VwGH 97/07/0029

VwGH97/07/002911.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde des G in L, vertreten durch Dr. Walter Hasibeder und Dr. Josef Strasser, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, Roßmarkt 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. Dezember 1996, Zl. VwSen-310080/7/Le/La, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes (weitere Partei des Verfahrens: Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §66 Abs4;
AWG 1990 §2 Abs1;
AWG 1990 §2 Abs5;
AWG 1990 §39 Abs1 lita Z2;
FestsetzungsV gefährliche Abfälle 1991 §2;
ÖNORM S 2101;
VStG §16;
VStG §19;
VStG §20;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §66 Abs4;
AWG 1990 §2 Abs1;
AWG 1990 §2 Abs5;
AWG 1990 §39 Abs1 lita Z2;
FestsetzungsV gefährliche Abfälle 1991 §2;
ÖNORM S 2101;
VStG §16;
VStG §19;
VStG §20;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 9. August 1996 legte die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis dem Beschwerdeführer zur Last, "zumindest" am 4. Juli 1996 bestimmte bewegliche Sachen, deren Erfassung als gefährliche Abfälle im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes des Bundes im öffentlichen Interesse geboten sei, weil nur durch ihre ordnungsgemäße Entsorgung die Gefahr von Verunreinigungen der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus und eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes beseitigt werden könne, nicht so gelagert zu haben, daß diese Gefahr und Beeinträchtigung nicht herbeigeführt werde. Bei diesen beweglichen Sachen habe es sich um näher beschriebene Kraftfahrzeuge näher beschriebenen Zustandes gehandelt, welche in näher bezeichneten Bereichen näher genannter Grundstücke im Eigentum des Beschwerdeführers vorgefunden worden seien. Die betroffenen Fahrzeuge hätten sich in ihrer überwiegenden Zahl in schrottreifem Zustand befunden und hätten zum anderen Teil nur mit großem Aufwand wieder in einen verkehrs- und betriebssicheren Zustand gebracht werden können. Die Betriebsmittel wie Öle, Kühlerflüssigkeit und Bremsflüssigkeit seien durchwegs noch in den Fahrzeugen vorhanden gewesen. Der Beschwerdeführer habe hiedurch die Rechtsvorschrift des § 17 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Z. 3 und 8 AWG verletzt, weshalb er gemäß § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG mit einer Geldstrafe in Höhe von S 50.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) bestraft wurde.

In der Begründung dieses Straferkenntnisses wurde ausgeführt, daß die Lagerung der beschriebenen Kraftfahrzeuge im Zuge einer Erhebung durch den Amtssachverständigen für Maschinenbautechnik am 4. Juli 1996 festgestellt worden sei. Der Amtssachverständige habe auch die Betriebsflüssigkeiten in den gelagerten Fahrzeugen feststellen können und ausgeführt, daß diese durch Undichtstellen oder Leitungsbeschädigungen ins Freie gelangen könnten. Hinsichtlich der Gefährlichkeit der beschriebenen Stoffe könne der Amtssachverständige für Maschinenbautechnik zwar keine Aussage treffen, jedoch sei eine Kontamination des Erdreiches in höchstem Maße wahrscheinlich. Es liege auch teilweise asbesthältiger Bremsstaub offen an den Fahrzeugteilen; dieser könne durch Wind ins Freie geblasen oder durch Regen ausgewaschen werden und sich dann an Sträuchern, Bäumen, Gräsern und am Boden absetzen. Der Amtssachverständige für Natur- und Landschaftsschutz habe in seinem Gutachten dargetan, daß die Lagerung auch der Altfahrzeuge im Zusammenhang mit der - einer gesonderten verwaltungsstrafrechtlichen Behandlung nach Landesrecht zugeführten - Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führe. Daß Fahrzeuge, in denen noch Öle und sonstige Betriebsmittel vorhanden seien, gefährlicher Abfall seien, müsse unter anderem durch die Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle angenommen werden. Für solche Abfälle gelte die Verpflichtung, sie jedenfalls so zu lagern und zu behandeln, daß Beeinträchtigungen durch Verunreinigungen der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus und erhebliche Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes vermieden würden. Dieser Verpflichtung habe der Beschwerdeführer zuwider gehandelt. Auf den tatsächlichen Eintritt einer Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Maß hinaus komme es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1996, 95/07/0079) nicht an; es genüge vielmehr die Möglichkeit eines Austrittes von Betriebsmitteln aus den vorgefundenen Autowracks.

