VwGH 97/10/0074

VwGH97/10/007427.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der E in Bregenz, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 10. September 1996, Zl. 1-1147/95/K2, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs3;
StGB §33 Z2;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §12;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs3;
StGB §33 Z2;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §12;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin einer Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c iVm § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (SPG), schuldig erkannt. Es wurde eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Tagen sowie eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen) verhängt. In der Begründung vertrat die belangte Behörde nach Wiedergabe des Sachverhaltes die Auffassung, es stehe zweifelsfrei fest, daß die Beschwerdeführerin die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt habe. Auf die Gewerbsmäßigkeit könne schon deshalb geschlossen werden, weil die Beschwerdeführerin damals ein Verhalten an den Tag gelegt habe, wie dies von Prostituierten üblich sei. Es sei somit davon auszugehen, daß sich die Beschwerdeführerin aus der Prostitution eine fortlaufende Einnahmequelle habe verschaffen wollen. Sie habe zur Tatzeit auch schon mehrere einschlägige Vorstrafen aufgewiesen. Zur Frage der Strafbemessung verwies die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage auf den Umstand, daß sich die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit trotz mehrfacher Bestrafungen nicht davon habe abhalten lassen, eine gleichartige Straftat zu begehen. Sie habe zum Tatzeitpunkt insgesamt fünf einschlägige Vorstrafen aufgewiesen (a) Straferkenntnis vom 4. März 1992, b) vom 9. Dzember 1992,

c) vom 22. Jänner 1993, d) vom 27. Oktober 1993 und e) vom 1. Februar 1994). Besondere Erschwerungsgründe, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG rechtfertigten, seien nach Auffassung der belangten Behörde durch das Vorliegen der einschlägigen Vorstrafen nach lit. c) bis e) gegeben. Freiheitsstrafen in der der Dauer von 14, 18 und weiteren 18 Tagen hätten die Beschwerdeführerin nicht davon abgehalten, weiterhin die Gewerbsunzucht auszuüben, sodaß im vorliegenden Fall die Verhängung einer Arreststrafe von mehr als zwei Wochen angebracht sei. Die darin zum Ausdruck kommende außergewöhnliche Nachhaltigkeit der wertwidrigen Einstellung der Beschwerdeführerin und somit der atypisch schwerwiegende Schuldgehalt der Tat rechtfertigten die Höhe der über die Beschwerdeführerin verhängten Freiheitsstrafe. Es sei unwahrscheinlich, daß die Beschwerdeführerin durch eine geringere Arreststrafe noch zu beeindrucken sei. Nach Ansicht der belangten Behörde stellten jene zwei weitere Vorstrafen (nach lit. a) und b)), die über die drei, die Grundlage für die Verhängung der zwei Wochen übersteigenden Freiheitsstrafe bildenden Vorstrafen hinausgingen, solche besonders erschwerenden Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 letzter Satz SPG dar, bei deren Vorliegen Geld und Freiheitsstrafen nebeneinander verhängt werden könnten.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluß vom 12. März 1997, B 260/97, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zu Entscheidung abgetreten hat.

In ihrer auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde rügt zunächst, die belangte Behörde habe die Vorstrafen der Beschwerdeführerin sowohl herangezogen, um die Gewerbsmäßigkeit des Handelns im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. c SPG zu begründen, als auch um die Verhängung einer Primärarreststrafe nach § 11 VStG zu legitimieren. Es sei unzulässig, die Vorstrafen eine drittes Mal heranzuziehen, um im Sinne des § 12 Abs. 1 letzter Satz VStG die Verhängung einer zwei Wochen übersteigenden Primärarreststrafe zu begründen. Darin liege ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot. Das Vorliegen eines besonderen Erschwerungsgrundes werde nicht behauptet.

Gemäß § 18 Abs. 1 lit. c SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.

Nach § 18 Abs. 3 SPG sind solche Verwaltungsübertretungen mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen können Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden.

Gemäß § 10 VStG richten sich Strafart und Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit im VStG nichts anderes bestimmt ist; nach § 12 Abs. 1 dritter Satz VStG darf eine längere als eine sechswöchige Freiheitsstrafe nicht verhängt werden.

Nach § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

Gemäß § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG darf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten ist.

