VwGH 93/08/0149

VwGH93/08/014922.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Z-Volksbank Genossenschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. April 1993, Zl. SV-1048/2-1993, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:

Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §5;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §68 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1 idF 1991/676;
B-VG Art49;
ABGB §5;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §68 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1 idF 1991/676;
B-VG Art49;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1992 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß die Beschwerdeführerin Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG sei und als solche gemäß § 58 Abs. 2 leg. cit. verpflichtet sei, für die in der bereits am 23. September 1992 übermittelten Beitragsrechnung (5 Blätter) namentlich angeführten Versicherten und bezeichneten Zeiträume (vom 1. Jänner 1989 bis 31. Dezember 1991) allgemeine Beiträge in Höhe von S 161.134,30 zu entrichten. Nach der Bescheidbegründung sei anläßlich der in der Zeit vom 29. Juni 1992 bis 26. August 1992 vorgenommenen Beitragsprüfung folgendes festgestellt worden: 1. Es seien für bestimmte Versicherte bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes die regelmäßig geleisteten Überstunden nicht berücksichtigt und dementsprechend keine allgemeinen Beiträge abgeführt worden.

2. Näher angeführte Versicherte hätten für den Abschluß von Bauspar- und Versicherungsverträgen kontinuierlich entsprechend den Vertragsabschlüssen Provisionen von der M-Sparkasse und der X-Volksbank erhalten. Diese Provisionen seien jedoch - entgegen dem § 49 Abs. 1 ASVG - beitragsfrei behandelt worden. Die Nachverrechnung der Beiträge sei unter Anwendung der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG vorgenommen worden.

Gegen Punkt 2. dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin Einspruch. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, setze die Zurechnung von Leistungen Dritter zum Entgelt nach § 49 Abs. 1 ASVG das Bestehen eines (auf seinen Betrieb bezogenen) "Leistungsinteresses" des Dienstgebers voraus. Anders als in dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Beschwerdefall habe zwischen den Vermittlungs- und Abschlußtätigkeiten ihrer Dienstnehmer und den Provisionen der nach dem genannten Erkenntnis erforderliche hinreichende Kausalzusammenhang gefehlt: Die Beschwerdeführerin habe für den Abschluß von Bausparverträgen keine Provisionen vereinnahmt. Es bestehe keine Einflußnahme auf die Vermittlungstätigkeit seitens der Beschwerdeführerin. Auch lägen keine wie immer gearteten Aufzeichnungen über eine Vermittlungstätigkeit vor. Es würden weder Kosten für Schulungen noch Reise- oder Werbekosten von der Beschwerdeführerin für die Mitarbeiter getragen. Die Vermittlungsgeschäfte liefen nicht über die Beschwerdeführerin, sondern würden direkt zwischen der allgemeinen Bausparkasse und dem jeweiligen Vermittler abgewickelt. Selbstverständlich spreche sich die Beschwerdeführerin nicht gegen eine solche Vermittlungstätigkeit aus, ein Eigeninteresse und ein betriebsbezogenes Leistungsinteresse liege jedoch nicht vor. Ein solches wäre am deutlichsten durch Provisionszahlungen an sie absehbar. Eine anders geartete Förderung des betriebsgezogenen Leistungsinteresses sei der Beschwerdeführerin nicht bewußt und bekannt.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse wandte dagegen im Vorlagebericht ein, der Kassenprüfer habe festgestellt, daß die Beschwerdeführerin intensiv Werbung für den Abschluß von Bausparverträgen mache. Für die Werbung von Bausparverträgen sei im Schaufenster der Bank ein Foliendruck "Volksbank Bausparen" angebracht. Weiters hänge im Schaufenster derzeit eine Werbetafel "Holen Sie sich jetzt Ihren Bauspar-Glückstaler". Beim Bankschalter liege eine Broschüre über Bausparen auf. Wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse weiters erhoben habe, finde das Werbegespräch für den Abschluß eines Bausparvertrages bei jedem Schalter der Bank statt. Die Bausparvertragsabschlüsse erfolgten überwiegend beim Bankschalter, der Rest privat. Änderungen bzw. Neuerungen beim Bausparen würden von einem namentlich genannten Dienstnehmer während der Dienstzeit bei der Bausparkasse wahrgenommen und an die Kollegen weitergegeben. Auf Grund dieser Momente sei das "Leistungsinteresse" der Beschwerdeführerin im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (nämlich dem schon genannten Erkenntnis sowie jenen vom 20. Oktober 1992, Zl. 91/08/0198 und Zl. 91/08/0199) einwandfrei gegeben.