In seiner gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, einen Großteil der Fahrzeuge bereits weggebracht zu haben, auch die noch verbliebenen Kraftfahrzeuge werde er wegbringen. Er habe nicht gewußt, daß die Strafe so hoch ausfallen werde und beantrage daher einen Strafnachlaß, weil er mit seiner Pension die Strafe nicht bezahlen könne. Er beantrage daher die entsprechende Abänderung des Straferkenntnisses und die Erlassung der Strafe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers lediglich im Umfang des Strafausmaßes dahin Folge, daß die verhängte Geldstrafe von S 50.000,-- auf S 25.000,-- bei gleichbleibender Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt und dieser Umstand bei der Festsetzung des Beitrages des Beschwerdeführers zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens entsprechend berücksichtigt wurde. Im Umfang der Bekämpfung des angefochtenen Straferkenntnisses auch in der Schuldfrage blieb der Berufung des Beschwerdeführers ein Erfolg versagt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Im Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung sei hervorgekommen, daß es sich bei den betroffenen Fahrzeugen um solche gehandelt habe, die aus dem Betrieb des Beschwerdeführers gestammt hätten, welchen dieser am 31. März 1995 an seinen Sohn übergeben habe. Der Beschwerdeführer habe angegeben, die Absicht gehabt zu haben, diese Fahrzeuge an Ausländer zu verkaufen. Auf Grund des behördlichen Einschreitens habe er zwei der Fahrzeuge in eine Werkstätte gebracht und bei zwei Fahrzeugen das Führerhaus abgeschnitten, um den Aufbau und die Hinterachse weiter als Heuwagen zu verwenden. Ein weiteres Fahrzeug habe der Beschwerdeführer zum Nachbarn gestellt, eine Zugmaschine habe er in den Stall gestellt. Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren stehe fest, daß die betroffenen Fahrzeuge in einem äußerst desolaten Zustand gewesen seien, der eine Wiederinstandsetzung mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht zugelassen hätte. Überdies seien in den Fahrzeugen auch noch die Betriebsflüssigkeiten, insbesonders Öle, Kühlerflüssigkeiten und Bremsflüssigkeiten enthalten gewesen. Die Fahrzeuge seien auf unbefestigtem Untergrund gestanden, wodurch zumindest abstrakt die Gefahr bestanden habe, daß durch diese unsachgemäße Lagerung die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden könne. Des weiteren sei festgestellt worden, daß die Fahrzeugwracks im Freien und zwar in einer im wesentlichen unberührten Landschaft abgestellt gewesen seien. Die in dieser Weise stattgefundene Lagerung der Fahrzeugwracks stelle daher auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dar. Solcherart aber sei die Lagerung der Fahrzeugwracks nicht der in § 17 Abs. 1 AWG vorgesehenen Art und Weise erfolgt, weil öffentliche Interessen des § 1 Abs. 3 Z. 3 und 8 AWG offensichtlich beeinträchtigt worden seien. Für eine ordnungsgemäße Lagerung der Fahrzeugwracks hätte der Beschwerdeführer als Abfallbesitzer gemäß § 17 Abs. 1 AWG sorgen müssen. Es sei ihm die Verwaltungsübertretung daher anzulasten. Die Verwaltungsübertretung des § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG stelle ein Ungehorsamsdelikt dar; dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Die vom Beschwerdeführer geäußerte Absicht, die Fahrzeuge an Ausländer zu verkaufen oder teilweise weiter zu verwenden, schließe die dem Beschwerdeführer vorzuwerfende Fahrlässigkeit nicht aus, weil es an ihm gelegen gewesen wäre, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 1 AWG zu treffen, um eine Gefährdung der Umwelt und der in § 1 Abs. 3 AWG umschriebenen öffentlichen Interessen zu verhindern. Angesichts der außerordentlich hohen Mindeststrafe sei die belangte Behörde aber auch in Berücksichtigung des Umstandes, daß die von der Erstbehörde angeführten einschlägigen Vorstrafen in dieser Form nicht vorlägen, zur Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen für eine außerordentliche Minderung der Strafe im Sinne des § 20 VStG vorlägen. Es habe die Mindeststrafe nach Maßgabe des § 20 VStG allerdings bloß bis zur Hälfte unterschritten werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Unterbleiben seiner Bestrafung als verletzt anzusehen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahren vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der vom Beschwerdeführer bekämpften rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde über die Abfalleigenschaft der auf seinen Grundstücken gelagerten Fahrzeugwracks haftet im Lichte der Bestimmung des § 2 Abs. 1 AWG kein rechtlicher Fehler an. Daß die auf den Grundstücken des Beschwerdeführers vorgefundenen Fahrzeuge dem objektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG zu subsumieren waren, kann auf der Basis der Ermittlungsergebnisse des Verwaltungsverfahrens aus jenen Gründen nicht bezweifelt werden, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem zu einem ähnlich gelagerten Fall ergangenen Erkenntnis vom 28. Februar 1996, 95/07/0079, betreffend einen Behandlungsauftrag nach § 32 Abs. 1 AWG, näher dargelegt hat, weshalb es zu dieser Frage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGG genügt, auf die Gründe dieses Erkenntnisses zu verweisen.

