Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GewO 1973 §79 Abs2 impl;
GewO 1973 §79 impl;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs3;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs2;
GewO 1994 §79;
GewO 1994 §81;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GewO 1973 §79 Abs2 impl;
GewO 1973 §79 impl;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs3;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs2;
GewO 1994 §79;
GewO 1994 §81;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. Dezember 1996 wurde in Ansehung der Betriebsanlage des Beschwerdeführers gemäß § 79 GewO 1994 folgende zusätzliche Auflage vorgeschrieben:
"Die Verwendung der nachstehenden Steinbearbeitungsgeräte im Freien ist verboten:
- 1) Winkelschleifer, Type Fein, 2300 Watt, 6500 U/min
- 2) Winkelschleifer, Type Bosch, 1 kW, 6500 U/min
- 3) Stichsäge, Type Bosch, 530 Watt, 6500 U/min"
Zur Begründung dieses Bescheides führte der Landeshauptmann aus, er habe ein Gutachten der Magistratsabteilung 36 (Technische Gewerbeangelegenheiten) eingeholt, in dem ausgeführt worden sei, in der in Rede stehenden Betriebsanlage zum Betrieb des Steinmetzgewerbes würden Winkelschleifer, Einhand-Winkelschleifer, Geradeschleifer, Bohrhammer, Handbohrmaschinen sowie diverse Hammer und Meissel im Freien verwendet. Unter einem Flugdach sei eine Standbohrmaschine für Gestein und die mobile Staubabsauganlage situiert. Die Stichsäge diene ausschließlich Holzzuschnitten. Der Werkstättenraum sei ca. 70 m2 groß, besitze einen Betonfußboden und insgesamt vier Fenster mit einer Belichtungsfläche von ca. 5 m2. Als künstliche Beleuchtung seien Lampen mit Leuchtstoffröhren vorhanden. Die Belichtungs- bzw. Beleuchtungssituation sei also ähnlich wie in einer anderen (näher beschriebenen) Steinmetzwerkstätte. Die hier verwendeten Winkelschleifer bsäßen keine Einrichtung für Staubabsaugung und würden daher bei Verwendung in der Werkstätte starken Staubanfall verursachen. Dies sei der Grund, warum damit im Freien unter dem Flugdach gearbeitet werde. Für die Manipulation der Steinblöcke in der Betriebsanlage stehe ein Hubstapler in Verwendung. Die Werkstätte besitze ein Einfahrtstor, sodaß Steinblöcke mit dem Hubstapler auch in die Werkstätte eingebracht werden könnten. Diesem Gutachten habe der Beschwerdeführer entgegengehalten, er biete als einziger Steinmetz Österreichs bestimmte Steinmetzarbeiten an, die der branchenüblichen Formensprache und dem daraus entstandenen Formengut nicht folgten, sondern eine völlig eigene Richtung darstellten. Die Besonderheit seiner Anfertigungen bestünde nicht nur darin, daß jede Anfertigung ein Unikat sei, sondern daß die Bearbeitung des Steines nach mehreren Verfahrenstechniken erfolge, um aus der Kombination derselben einmalige Spezialeffekte zu erhalten. Der gegenständliche Steinmetzbetrieb sei bereits vor dem zweiten Weltkrieg betrieben worden und es habe sich an der Betriebsweise im wesentlichen bis zum heutigen Tag nichts geändert. Da die Arbeiten bei künstlichem Licht nicht in der nötigen Qualität durchführbar seien, könnten sie nur bei Tageslicht ordentlich ausgeführt werden. Eine andere Arbeitstechnik wie z.B. die Anwendung eines Naßverfahrens sei in der geschlossenen Werkstätte keine Alternative, weil es für die Erreichung eines bestimmten gewollten Effekts nicht möglich sei, eine bestimmte Verfahrensart durch eine andere zu ersetzen. Die Nachbarschaftssituation habe sich erst nach und nach angespannt, weil immer mehr Wohnhäuser immer näher an den Betrieb herangebaut worden seien. Die Auflage, nicht mehr im Freien arbeiten zu dürfen, würde einer Betriebsschließung gleichkommen. In der Folge seien Schallpegelmessungen durchgeführt worden, deren Ergebnis in der Begründung des angefochtenen Bescheides im einzelnen dargelegt wird. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird sodann festgestellt, in der kalten Jahreszeit werde fast überhaupt nicht gearbeitet, in der warmen Jahreszeit würden dementsprechend mehr Steinarbeiten durchgeführt. Ein Großteil der Steinmeztarbeiten werde direkt am Friedhof verrichtet, während die Arbeiten in der Betriebsanlage sporadisch und zu unterschiedlichen Tageszeiten aufträten. Fallweise könne es vorkommen, daß mehrere Stunden durchgehend und dann wiederum mehrere Tage überhaupt nicht in der Betriebsanlage gearbeitet werde. Samstag und Sonntag werde nicht gearbeitet. Der amtsärztliche Sachverständige habe ausgeführt, er habe bei einem unangesagten Ortsaugenschein festgestellt, daß es sich im vorliegenden Fall um eine räumlich äußerst beschränkte Betriebsanlage handle, weshalb ein Großteil der Arbeiten nicht in der Betriebsanlage selbst, sondern auf den Friedhöfen durchgeführt werde. Nur das grobe Zuschneiden der Steine und diverse Vorarbeiten würden in der Betriebsanlage durchgeführt. Aus räumllichen und organisatorischen Gründen erfolgten diese Arbeiten großteils im Freien unter dem Flugdach. Weil die Schallpegelmessungen in einem Wohnraum bei geöffnetem Fenster durchgeführt worden seien, habe der medizinische Amtssachverständige eine Übersichtstabelle erstellt, in welcher unter Berücksichtigung der Schallpegelabnahme von etwa 5 dB bei Durchtritt des Schalls vom Freien ins Rauminnere die Schallimmissionen durch die Steinbearbeitungsgeräte vor einem näher bezeichneten Haus den Umgebungsgeräuschpegeln gegenübergestellt worden seien. Dazu habe der medizinische Amtssachverständige ausgeführt, daß jede Wahrnehmung von Geräuschen prinzipiell als Belästigung empfunden werden könne. Neben den physikalischen Eigenschaften des Geräusches sei die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der Belästigung auch von subjektiven Faktoren auf Seite des Empfängers abhängig, wobei die (bewußte oder unbewußte) Einstellung zur Geräuschquelle eine wichtige Rolle spiele. Es sei daher wichtig, in der Frage der Belästigung von diesen individuellen Faktoren zu abstrahieren und die Auswirkungen auf einen normal empfindenden Erwachsenen oder ein eben solches Kind zu beurteilen. In psychologischen und sozialmedizinischen Erhebungen zur Frage der Belästigung durch Lärm habe wiederholt festgestellt werden können, daß für das Ausmaß der Belästigung nicht so sehr die absolute Höhe des Störgeräuschpegels, als die Relation zu den Umgebungsgeräuschen eine Rolle spiele. Es habe sich gezeigt, daß durch ein Störgeräusch der energieäquivalente Dauerschallpegel weder wesentlich erhöht werden noch der Grundgeräuschpegel um mehr als 10 dB überschritten werden sollte. Bei einem (bei den Lärmmessungen festgestellten) Grundgeräuschpegel von 44 dB(A) und einem äquivalenten Dauergeräuschpegel der Umgebungsgeräusche von 52 dB(A) dürfe der Dauerschallpegel nach diesen Erkenntnissen höchstens um 2 dB auf 54 dB(A) angehoben werden. Unter Annahme eines täglichen achtstündigen Beurteilungszeitraumes und einer (im langfristigen Durchschnitt hochgeschätzten) täglichen Zeitdauer der lärmproduzierenden Tätigkeit von einer Stunde lasse sich die Erhöhung des Dauerschallpegels berechnen. Eine durchschnittliche Schallimmission von 60 dB(A) während einer Arbeitszeit von einer Stunde hebe den energieäquivalenten Dauerschallpegel des Beurteilungszeitraumes (acht Stunden nach ÖNORM S 5004) von 52 dB(A) um 2 dB auf 54 dB(A) an. Um beim gegenwärtigen Betriebsumfang unzumutbare Lärmbelästigungen der Nachbarn durch Arbeiten unter dem Flugdach hintanzuhalten, dürften im Freien der Betriebsanlage aus medizinischer Sicht daher keine Geräte verwendet werden, die vor der der Betriebsanlage zugewandten Seite eines näher bezeichneten Hauses eine Immission von über 60 dB bewirkten, weil ansonsten bei einem durchschnittlichen Betrieb der Geräte von einer Stunde täglich der energieäquivalente Dauerschallpegel auf über 54 dB(A) angehoben werden würde. Zur Einhaltung dieser Vorgaben sei vom Amtssachverständigen empfohlen worden, die Verwendung der in Rede stehenden drei Geräte im Freien zu untersagen. Von diesen Feststellungen ausgehend führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Inhaltes der Bestimmungen der §§ 74 Abs. 2, 77 Abs. 1 und 2 und 79 Abs. 1 GewO 1994 in rechtlicher Hinsicht aus, wie aus den durchgeführten Schallpegelmessungen und dem darauf fußenden medizinischen Gutachten erhelle, komme es durch die Lärmimmissionen - hervorgerufen durch die Schallemissionen zweier Winkelschleifer und einer Stichsäge - bei Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage untertags zu ortsunüblichen, subjektiv als wesentlich empfundenden Lärmbelästigungen und psychosozial unzumutbaren Immissionen. Die Nichterhebung von Einwendungen gemäß § 74 Abs. 2 leg. cit. durch Nachbarn der Betriebsanlage im Änderungsverfahren, welches zur Erlassung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 22. Bezirk, vom 1. März 1991 