VwGH 97/04/0026

VwGH97/04/002627.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der T-OHG in V, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Dezember 1996, Zl. Ge-440294/53-1996/Bi/G, betreffend Vorschreibung von Auflagen gemäß § 79 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.700,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 13. November 1995 wurde der Beschwerdeführerin in Ansehung ihrer behördlich genehmigten Betriebsanlage (Sägewerk mit Holzhandlung) am näher bezeichneten Standort gemäß § 79 GewO 1994 als zusätzliche Auflage vorgeschrieben:

"Bei der Rundholzsortieranlage, und zwar bei der Auswurfstelle des Annahmeförderers ist eine geeignete Umhausung zu montieren, um den Lärm des Schlaggeräusches wesentlich zu reduzieren."

Gegen diesen Bescheid erhoben A und SL sowie die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung von A und SL als unzulässig zurückgewiesen. Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde als unbegründet abgewiesen "und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 13.11.1995, Ge-20-47-24-12-1995, insoferne ergänzt, als folgende zusätzliche Auflage vorgeschrieben wird: "Die Betriebszeit der Rundholzsortieranlage wird auf Montag bis Freitag von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr beschränkt.""

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß in Ergänzung des Ermittlungsverfahrens von der Berufungsbehörde ein lärmtechnisches Gutachten eingeholt worden sei (das im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegeben wird). Basierend auf diesem lärmtechnischen Gutachten und einem durchgeführten Ortsaugenschein habe der medizinische Amtssachverständige ein Gutachten erstellt (das ebenfalls im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegeben wird).

Im Anschluß an die wiedergegebenen Gutachten heißt es sodann, aus dem medizinischen Gutachten gehe eindeutig hervor, daß bei dem derzeitigen Betrieb der Sortieranlage unter Einhaltung der mit dem Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen Gesundheitsgefährdungen der Nachbarn nicht ausgeschlossen werden könnten. Die von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vorgeschriebene Auflage, nämlich bei der Auswurfstelle des Annahmeförderers bei der Rundholzsortieranlage eine geeignet Umhausung zu montieren, sei demnach unbedingt erforderlich, wenngleich auch von der Behörde nicht übersehen werde, daß entsprechend dem lärmtechnischen Gutachten diese Einhausung zwar eine Verbesserung für den Bereich des Annahmeförderers ergebe, die übrigen Schallquellen jedoch von dieser Maßnahme unbeeinflußt blieben. Die Vorschreibung "dieser Auflagen" zur Absenkung des Lärmpegels sei aber nicht deshalb ausgeschlossen, weil damit die Zumutbarkeitsgrenze nicht unterschritten werde (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 19. November 1985, Zl. 85/04/0019). Unbedingt erforderlich erscheine nach dem medizinischen Gutachten auch die Betriebszeitbeschränkung. Vom lärmtechnischen Amtssachverständigen seien Maßnahmen vorgeschlagen worden, bei denen auch bei den übrigen Bereichen eine Reduzierung der entstehenden Betriebsimmissionen zu erreichen sei. Bei diesen Maßnahmen handle es sich jedoch um solche im Sinne des Abs. 3 des § 79 GewO 1994, wodurch die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändert würde und bei denen die Behörde den Inhaber der Anlage mit Bescheid die Vorlage eines Sanierungskonzeptes aufzutragen habe. Dieser Auftrag könne jedoch nur von der zuständigen Behörde, das sei in diesem Fall die Bezirkshauptmannschaft, ergehen. Zum Vorwurf der Beschwerdeführerin, die Erstbehörde habe nicht überprüft, ob die Nachbarn als zugezogene Nachbarn zu qualifzieren seien, werde bemerkt, daß im gegenständlichen Fall von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen sei und in diesem Fall nach Abs. 2 des § 79 GewO 1994 Auflagen auch zugunsten von zugezogenen Nachbarn vorzuschreiben seien. Auch der Vorwurf der Verhältnismäßigkeit habe im gegenständlichen Fall keine Berücksichtigung zu finden, weil bei einer Auflage zum Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem damit angestreben Erfolg stehen könne. Zur Zurückweisung der Berufung der Nachbarn L werde bemerkt, daß eine Parteistellung deshalb nicht "anzunehmen" sei, weil die Nachbarn L diese im Genehmigungsverfahren für die Sortiertanlage nicht erlangt hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht, "daß für unsere genehmigte Betriebsanlage eine nachträgliche Auflage gemäß § 79 GewO nur entsprechend den Bestimmungen der GewO erfolgen darf, sohin in dem Recht auf fehlerfreie Anwendung des § 79 GewO verletzt". Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, im angefochtenen Bescheid finde sich keine Begründung dafür, weshalb neben einer Einhausung auch eine Betriebszeitenbeschränkung erforderlich sei. Werde mit der Einhausung bereits eine wesentliche Verbesserung der Lärmsituation erreicht, so wie dies der Sachverständige der Behörde erster Instanz ausgeführt habe, so sei eine Betriebszeitenbeschränkung weder geboten noch erforderlich, um eine allfällige Gesundheitsgefährdung auszuschließen. Führe aber die Einhausung, sowie dies der technische Amtssachverständige in zweiter Instanz dargelegt habe, zu keiner tatsächlichen Verbesserung der Lärmsituation, dies auf Grund der unverändert in gleicher Lautstärke bleibenden anderen Betriebsgeräusche, so sei auch die Einhausung im Sinne des § 79 Abs. 2 GewO 1994 nicht notwendig, sondern würde dies dann für die Beschwerdeführerin nur einen beträchtlichen finanziellen Aufwand zur Folge habe, der jedoch lärmtechnisch gesehen keinerlei Nutzen für die in der "X-Siedlung" wohnhaften Nachbarn bringe. Die Behörde habe sich auch in keiner Weise mit dem Einwand der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, daß die Österreichischen Bundesbahnen bereits die Errichtung einer Lärmschutzwand südlich der Westbahnstrecke - unmittelbar vor den Häusern der X-Siedlung - "zu errichten beabsichtigen". Mit einer solchen Lärmschutzwand werde nicht nur der Betriebslärm sondern gleichzeitig auch der Bundesbahnlärm für die dortige Bevölkerung abgeschirmt, sodaß diese Maßnahme den einzig sinnvollen Lärmschutz darstelle. Es könne doch auch nicht so sein, daß einerseits die Bundesbahn eine Lärmschutzwand errichte und der Beschwerdeführerin zusätzlich eine mit höherem Kostenaufwand verbundene Lärmschutzmaßnahme auferlegt werde, welche mit Errichtung einer Lärmschutzwand wieder überflüssig sei. Es wäre daher von der Behörde die Errichtung einer Lärmschutzwand durch die Österreichischen Bundesbahnen abzuklären gewesen. Hätte die Behörde Ermittlungen in dieser Richtung getätigt, so hätte sich auch ergeben, daß die Lärmschutzwand in kürze errichtet werde.