Es erweist sich der angefochtene Bescheid aber deswegen als rechtswidrig, weil die belangte Behörde es unterlassen hat, solche Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, aus denen die Verwirklichung des Tatbestandes der Ablagerung gefährlicher Abfälle im Sinne des § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG allein beurteilt werden konnte. Weshalb die vorgefundenen Fahrzeugwracks als gefährliche Abfälle zu beurteilen waren, wird im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht und im erstinstanzlichen Straferkenntnis nur unzureichend begründet. Was zur Beurteilung der Verwirklichung des Straftatbestandes des § 39 Abs. 1 lit. a Z. 2 AWG im Beschwerdefall fehlt, sind auf fachkundiger Basis getroffene Feststellungen darüber, daß die abgelagerten Gegenstände einer Schlüsselnummer der ÖNORM S 2101 oder einer der Ziffern des § 2 der Verordnung des Bundesministers für Umwelt über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991, zugeordnet werden können (vgl. hiezu zuletzt das hg. Erkenntnis vom 8. April 1997, 96/07/0167, mit weiteren Nachweisen). Wenngleich die belangte Behörde ihrer Entscheidung die nach § 1 Abs. 2 VStG maßgebliche Rechtslage zugrunde zu legen hatte und insoweit auch zugrunde gelegt hat, sei illustrativ angemerkt, daß der Gesetzgeber dem in der soeben wiedergegebenen Judikatur vertretenen Standpunkt in der EU-Novelle 1996 zum Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 434, in Z. 1a durch eine entsprechende Neufassung der Bestimmung des § 2 Abs. 5 AWG und in Z. 46 durch die Normierung eines § 45 Abs. 13 AWG in Klarstellung der Rechtslage Rechnung getragen hat.

Darüber hinaus leidet der angefochtene Bescheid in seinem Strafausspruch noch insofern an inhaltlicher Rechtswidrigkeit, als die belangte Behörde in Wahrnehmung der ihr nach § 20 VStG eröffneten Möglichkeit nur die Geldstrafe, nicht aber auch die Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1993, 92/18/0168).

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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