geführt habe, sei für die Beurteilung der Zulässigkeit der Vorschreibung zusätzlicher oder anderer Auflagen gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 im vorliegenden Fall von keiner rechtlichen Relevanz, zumal die angezogenen Bestimmungen nicht auf eine bereits erlangte Parteistellung, sondern lediglich auf den Nachbarbegriff im Sinne des § 75 Abs. 2 leg. cit. abstellten. Da direkt neben der Betriebsanlage auf einer näher bezeichneten Liegenschaft ständig Personen wohnten, die bereits vor der rechtskräftigen Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage am 11. Mai 1991 mit dem bereits zitierten Bescheid vom 1. März 1991 Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 geworden seien, habe die Behörde von Amts wegen die nach dem Stand der Technik erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen vorzuschreiben. Den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Amtssachverständigen zufolge, welche wiederholt und unabhängig voneinander im Rahmen mehrerer Ortsaugenscheine festgestellt hätten, daß nur unregelmäßig lärmerzeugende Arbeiten in der Betriebsanlage des Beschwerdeführers hätten beobachtet werden können und da auch einige befragte Nachbarn angegeben hätten, durch die Arbeiten im gegenständlichen Betrieb nicht übermäßig belästigt zu werden, während andere Lärmquellen außerhalb der Betriebsanlage (Fluglärm, Baustellenlärm) wiederholt beanstandet worden seien, sei daher kein gänzliches Arbeitsverbot mit Steinbearbeitungsgeräten im Freien erforderlich, um die Lärmimmissionen auf ein zumutbares Maß zu reduzieren. Vielmehr könne mit einem Verwendungsverbot bestimmter Winkelschleifer und der angeführten Stichsäge das Auslangen gefunden werden. Dies werde gleichzeitig auch zu einer Reduktion der Staubbelastung führen. Aus dem medizinischen Gutachten ergebe sich, daß als Beurteilungsgrundlage die (zeitlich geraffte) Dauer lärmerzeugender Tätigkeiten von einer Stunde herangezogen worden sei, um die Grenze der Zumutbarkeit der Lärmimmissionen feststellen zu können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es seien die langen Pausen zwischen den Arbeitsschritten nicht berücksichtigt worden, gehe demnach ins Leere. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer eingemahnte Verhältnismäßigkeit zwischen vorzuschreibender Auflage und dem zu erreichenden Schutz sei auszuführen, daß die nunmehr vorgeschriebene Auflage zu keinem unverhältnismäßigen Aufwand führe, weil der Betriebsinhaber nicht zu einem aktiven Handeln, sondern zu einem bloßen Unterlassen verpflichtet werde. Auch könne in der nunmehr vorgeschriebenen Auflage keine de-facto-Schließung der Betriebsanlage erblickt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem gesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, daß nicht entgegen der Bestimmung des § 79 GewO 1994 zusätzliche Auflagen vorgeschrieben werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht er im wesentlichen geltend, die Feststellung der belangten Behörde, auf einer näher bezeichneten Liegenschaft wohnten ständig Personen, die bereits vor der rechtskräftigen Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage am 11. Mai 1991 Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 geworden seien, sei unrichtig. Richtigerweise hätten deren Bewohner diese Liegenschaft erst nach diesem Zeitpunkt käuflich erworben und seien auch erst nach diesem Zeitpunkt dort eingezogen. Hinsichtlich aller übrigen Nachbarn hätte die belangte Behörde vorerst zu prüfen gehabt, ob die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen konkret nicht hinreichend geschützt seien. Derartige Feststellungen fehlten. Bei allfälligem Vorliegen einer konkreten Lärmbelästigung von Nachbarn, die nach dem 21. Jänner 1955 (Betriebsanlagengenehmigungsbescheid), jedoch vor dem 1. Februar 1991 neu hinzugezogen seien, hätte die Behörde in Erfüllung des Gesetzesauftrages des § 79 GewO 1994 einen Lärmemissionsvergleich zwischen dem konsensgemäßen Betrieb der Anlage, wie er 1955 und wie er 1991 bewilligt worden sei, durchzuführen gehabt. Es gebe auch kein Verfahrensergebnis, das die Annahme rechtfertige, die in Rede stehenden Maschinen würden durchschnittlich täglich 1 Stunde lang betrieben. Wie der Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde wiederholt vorgebracht habe, würden unter dem Flugdach Arbeiten nur mit minimalem Zeitaufwand durchgeführt.
Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 - in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 63/1997 - hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 geworden sind, Auflagen im Sinne des Abs. 1 nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind. Auflagen im Sinne des Abs. 1 zur Vermeidung einer über die unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden beträchtlichen Belastung durch Luftschadstoffe, Lärm oder gefährliche Abfälle sind, sofern sie nicht unter den ersten Satz fallen, zugunsten solcher Personen nur dann vorzuschreiben, wenn diese Auflagen im Sinne des Abs. 1 verhältnismäßig sind.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 27. November 1991, Zl. 90/04/0197, in Auslegung der Bestimmung des § 79 Abs. 2 GewO 1994 dargetan hat, soll, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Gesetzesstelle ergibt, nach dem Willen des Gesetzgebers ein erst nach Genehmigung der Anlage zugezogener Nachbar - den Fall der Gesundheitsgefährdung ausgenommen - von dieser Anlage bei konsensgemäßem Betrieb ausgehende Immissionen ohne Rücksicht auf eine sich nachträglich allenfalls ergebende Belästigung hinnehmen müssen. Zweck dieser Gesetzesstelle ist der Schutz des Betriebsinhabers vor einer Verschlechterung seiner Rechtsposition durch nachträglich, in Kenntnis des Bestehens der Betriebsanlage und der von dieser ausgehenden Immissionen, zugezogene Nachbarn. Unter Genehmigungen im Sinne des § 79 GewO 1994 sind sowohl Genehmigungen nach § 77 als auch solche nach § 81 leg. cit. zu verstehen.
Wurde in Ansehung einer gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage in der Folge eine Änderung derselben gewerbebehördlich genehmigt, ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis zum Ausdruck gebracht hat, hinsichtlich des den Nachbarn nach § 79 GewO 1994 gewährten Schutzes zu differenzieren: Jene Nachbarn, denen bereits im Zeitpunkt der Erteilung des Grundkonsenses diese Stellung zukam, genießen hinsichtlich aller von der Betriebsanlage ausgehenden Immissionen den vollen Schutz des § 79; jene Nachbarn, die ihre Nachbarstellung erst nach diesem Zeitpunkt, aber noch vor der gewerbebehördlichen Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage erworben haben, genießen hinsichtlich jener Immissionen, die als Folge der genehmigten Änderung das Maß an Immissionen, wie sie von der dem Grundkonsens entsprechend betriebenen Betriebsanlage ausgegangen sind, übersteigen, ebenfalls den vollen Schutz des § 79 GewO 1994, hinsichtlich jener Immissionen, die dieses Maß nicht übersteigen, genießen sie aber zufolge § 79 Abs. 2 leg. cit. nur den Schutz vor Gefährdung ihres Lebens oder ihrer Gesundheit. Nachbarn, die diese Stellung erst nach Genehmigung der Änderung erlangten, genießen hinsichtlich aller von der Betriebsanlage ausgehenden Immissionen nur den eingeschränkten Schutz des § 79 Abs. 2 GewO 1994.
