) Vermittlung von Bausparverträgen durch Bankangestellte "mit dem Bankgeschäft selbst" (und nicht etwa nur mit bestimmten Tätigkeitsbereichen dieses Geschäftes) "in innerem Zusammenhang" stehe (vgl. in diesem Sinne die zuvor im Zusammenhang mit der Feststellung einer zeitlichen und inhaltlichen Verschränkung zitierten Erkenntnisse).
Das Ausmaß der für die Einbeziehung der Provisionen in die Beitragsgrundlage erforderlichen inhaltlichen Verschränkung der Tätigkeiten ist vom Vorliegen oder Fehlen einer zeitlichen Verschränkung daher nicht unabhängig. Betrachtet man die beiden Teilaspekte der "inhaltlichen und/oder zeitlichen" Verschränkung vor dem Hintergrund des Zwecks der mit diesem Kriterium verfolgten Abgrenzung, so wird dies für Fälle wie den hier zu beurteilenden in der Regel dazu führen, daß ein entsprechend starker inhaltlicher Zusammenhang der Tätigkeiten einen zeitlichen Zusammenhang (im Sinne der Verknüpfung dieser Teilaspekte mit dem Wort "oder") entbehrlich macht, während der umgekehrte Fall - bei völligem Fehlen eines inhaltlichen Zusammenhanges - schwerer vorstellbar erscheint. Erforderlich ist jedenfalls eine Gesamtbetrachtung, die sich an den im Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, dargestellten Wertungsgesichtspunkten orientiert, wobei
- anders als im damals entschiedenen, Provisionszahlungen Dritter betreffenden Fall - das bloße "Leistungsinteresse" desjenigen, der die Leistung selbst vergütet, als Abgrenzungskriterium (etwa gegenüber familiär motivierten Zuwendungen) aber nur in Ausnahmefällen - von denen hier keiner vorliegt - beachtlich sein wird.
Da die belangte Behörde eine nicht auf das Leistungsinteresse der Beschwerdeführerin beschränkte Prüfung der zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhänge zwischen den Innendiensttätigkeiten der betroffenen Dienstnehmer und ihren Vermittlungstätigkeiten aufgrund einer falschen Rechtsansicht aber unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil es der Entrichtung von Stempelgebühren aufgrund der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 ASVG) nicht bedurfte.
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