Normen
AVG §19 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
VStG §24;
VStG §33 Abs2;
VStG §51g Abs3;
VStG §51h Abs1;
VStG §51h Abs2;
VStG §51i;
AVG §19 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
VStG §24;
VStG §33 Abs2;
VStG §51g Abs3;
VStG §51h Abs1;
VStG §51h Abs2;
VStG §51i;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung des § 12 Abs. 4 der Landesbetriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, Vorarlberger Landesgesetzblatt Nr. 13/1995, in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Z. 6 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996, BGBl. Nr. 112, bestraft, weil er am 23. Juli 1996 zwischen 00.00 Uhr und 00.15 Uhr als Mietwagenlenker einen nach dem Kennzeichen bestimmten Mietwagen auf einer näher bezeichneten öffentlichen Verkehrsfläche in Feldkirch abgestellt habe, ohne daß das Fahrzeug deutlich sichtbar als "außer Dienst" gekennzeichnet gewesen sei. Bei der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes folgte die belangte Behörde - wie aus der Begründung des angefochtenen Bescheides hervorgeht - der von ihr als glaubwürdig erachteten Aussage des als Zeugen vernommenen Meldungslegers. Der Behauptung des Beschwerdeführers, der Mietwagen sei im Tatzeitraum mit "außer Dienst" gekennzeichnet gewesen, wurde kein Glauben geschenkt. Die vom Beschwerdeführer zum Beweis dafür, daß sich der Vorfall so abgespielt habe, wie in der Berufung geschildert, beantragte Vernehmung des Zeugen K sei - so führte die belangte Behörde aus - nicht für zielführend gehalten worden, weil der Beschwerdeführer selbst in seiner Berufung ausgeführt habe, daß der Zeuge K aufgrund der Sitzposition - er habe sich auf der Beifahrerseite des Dienstfahrzeuges befunden - die ordnungsgemäße Beschilderung des Fahrzeuges des Beschwerdeführers nicht habe erkennen können. Eine förmliche Einvernahme des Beschwerdeführers zum Beweis dafür, daß sich der Vorfall so abgespielt habe, wie in der Berufung geschildet, bzw. daß das Mietfahrzeug mit der Aufschrift "außer Dienst" beschildert gewesen sei, sei für entbehrlich gehalten worden, zumal der Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in dieser rechtsfreundlich vertreten gewesen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Nach dem Inhalt der Verwaltungsstrafakten wurde der Beschwerdeführer mittels Ladungsbescheides zu Handen seines Vertreters zu der für den 12. Juni 1997 anberaumten mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde geladen, wobei darauf hingewiesen wurde, daß es notwendig sei, daß er persönlich zur Verhandlung komme, und daß er bei Nichtbefolgung der Ladung damit rechnen müsse, daß das Verfahren ohne seine Anhörung durchgeführt werde. Bei der Verhandlung am 12. Juni 1997 teilte der Vertreter des Beschwerdeführers zunächst mit, daß sich letzterer seit ca. Anfang Mai 1997 in Australien befinde. Er sei dort im Gastgewerbe als Saisonarbeiter tätig. Vermutlich kehre er Anfang 1998 wieder nach Österreich zurück. Das letzte Mal habe der Vertreter des Beschwerdeführers am 14. März 1997 Kontakt mit diesem gehabt. Damals sei er irgendwo in Vorarlberg im Gastgewerbe tätig gewesen. Nach der daraufhin durchgeführten zeugenschaftlichen Vernehmung des Meldungslegers und der Verlesung des erstinstanzlichen Strafaktes sowie des Auszuges aus der Verwaltungsstrafkartei beantragte der Vertreter des Beschwerdeführers die Vernehmung des Beschwerdeführers zum Beweis dafür, daß sich der gegenständliche Vorfall so abgespielt habe, wie in der Berufung geschildert, und daß daher die Angaben des Meldungslegers nicht richtig sein könnten, weiters die Vernehmung des Zeugen K zum selben Beweisthema.