Im vorliegenden Fall läßt sich dem angefochtenen Bescheid entnehmen, daß die gegenständliche Betriebsanlage, in Ansehung derer mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 22. Bezirk, vom 1. März 1991 eine nicht näher dargestellte Änderung genehmigt wurde, zu einem früheren Zeitpunkt gewerberechtlich genehmigt wurde. Um unter diesen Umständen im Sinne des § 79 Abs. 2 GewO 1994 die Zulässigkeit der in Rede stehenden Auflage, die von der belangten Behörde offensichtlich zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen nicht näher genannter Nachbarn durch Lärm vorgeschrieben wurde, beurteilen zu können, wäre es daher erforderlich gewesen, zunächst jene Nachbarn zu individualisieren, die durch den bei einem dem geänderten Konsens entsprechenden Betrieb der Anlage entstehenden Lärm unzumutbar belästigt werden, und sodann festzustellen, ob diese Personen ihre Eigenschaft als Nachbarn bereits vor Erteilung des Grundkonsenses oder danach, aber vor Genehmigung der Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage oder erst nach dem zuletzt genannten Zeitpunkt erlangten. Je nach dem Ergebnis dieser Prüfung wäre sodann allenfalls entsprechend der oben dargestellten Rechtslage zu prüfen gewesen, ob die unzumutbare Belästigung dieser Nachbarn erst die Folge einer Erhöhung der Lärmimmissionen durch die genehmigte Änderung der Betriebsanlage ist oder ob diese Belästigung schon durch jenes Maß an Immissionen bewirkt wird, das schon bei einem dem Grundkonsens entsprechenden Betrieb der Betriebsanlage hervorgerufen wurde.
Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage derartige Feststellungen unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof noch zu folgenden Bemerkungen veranlaßt:
Wie bereits im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1996, Zl. 96/04/0060, dargelegt, ist unter der in § 79 Abs. 1 GewO 1994 geforderten Verhältnismäßigkeit von Auflagen die Relation zwischen einerseits dem mit der Erfüllung der Auflagen verbundenen Aufwand bzw. den sonstigen mit deren Einhaltung für den Betriebsinhaber verbundenen Folgen und andererseits dem damit gewonnenen Ausmaß an Schutz der nach § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen zu verstehen. Um die im § 79 Abs. 1 vorletzter Satz GewO 1994 geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, bedarf es - sofern nicht das Ziel der Auflage der Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung ist, in welchem Fall der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis sein kann und sich daher eine weitere Prüfung der Verhältnismäßigkeit erübrigt, was aber hier nicht zutrifft - daher der Feststellung einerseits des für den Betriebsanlageninhaber mit der Erfüllung der vorgeschriebenen Auflagen verbundenen Aufwandes und sonstigen Folgen und andererseits des Ausmaßes, in dem mit der Erfüllung der Auflagen der Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen erhöht wird.
Es war daher verfehlt, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Auflage allein daraus ableitete, daß der Beschwerdeführer durch diese Auflage nicht zu einem aktiven Handeln, sondern zu einem bloßen Unterlassen verpflichtet werde. Dies umsomehr, als der Beschwerdeführer wiederholt vorgebracht hat, die Einhaltung dieser Auflage mache ihm die künftige Ausübung seines Gewerbes in dieser Betriebsanlage unmöglich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner in ständiger Rechtsprechung dargelegt, die Feststellung, ob die (sachverhaltsbezogenen) Voraussetzungen für die Vorschreibung allfälliger Auflagen vorliegen, sei Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Während sich der technische Sachverständige über die Art und das Ausmaß der zu erwartenden Emissionen zu äußern hat, ist es Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen, die Auswirkungen der Emissionen auf die Nachbarschaft zu beurteilen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 90/04/0149).
Demgegenüber hat sich im vorliegenden Fall der von der belangten Behörde beigezogene medizinische Amtssachverständige nicht auf diese Rolle beschränkt, sondern in Überschreitung seines Fachgebietes einerseits (ohne für den Verwaltungsgerichtshof erkennbare Aktengrundlage) Aussagen über die ("im langfristigen Durchschnitt hochgeschätzte") tägliche Zeitdauer der lärmproduzierenden Tätigkeit getroffen und andererseits Berechnungen über deren Auswirkungen auf den Dauerschallpegel angestellt. Schließlich hätte es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Gutachten in medizinischer Hinsicht einer Auseinandersetzung mit dem Umstand bedurft, daß, wie der vorliegenden Aktenlage zu entnehmen ist, die in Rede stehenden Lärmemissionen keineswegs an jedem Arbeitstag, sondern nur sporadisch auftreten.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf Zuspruch von Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes in der zitierten Verordnung, die auch Umsatzsteuer umfaßt, abzuweisen. Im übrigen betrifft die Abweisung des Mehrbegehrens nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
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