Dem hielt die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 13. April 1993 entgegen, daß bis Ende 1991 die Bausparkassen-Provisionen zu 100 % an ihre Mitarbeiter ausbezahlt worden seien. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Beschwerdeführerin keinerlei Einfluß darauf ausgeübt, ob und wieviele Bausparverträge von den Mitarbeitern abgeschlossen worden seien. Der Abschluß sei auch von der Beschwerdeführerin nicht gefördert worden und habe sie auch keinerlei Provisionsanteile aus diesen Abschlüssen erhalten. Ab 1992 sei eine Umstellung der Provisionszahlungen erfolgt. Auf Grund dieser Umstellung (wonach Provisionsanteile auch der Beschwerdeführerin zuflössen) sei sodann intensive Werbung betrieben bzw. der im Vorlagebericht genannte Mitarbeiter als Kontaktperson zur Bausparkasse eingesetzt worden. Daraus ergebe sich, daß bis Ende 1991 kein Eigeninteresse und kein betriebsbezogenes Leistungsinteresse der Beschwerdeführerin vorgelegen sei und daher die Bausparkassen-Provisionen aus der Beitragsnachverrechnung auszuklammern seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung wird nach auszugsweiser Wiedergabe des Vorbringens der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und Zitierung der wesentlichen Begründung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, ausgeführt, der Kassenprüfer habe, wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Vorlagebericht dargestellt habe, erhoben, daß das Werbegespräch für den Abschluß eines Bausparvertrages bei jedem Schalter der Bank stattfinde, die Bausparvertragsabschlüsse überwiegend beim Schalter, der Rest privat erfolge. Änderungen bzw. Neuerungen beim Bausparen würden von einem Dienstnehmer während der Dienstzeit bei der Bausparkasse wahrgenommen und an die Kollegen weitergegeben. Diese Feststellungen seien im Verfahren unbestritten geblieben und würden somit der Entscheidung zugrunde gelegt. Bei der rechtlichen Beurteilung sei davon auszugehen, daß nach den Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis ein gewichtiges Indiz für ein - betriebsbezogenes - Eigeninteresse eines solchen Dienstgebers an der Vermittlertätigkeit seiner Angestellten schließlich darin liege, daß er dieser Tätigkeit im Rahmen seines Betriebes zustimme, hiefür seine Einrichtungen zur Verfügung stelle und die Inanspruchnahme der Dienstzeit seiner Angestellten für diese Vermittlungsgespräche und Abschlüsse gestatte. Es könne im allgemeinen nicht angenommen werden, daß ein Unternehmer die Nutzung seiner betrieblichen Einrichtungen und die Inanspruchnahme seiner Dienstnehmer in deren Dienstzeit einem Dritten in dessen ausschließlichem Interesse ohne Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis gestatte. Ob demnach schon vor dem Jahre 1992 in irgendeiner Form Werbung für Bausparverträge von der Beschwerdeführerin betrieben worden sei, sei aus den dargelegten Gründen nicht mehr zu prüfen. Ebenso sei der Umstand unerheblich, daß andere Gegebenheiten, die nach herrschender Rechtsprechung für die Subsumierung der ausbezahlten Provisionen unter die Bestimmung des § 49 Abs. 1 zweiter Halbsatz ASVG sprächen, im vorliegenden Fall nicht gegeben seien, weil schon die Zurverfügungstellung der Einrichtung der Beschwerdeführerin sowie der Dienstzeit der Angestellten allein für ein betriebsbezogenes Eigeninteresse spreche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Im Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, auf dessen Rechtssätze die belangte Behörde ihre Entscheidung gestützt hat, hat sich der Verwaltungsgerichtshof - in Auseinandersetzung mit der Vorjudikatur und dem Schrifttum - eingehend mit der Frage befaßt, unter welchen Voraussetzungen davon gesprochen werden kann, daß ein Dienstnehmer Geld- und Sachbezüge vom Dienstgeber oder einem Dritten "auf Grund des Dienstverhältnisses" (das ist des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG) erhält:

Dazu genügt es nicht, daß solche Bezüge ursächlich irgendwie mit dem Beschäftigungsverhältnis in Zusammenhang gebracht werden können. Ausschlaggebend hiefür ist - im Hinblick auf den nach der Wendung "aus dem Dienstverhältnis" geforderten Kausalzusammenhang mit ihm - vielmehr, daß es sich bei den Bezügen um Gegenleistungen (des Dienstgebers oder eines Dritten) für "im unselbständigen Beschäftigungsverhältnis" bzw. "im Rahmen des Dienstverhältnisses" erbrachte Arbeitsleistungen des Dienstnehmers handelt, sodaß gesagt werden kann, es würden mit diesen Bezügen die Leistungen des Dienstnehmers "entgolten". Hiefür ist nicht erforderlich, daß der Dienstnehmer zur Erbringung dieser Leistungen gegenüber dem Dienstgeber oder einem Dritten verpflichtet ist. Ein im genannten Sinn hinreichender Kausalzusammenhang zwischen den Leistungen des Dienstnehmers und den Bezügen, der die Zurechnung der letzteren zum Entgelt begründet, kann vielmehr schon dann angenommen werden, wenn ein (auf dessen Betrieb bezogenes) "Leistungsinteresse" des Dienstgebers besteht.

Auf Geld- und Sachbezüge, die einem Dienstnehmer von einem Dritten zufließen, angewendet heißt dies, daß es für ihre Wertung als beitragspflichtiges Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG nicht genügt, daß sie lediglich "aus Gelegenheit" des Dienstverhältnisses erbracht werden, ohne daß ein (betriebsbezogenes) Interesse des Dienstgebers an den Leistungen bestünde. Andererseits ist für die Zurechnung solcher Bezüge zum Entgelt auch nicht erforderlich, daß sie ein Dienstnehmer (über das ihm vom Dienstgeber zu zahlende oder gezahlte Entgelt hinaus) von einem Dritten für Leistungen erhält, zu denen er auf Grund seines Dienstverhältnisses verpflichtet ist, wie z.B. Trinkgelder, die im Regelfall für solche Leistungen gewährt werden. Zuwendungen Dritter an einen Dienstnehmer gehören vielmehr immer (freilich nur) dann zum Entgelt, wenn sie nach dem Parteiwillen Gegenwert für eine vom Dienstnehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung sein sollen, die nicht nur Interessen des Dritten, sondern auch Interessen des Dienstgebers - bezogen auf den Betrieb seines Unternehmens - fördert.

Der demnach erforderliche innere Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis im genannten Sinn und das hiefür nötige Teilmoment des "Leistungsinteresses" des Dienstgebers kann durch verschiedene Umstände angezeigt werden, von denen der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis - bezogen auf den zu beurteilenden Beschwerdefall - einige herausgestellt hat: so die Zugehörigkeit der Vermittlung und des Abschlusses von Bauspar- und Versicherungsverträgen zum intensiv beworbenen Leistungsangebot des Dienstgebers, der Zufluß von Provisionen für diese Tätigkeiten auch an den Dienstgeber sowie der Umstand, daß er dieser Tätigkeit im Rahmen seines Betriebes zustimmt, hiefür seine Einrichtungen zur Verfügung stellt und die Inanspruchnahme der Dienstzeit seiner Angestellten unter anderem für die damit verbundenen Schulungen gestattet und die damit verbundenen Kosten trägt. Ist nach den genannten Kriterien der innere Zusammenhang der Leistungen der Dienstnehmer, für die ihnen von Dritten Geld- oder Sachbezüge zufließen, mit dem Beschäftigungsverhältnis zu bejahen, so ist es ohne Bedeutung, ob die entsprechenden Leistungen der Dienstnehmer während der Dienstzeit oder darüber hinaus erbracht werden.

An diesen Grundsätzen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 20. Oktober 1992, Zlen. 91/08/0198 und 91/08/0199, festgehalten.