Ferner brachte er folgendes vor:
"Weiters teile ich noch mit, daß noch nicht feststeht, ob der Beschuldigte Hoch in nächster Zeit wieder nach Österreich zurückkehrt und daß es daher durchaus möglich ist, daß es zu einer Einvernahme des Beschuldigten durch die Berufungsbehörde kommen kann. Die anfangs der Berufungsverhandlung erteilte Information, daß sich der Beschuldigte für sieben bis acht Monate in Australien aufhält, beruht auf einer Mitteilung eines Bekannten des Beschuldigten, der angegeben hat, dies von dritter Seite erfahren zu haben. Eine Überprüfung dieser Information war dem Vertreter des Beschuldigten bislang nicht möglich, da es ihm seit Zustellung der Ladung zur heutigen Verhandlung nicht möglich war, mit dem Beschuldigten Kontakt aufzunehmen. Sämtliche Kontaktaufnahmeversuche blieben erfolglos. Es wird daher der Antrag gestellt, eine dreiwöchige Frist einzuräumen, in der abgeklärt werden kann, ob bzw. zu welchem Termin der Beschuldigte in nächster Zeit zur Verhandlung erscheinen kann."
Der Verhandlungsleiter schloß daraufhin die Beweisaufnahme und vertagte die Verhandlung zur öffentlichen Verkündung des Bescheides auf unbestimmte Zeit. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 9. Juli 1997 wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters bekanntgegeben, daß "unter Hinweis auf die im Gegenstand am 12. Juni 1997 durchgeführte mündliche Verhandlung" die mündliche Verkündung des Bescheides am 18. Juli 1997 um 8.30 Uhr stattfinde. Es entstehe dem Beschwerdeführer kein Rechtsnachteil, wenn er zu dieser Bescheidverkündung nicht komme. Bei der Verhandlung am 18. Juli 1997 eröffnete der Verhandlungsleiter laut dem Inahlt der Verhandlungsschrift das Beweisverfahren (wieder). Daraufhin teilte der Vertreter des Beschwerdeführers mit, daß sich der Beschwerdeführer seit wenigen Tagen wiederum in Österreich befinde und an einer näher bezeichneten Adresse in Feldkirch wohnhaft sei. Es werde nochmals seine Einvernahme zum Beweis dafür beantragt, daß das Mietwagenfahrzeug zum Tatzeitpunkt ordnungsgemäß und deutlich sichtbar als "außer Dienst" gekennzeichnet gewesen sei. Der Verhandlungsleiter schloß sodann die Verhandlung und verkündete den angefochtenen Bescheid.
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, durch die Unterlassung der Vernehmung des Zeugen K und seiner eigenen Vernehmung ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet zu haben. Damit ist er im Recht.
Was den Antrag auf Vernehmung des Zeugen K anlangt, ist auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 5. April 1989, Zlen. 88/03/0247, 0248) zu verweisen, wonach die Behörde von der Aufnahme eines von einer Partei angebotenen Beweises nur dann Abstand nehmen kann, wenn der angebotene Beweis an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern, also zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Diese Eignung kann dem gegenständlichen Beweisantrag nicht von vornherein abgesprochen werden. Mag der Zeuge K auch nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung aufgrund seiner Sitzposition im Dienstfahrzeug nicht in der Lage gewesen sein, die - vom Beschwerdeführer behauptete - "ordnungsgemäße Beschilderung" des Mietwagens zu erkennen, hätte er doch Wahrnehmungen über den Inhalt des im Zuge der Amtshandlung geführten Gespräches zwischen dem Meldungsleger und dem Beschwerdeführer machen können, insbesondere darüber, ob der Beschwerdeführer - wie er in der Berufung vorbrachte - darauf hingewiesen habe, daß das Fahrzeug als "außer Dienst" gekennzeichnet gewesen sei. Daß die belangte Behörde, hätte sie den Zeugen K vernommen und hätte dieser die Darstellung des Beschwerdeführers bestätigt, zu einer anderen Beweiswürdigung und damit zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, ist bei der gegebenen Sachlage keineswegs von vornherein auszuschließen.
Hinsichtlich des Antrages auf persönliche Vernehmung des Beschwerdeführers ist folgendes zu bemerken:
Die zur Rechtslage vor der VStG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 358, ergangene hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 5. November 1986, Zl. 86/03/0153) vertrat den Standpunkt, daß im Verwaltungsstrafgesetz keine Bestimmung enthalten sei, die die persönliche Einvernahme eines Beschuldigten zwingend vorschreiben würde. Dies gilt für die durch die VStG-Novelle 1990 geschaffene Rechtslage insofern nicht mehr, als das Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat im Falle der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vom Grundsatz der Unmittelbarkeit geprägt ist (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 958). Außerhalb des im Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat für mündliche Verhandlungen geltenden Grundsatzes der Unmittelbarkeit bleibt es jedoch dabei, daß keine Notwendigkeit zur Durchführung einer persönlichen Einvernahme des Beschuldigten zum Beweis für von ihm bereits schriftlich deponierte Behauptungen besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 96/03/0337).