Gemäß § 19 Abs. 2 erster Satz VStG sind im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Nach § 19 Abs. 1 dritter Satz VStG sind bei der Strafbemessung die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die §§ 11 und 12 VStG verlangen von der Behörde im Falle der Verhängung einer Freiheitsstrafe eine zweifache Prüfung:

Zunächst ist zu untersuchen, ob eine Freiheitsstrafe im Sinne des § 11 VStG notwendig ist. Wird dies bejaht und sieht die Verwaltungsvorschrift eine Strafdrohung von mehr als zwei Wochen vor, dann ist weiter zu prüfen, ob besondere Erschwerungsgründe bestehen, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen gebieten (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 15. November 1993, Zlen. 93/10/0086, 0089, 0090, und vom 30. Mai 1994, Zl. 93/10/0040).

Bei der Entscheidung über die Strafe wegen einer im § 18 Abs. 1 lit. c bis f SPG aufgezählten Verwaltungsübertretung ist nach § 18 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. weiters zu prüfen, ob besonders erschwerende Umstände bestehen, bei deren Vorliegen Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden können.

Zu dieser Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, daß die Behörde dann, wenn sie wegen des Vorliegens erschwerender Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 SPG eine Geld- und Arreststrafe nebeneinander verhängt, denselben Umstand nicht noch bei der im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG vorzunehmenden Strafbemessung berücksichtigen darf (vgl. das Erkenntnis vom 27. November 1995, Zlen. 95/10/0136, 0137).

Die Annahme der Gewerbsmäßigkeit der Unzucht (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 30. Mai 1994, Zl. 94/10/0059, und die dort zitierte Vorjudikatur) entsprach im Beschwerdefall im Ergebnis dem Gesetz. Wenn der belangten Behörde zwar auch darin nicht gefolgt werden kann, daß bereits ein "Aufenthalt an einer viel befahrenen Bundesstraße zu mitternächtlicher Stunde" darauf schließen läßt, so durfte sie doch im Hinblick auf das übrige Verhalten der Beschwerdeführerin frei von Rechtsirrtum vom Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmales ausgehen. Daß die belangte Behörde als einen untergeordneten Aspekt der Beweiswürdigung im gegebenen Zusammenhang auch auf mehrere einschlägige Vorstrafen der Beschwerdeführerin verwiesen hat, bedeutet nicht, daß diese damit zum Tatbestandsmerkmal geworden wären, das bei der Strafbemessung wegen des Doppelverwertungsverbotes nicht gewertet werden dürfte (vgl. dazu das Erkenntnis vom 26. Mai 1997, Zl. 96/10/0183).

Bezüglich der Frage, ob gemäß § 11 VStG mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe vorzugehen sei, hat die belangte Behörde zutreffend die maßgebenden Gesichtspunkte der Spezialprävention in der Richtung dargelegt, daß sich die Beschwerdeführerin durch die bisher verhängten Strafen nicht von der Begehung einer weiteren gleichartigen Straftat habe abhalten lassen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0230, und vom 6. Mai 1996, Zl. 95/10/0120).

Es kann auch keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, daß die belangte Behörde die Verhängung von zwei nicht getilgten Strafen wegen Verwaltungsübertretungen, die auf derselben schädlichen Neigung beruhten, als besonders erschwerende Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 zweiter Satz SPG wertete, die sie berechtigten, kumulativ Geld- und Freiheitsstrafen zu verhängen.

Das Doppelverwertungsverbot hinderte die belangte Behörde nicht daran, bei der nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG vorzunehmenden Beurteilung auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß die Beschwerdeführerin weitere nicht getilgte einschlägige Vorstrafen (Freiheitsstrafen in der Dauer von 14 und zweimal je 18 Tagen) nicht von der Begehung der Verwaltungsübertretung abhalten konnten. Dabei handelte es sich im Verhältnis zu den in der Beurteilung nach § 18 Abs. 3 SPG zugrundelegten Vorstrafen nicht um "denselben Umstand" im Sinne des erwähnten Vorerkenntnisses vom 27. November 1995 (vgl. dazu das Erkenntnis vom 15. September 1997, Zl. 97/10/0102).

In den weiteren Beschwerdeausführungen wird die Auffassung vertreten, der Unabhängige Verwaltungssenat sei kein "Tribunal" im Sinne des Art. 6 EMRK. Ferner wird ein Widerspruch zwischen § 5 Abs. 1 VStG und Art. 6 EMRK behauptet.

Daß diese Ausführungen nicht geeignet sind, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem oben erwähnten Erkenntnis vom 26. Mai 1997 dargelegt, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird. Dies gilt auch für die Behauptung einer Verletzung im "Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK)".

Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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