Die belangte Behörde hat die Zugehörigkeit der Provisionen, die bestimmten Dienstnehmern der Beschwerdeführerin in den relevanten Zeiträumen von der M-Sparkasse und der X-Volksbank für den Abschluß von Bausparverträgen gezahlt wurden, zum beitragspflichtigen Entgelt - wie die oben wiedergegebene rechtliche Beurteilung klar erweist, ausschließlich - damit begründet, daß die Beschwerdeführerin dieser Tätigkeit ihrer Dienstnehmer im Rahmen ihres Betriebes zugestimmt und hiefür ihre Einrichtungen sowie die Dienstzeit ihrer Angestellten zur Verfügung gestellt hat. Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde vermenge die Praxis vor der Umstellung im Jahre 1992 mit jener nach diesem Zeitpunkt trifft daher nur für die von der belangten Behörde (im Hinblick auf die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 13. April 1993 zu Unrecht) als unstrittig unterstellte Sachverhaltsannahme zu, es habe ein näher genannter Dienstnehmer der Beschwerdeführerin während der Dienstzeit bei der Bausparkasse Änderungen bzw. Neuerungen beim Bausparen "wahrgenommen" und an die Kollegen weitergegeben, nicht aber auf sonstige Momente dieser neuen Praxis. Darauf kommt es aber, wie später auszuführen sein wird, nicht an.

Gegen die Auffassung der belangten Behörde, es sei schon auf Grund der angeführten Momente der nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderliche hinreichende Kausalzusammenhang gegeben, wendet die Beschwerdeführerin folgendes ein:

Nicht alle Aktivitäten, die ein Dienstgeber während der Dienstzeit in seinen Geschäftsräumlichkeiten dulde, seien notwendigerweise solche, an denen der Dienstgeber auch ein eigenwirtschaftliches Interesse habe. Hiezu bedürfe es gar nicht des Verweises auf die vielfältigen privaten Aktivitäten eines Dienstnehmers, die tradtionell während der Dienstzeit in den Diensträumen und mit Mitteln der Dienstgeber ausgeübt würden (z.B. private Telefonate). Auch geschäftliche Aktivitäten durch Mitarbeiter während der Dienstzeit und mit Mitteln des Dienstgebers brächten nicht notwendigerweise das eigenwirtschaftliche Interesse des Dienstgebers an diesen Leistungen zum Ausdruck. So könne man wohl kaum eine Beitragspflicht für Leistungen von Mitarbeitern unterstellen, die darin bestünden, durch die Bewerbung regionaler und überregionaler sportlicher und kultureller Veranstaltungen sowie den damit zusammenhängenden Kartenvorkauf für derartige Zwecke ein erhöhtes Publikumsinteresse zu bewirken. Ein Leistungsinteresse des Dienstgebers dürfe verläßlich nur dann unterstellt werden, wenn dieses Interesse auch finanziell meßbar sei. Das sei im Beschwerdefall nicht gegeben gewesen. Die Duldung von Vermittlungstätigkeiten ihrer Angestellten für Bankkunden (nur mit ihnen seien solche Verträge abgeschlossen worden) sei im relevanten Zeitraum nicht im Interesse der Beschwerdeführerin gelegen gewesen. Sie habe diese Vermittlungstätigkeiten, so wie auch den allgemeinen Kartenverkauf für bestimmte Veranstaltungen, lediglich als Serviceeinrichtung angesehen. Im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin keine Provisionen vereinnahmt und keine Aufwendungen getragen habe, wäre es sogar in ihrem Eigeninteresse gelegen, wenn die Mitarbeiter möglichst wenig derartiger Verträge abgeschlossen hätten. Im Beschwerdefall sei somit keines der von Schrank (Beitragspflicht für Vermittlungsprovisionen?, Ecolex 1992, 789) als ASVG-beitragspflichtig qualifizierten Modelle vorgelegen.