Aus den Bestimmungen der §§ 51g Abs. 3 und 51h Abs. 1
2. Satz VStG geht klar hervor, daß die Vernehmung des Beschuldigten einen Akt der Beweisaufnahme darstellt. Beruft sich der Beschuldigte auf diesen Beweis, so kann der unabhängige Verwaltungssenat dessen Aufnahme nur dann ablehnen, wenn der angebotene Beweis an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern, also zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (vgl. dazu hinsichtlich des entsprechenden allgemeinen Grundsatzes das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 5. April 1989,
Zlen. 88/03/0247, 0248). Die Anwendung von Zwangsmitteln zur Erwirkung einer Aussage des Beschuldigten kommt allerdings im Hinblick auf § 33 Abs. 2 VStG nicht in Betracht. Erscheint daher der Beschuldigte trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne hinreichende Entschuldigung nicht zur Berufungsverhandlung, bei der seine Vernehmung stattfinden soll, hindert dies weder den Fortgang des Verfahrens noch die Fällung des Erkenntnisses unter Abstandnahme von der Vernehmung des Beschuldigten.
Für die Ladung des Beschuldigten gilt gemäß § 24 VStG jedenfalls § 19 AVG. Ob - wie Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 932/9, und Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 290, meinen - für die Ladung des Beschuldigten auch § 41 VStG gilt, kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben. Gemäß § 19 Abs. 2 AVG ist in der Ladung außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind. Demnach hat die Ladung des Beschuldigten zu seiner Vernehmung in der Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat - unter anderem - zumindest den Hinweis zu enthalten, daß der Geladene als Beschuldigter persönlich vor der Behörde erscheinen soll und daß ein Ausbleiben weder den Fortgang des Verfahrens noch die Fällung des Erkenntnisses unter Abstandnahme von der Beschuldigtenvernehmung hindert.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage durfte die belangte Behörde zwar bei der Verhandlung am 12. Juni 1997 gemäß § 51g Abs. 3 Z. 1 VStG die im erstinstanzlichen Strafverfahren am 27. August 1996 aufgenommene Niederschrift über die Vernehmung des Beschwerdeführers verlesen, weil sie aufgrund der zu Beginn der Verhandlung erstatteten Mitteilung des Vertreters des Beschwerdeführers davon ausgehen konnte, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers unbekannt ist. Die in der Verhandlung am 18. Juli 1997 vor der Verkündung des angefochtenen Bescheides vorgebrachte Mitteilung des Vertreters des Beschwerdeführers, daß sich dieser wieder an einer näher bezeichneten Anschrift in Österreich aufhalte, hätte die belangte Behörde jedoch veranlassen müssen, im Sinne des das Berufungsverfahren prägenden Grundsatzes der Unmittelbarkeit des Verfahrens die nunmehr mögliche persönliche Vernehmung des Beschwerdeführers durchzuführen, dies ungeachtet des schon erfolgten Schlusses der Beweisaufnahme, weil aufgrund der erwähnten Mitteilung des Vertreters des Beschwerdeführers nunmehr eine Entscheidungsreife der Sache im Sinne des § 51h Abs. 2 VStG nicht mehr gegeben war. Daß der Schluß der Beweisaufnahme die Berücksichtigung allfälliger späterer, sich noch vor der Verkündung des Bescheides ergebender Beweise ausschlösse, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Da die Ladung des Beschwerdeführers zur Verhandlung am 18. Juli 1997 den oben angeführten, für eine Ladung zur Vernehmung als Beschuldigter geltenden Mindestanforderungen nicht entsprochen hat, hätte die belangte Behörde an das Ausbleiben des Beschwerdeführers nicht die Rechtsfolgen der Abstandnahme von der Beschuldigtenvernehmung knüpfen dürfen. Daß das Beweisthema der beantragten Vernehmung des Beschuldigten geeignet war, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, steht außer Zweifel.
Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Stempelgebührenersatz für den Kostenersatzantrag vom 23. September 1997 gebührt nicht, weil der Beschwerdeführer die Zuerkennung des Aufwandersatzes in voller Höhe bereits in der Beschwerde hätte beantragen können.
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