Weiters wird (u.a.) geltend gemacht, die von der Behörde vorgeschriebene Auflage ("Umhausung") entspreche mit den Worten "geeignet" und "wesentlich" nicht dem Konkretisierungsgebot und sei daher wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig.

Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

Nach Abs. 2 sind zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 geworden sind, Auflagen im Sinne des Abs. 1 nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind. Auflagen im Sinne des Abs. 1 zur Vermeidung einer über die unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden beträchtlichen Belastung durch Luftschadstoffe, Lärm oder gefährliche Abfälle sind, sofern sie nicht unter den ersten Satz fallen, zugunsten solcher Personen nur dann vorzuschreiben, wenn diese Auflagen im Sinne des Abs. 1 verhältnismäßig sind.

Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde von der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 79 Abs. 2 erster Satz GewO 1994 und davon aus, daß die nach den getroffenen Feststellungen auf Grund der betriebskausalen Abläufe hervorgerufenen Geräusche Schlafstörungen von Nachbarn herbeiführten, die als gesundheitsgefährdend zu bezeichnen seien. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend rügt, hat sie es dabei aber unterlassen, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, inwiefern BEIDE Auflagen erforderlich seien, um eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit - weshalb auch der Hinweis in den Begründungsdarlegungen auf die Zumutbarkeitsgrenze verfehlt ist - zu vermeiden. Mit anderen Worten: Die belangte Behörde hat es unterlassen, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, wie sich die eine der Auflagen ("Umhausung") auf die aus der Betriebsanlage herrührenden Geräuscheinwirkungen auswirkt und ungeachtet der damit geänderten (und konkret darzustellenden) Lärmsituation (noch) die weitere der Auflagen ("Betriebszeitenbeschränkung") zur Vermeidung einer GESUNDHEITSGEFÄHRDUNG erforderlich ist - bzw. umgekehrt ("Umhausung" trotz "Betriebszeitenbeschränkung").

In diesem Zusammenhang ist die Beschwerdeführerin aber auch im Recht, wenn sie die mangelnde Bestimmtheit der Auflage ("Umhausung") bekämpft. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, Slg. N.F. Nr. 13.149/A, und die dort zitierte Vorjudikatur), haben Auflagen so klar gefaßt zu sein, daß sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen. Diesen Erfordernissen entspricht die hier in Frage stehende Auflage ("Umhausung") nicht, weil sich daraus - wie in der Beschwerde zutreffend gerügt wird - eindeutige und schlüssige Anhaltspunkte für die Tatbestandsmerkmale "geeignete" (Umhausung) und "wesentlich" (zur Reduzierung des Schlaggeräuschlärms) nicht ergeben, wobei völlig offen bleibt, wann eine "wesentliche" Reduzierung des Schlaggeräuschlärms erreicht ist.

Die Beschwerdeführerin ist aber auch mit ihrem Einwand im Recht, die belangte Behörde habe sich mit ihrem Vorbringen hinsichtlich Errichtung einer Lärmschutzwand durch die Österreichischen Bundesbahnen nicht auseinandergesetzt. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 1984, Slg. N.F. Nr. 11.477/A, ausgeführt hat, hat die Behörde bei der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen und hiebei nicht konkret absehbare Entwicklungen außer Betracht zu lassen. Liegen aber bereits konkrete Anhaltspunkte dafür vor, daß es in absehbarer Zeit zu einer Änderung des Sachverhaltes kommen wird, und ist die Behörde in der Lage, sich über die Auswirkungen dieser Änderung ein hinlängliches Bild zu machen, dann ist auf derartige Entwicklungen bei der Entscheidung über die Genehmigung der Betriebsanlage Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Grund, die im zitierten Erkenntnis dargelegten Gedankengänge nicht auch auf die Beurteilung der Erforderlichkeit anderer oder zusätzlicher Auflagen im Grunde des § 79 Abs. 1 GewO 1994 zu übertragen. Derart hätte sich aber die belangte Behörde mit dem Einwand der Beschwerdeführerin in Ansehung der Errichtung einer Lärmschutzwand durch die Österreichischen Bundesbahnen auseinanderzusetzten gehabt. Sie hätte darzulegen gehabt, ob und wie sich die Errichtung einer Lärmschutzwand voraussichtlich auf die örtlichen Verhältnisse auswirken werde, und falls sie dazu nicht in der Lage wäre, die Gründe hiefür anführen müssen, und so den angefochtenen Bescheid einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugängig zu machen. Da die belangte Behörde dies in Verkennung der Rechtslage unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid auch aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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