Diese Einwände sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der diesbezüglichen Auffassung der belangten Behörde zu erweisen. Denn wenn auch im Beschwerdefall einige der im Vorerkenntnis vom 17. September 1991 für die damalige Fallgestaltung als bedeutsam erachteten Indizien für einen inneren Zusammenhang der zu beurteilenden Vermittlungs- und Abschlußtätigkeiten von Dienstnehmern mit ihrem Beschäftigungsverhältnis, nämlich die Zugehörigkeit dieser Tätigkeiten zum beworbenen Leistungsangebot des Dienstgebers, der Zufluß von Provisionen für diese Tätigkeiten auch an den Dienstgeber sowie Aufwendungen desselben für diese Tätigkeiten, fehlen, so genügt es doch für diesen inneren Zusammenhang und das nötige Teilmoment des "Leistungsinteresses", daß die Beschwerdeführerin die von ihren Dienstnehmern Jahre hindurch "kontinuierlich" (so nach der insofern unbestrittenen Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) während der Dienstzeit - wenn auch nur gegenüber Bankkunden - durchgeführten Vermittlungstätigkeiten und überwiegend während derselben vorgenommenen Vertragsabschlüsse nicht etwa "mangels tatsächlicher Durchsetzungsmacht" (Schrank, aaO, 790) duldete, sondern sich dagegen, wie sie in ihrem Einspruch ausführte, "selbstverständlich" nicht aussprach, diese Aktivitäten - nach dem Beschwerdevorbringen - vielmehr als "Serviceeinrichtung" für ihre Kunden betrachtete. Denn diese langjährige Billigung von (mit dem Bankgeschäft selbst in innerem Zusammenhang stehenden) Aktivitäten ihrer Angestellten als "Serviceeinrichtung" kann - anders als jene von mit dem Bankgeschäft selbst nicht in einem solchen Zusammenhang stehenden und überdies der Natur der Sache nach nur sporadisch anfallenden Aktivitäten, nämlich der Bewerbung regionaler und überregionaler sportlicher und kultureller Veranstaltungen einschließlich des damit zusammenhängenden Kartenvorverkaufs - nur so gedeutet werden, daß die Beschwerdeführerin diese mit der Nutzung ihrer betrieblichen Einrichtungen und einer Inanspruchnahme der Dienstzeit ihrer Dienstnehmer verbundenen Aktivitäten nicht ohne Zusammenhang mit deren Beschäftigungsverhältnis bzw. aus bloßer Gelegenheit derselben gestattete, sondern ein (betriebsbezogenes) Eigeninteresse hatte. Wegen dieser zeitlichen und inhaltlichen Verschränkung der Aktivitäten (vgl. dazu das Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0077) mit dem Beschäftigungsverhältnis der betroffenen Dienstnehmer ist daher die Bejahung des erforderlichen hinreichenden Zusammenhanges der ihnen hiefür von Dritten gewährten Geldbezüge mit ihrem Beschäftigungsverhältnis und die deshalb vorgenommene Bewertung als beitragspflichtiges Entgelt durch die belangte Behörde auch dann nicht rechtswidrig, wenn man nicht davon ausgeht, es sei bereits vor der Umstellung der Praxis im Jahre 1992 ein Dienstnehmer der Beschwerdeführerin zur Kontaktperson mit den genannten Dritten bestellt worden.

Dennoch ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weil sich die belangte Behörde nicht mit der Verjährungsfrage befaßt hat, wozu sie aber - nach Bejahung der Beitragspflicht - ungeachtet des Umstandes, daß sich die Beschwerdeführerin wegen der Bestreitung des Anspruches selbst nicht mit der von der erstinstanzlichen Behörde vertretenen Auffassung, es sei im Beschwerdefall die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 erster Satz ASVG in der Fassung der 50. Novelle, BGBl. Nr. 676/1991, anzuwenden, auseinandergesetzt hat, von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre. Denn, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/08/0236, ausgeführt hat, ist § 68 Abs. 1 ASVG in der genannten Fassung, d.h. die dreijährige Verjährungsfrist, nur dann anzuwenden, wenn das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung fälliger Beiträge noch nicht vor Inkrafttreten dieser Novelle am 1. Jänner 1992 - nach der bis zum Inkrafttreten der Novelle geltenden Rechtslage - verjährt war (vgl. in diesem Sinn auch Mazal, Beitragsfeststellung und Verjährung, Ecolex 1992, 786). Eine solche Verjährung wäre hinsichtlich der bis spätestens 31. Dezember 1989 fällig gewordenen Beiträgen nur dann nicht eingetreten, wenn entweder die fünfjährige Verjährungsfrist des dritten Satzes des § 68 Abs. 1 anzuwenden gewesen wäre (vgl. dazu die Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zlen. 93/08/0176 und 93/08/0177) oder ein Unterbrechungs- bzw. Hemmungsfall im Sinne der beiden letzten Sätze des § 68 Abs. 1 leg. cit. vorgelegen wäre. Mangels entsprechender Feststellungen kann auf diese Frage - ungeachtet der nunmehrigen Auseinandersetzung damit in den Schriftsätzen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - nicht eingegangen werden. Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grund - und zwar mangels Trennbarkeit zur Gänze - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren auf Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) abzuweisen.

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