VwGH 96/21/0628

VwGH96/21/062817.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des (am 20. Juli 1970 geborenen) MK in Breitenwang, vertreten durch Mag. Gerhard Mader, Rechtsanwalt in Reutte, Lindenstraße 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. Dezember 1995, Zl. 19/42-10/1995, betreffend Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte nicht Folge; der Spruch des Straferkenntnisses wurde dahingehend abgeändert, daß er zu lauten hat wie folgt:

"Sie haben am 27. Dezember 1994 um ca. 17.30 Uhr in Vils die rechtswidrige Ausreise des türkischen Staatsangehörigen AU dadurch vorsätzlich um ihres Vorteiles willen gefördert, daß Sie ihn nach Vils zum Beginn des sogenannten Zirmenweges fuhren, ihm den Weg zum Nebengrenzübergang Zirmen (Deutschland) zeigten und dafür DM 200,-- sowie einen Betrag von S 300,-- verlangten".

In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen dar und ging von folgendem Sachverhalt aus: Der türkische Staatsangehörige AU habe sich am 27. Dezember 1994 in das sogenannte Türkenlokal in Reutte begeben. Dort habe er den Kellner CN gefragt, ob er jemanden kennen würde, der ihn nach Vils fahren könne. Der Beschwerdeführer habe sich gegenüber dem Kellner bereit erklärt, diese Fahrt durchzuführen. Der Beschwerdeführer, dem AU erklärt habe, er wolle nach Deutschland, habe für die Fahrt zunächst DM 1.000,-- verlangt, sei aber schließlich bereit gewesen, für einen Betrag von DM 200,-- zusätzlich eines Betrages von S 300,-- diese Fahrt (eine Strecke von zwölf Kilometern) durchzuführen. Um 17.30 Uhr habe der Beschwerdeführer AU mit seinem PKW nach Vils zum Sportplatz gebracht und ihm den dort beginnenden Zirmenweg nach Deutschland (Nebengrenzübergang Zirmen) gezeigt. Der Beschwerdeführer habe den von ihm verlangten Geldbetrag bei Beendigung der Fahrt erhalten, AU sei nach illegalem Übertritt der Staatsgrenze in Pfronten festgenommen und am 28. Dezember 1994 nach Österreich zurückgestellt worden.

Dieser Sachverhalt stehe aufgrund der Verantwortung des Beschwerdeführers, der als Zeugen einvernommenen Gendarmeriebeamten Karl B. und Bernhard B., des Zeugen CN, der Anzeige des Gendarmerieposten Vils vom 1. Jänner 1995, GZ P 1058/94, der dieser Anzeige angeschlossenen Niederschriften mit dem Beschwerdeführer und AU, sowie aufgrund der Stellungnahme des Gendarmerieposten Vils vom 9. Jänner 1995 fest.

Nach wörtlicher Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 21. September 1995 führte die belangte Behörde weiters aus, daß von maßgeblicher Bedeutung für die Würdigung der erhobenen Beweise die unbestritten gebliebenen Tatsachen seien, daß AU im Bereich des Grenznebenüberganges Zirmen die österreichische-deutsche Staatsgrenze überschritten habe und sohin aus Österreich ausgereist sei und daß der Beschwerdeführer hiefür einen Betrag von DM 200,-- zuzüglich zumindest S 60,-- erhalten habe.

Die Verantwortung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, AU hätte in Vils ein Türkenlokal aufsuchen wollen, sei schon deshalb unglaubwürdig, weil er in diesem Fall "mit dem Postauto, welches er zur Bewältigung der Fahrtstrecke Innsbruck-Reutte benützt hat, in einem Zug für einen geringeren Geldbetrag hätte weiterfahren können (Fahrplan für Tirol)". Daß der Beschwerdeführer für einen Fremden - auch wenn es sich dabei um einen Landsmann handle, eine Fahrt aus bloßer Gefälligkeit durchführe, daß er also weder Geld dafür verlangt habe, noch daß ihm Geld angeboten worden sei, mag - für sich alleine gesehen - zwar auch als Ausdruck einer außergewöhnlichen Hilfsbereitschaft angesehen werden können, doch spreche gegen eine derartige Interpretation die Aussage des Zeugen N., wonach AU angetragen habe, die Benzinkosten zu tragen und letztlich dem Beschwerdeführer auch einen Betrag von DM 200,-- zuzüglich eines Betrages von S 300,-- übergeben habe. Für sich alleine gesehen könnte der Rechtfertigung des Beschwerdeführers, er habe bei der Geldübergabe den genauen Betrag nicht kontrolliert, weil AU ihm das Geld in die Tasche gestopft habe, auch akzeptiert werden, doch sei eine derartige Vorgangsweise schon im Hinblick darauf als höchst unwahrscheinlich anzusehen, daß der Beschwerdeführer nach seiner Rechtfertigung sehr bestrebt gewesen sei, einem Landsmann unentgeltlich weiterzuhelfen.

Wesentlich mehr Glaubwürdigkeit komme der Aussage des AU (Niederschrift beim Gendarmerieposten Vils am 28. Dezember 1994) zu, weil dessen Darstellung über den Ablauf des Geschehens mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in viel höherem Ausmaß übereinstimme als die Rechtfertigung des Beschwerdeführers; in dieser Niederschrift sei die Aussage AU unter anderem wie folgt protokolliert:

"Gestern, am 27.12.1994, fuhr ich mit dem Postbus von Innsbruck nach Reutte. In Reutte ging ich in ein türkisches Lokal. In diesem Lokal bestellte ich einen Tee. Vermutlich bemerkten die Türken dort, daß ich fremd war. Ich sagte, daß ich nach Deutschland wollte. Ein Landsmann verlangte DM 1.000,-- und er würde mich nach Deutschland bringen. Ich erklärte, daß ich wenig Geld bei mir habe. So verlangte der Mann DM 200,-- und S 300,--. Für diesen Betrag brachte mich der Unbekannte an die Grenze. Der Mann sagte noch, daß ich unterhalb des Waldes immer geradeaus gehen sollte. Dann fuhr er sofort nach Reutte zurück. Das war so gegen 18 Uhr."

Im Zuge der Beweiswürdigung sei auch die Verantwortung des Beschwerdeführers anläßlich der Durchführung der Ermittlungen durch die Gendarmerie von Bedeutung gewesen. Der Beschwerdeführer habe zunächst geleugnet, nach Vils gefahren zu sein und habe dies erst nach mehrmaliger Befragung eingestanden (Gendarmeriebericht 9. Jänner 1995); weiters habe er zunächst behauptet, für diese Fahrt kein Geld angenommen zu haben und habe auch die Annahme von Geld erst nach mehrmaliger Befragung zugegeben; darüber hinaus habe er bei der Gegenüberstellung mit AU zunächst behauptet, diesen nicht zu kennen und auch in diesem Punkt erst nach mehrmaligem Befragen eingestanden, daß er AU nach Vils gefahren habe; schließlich habe er bei seiner Einvernahme durch die Erstbehörde am 3. Jänner 1995 behauptet, nach der Gegenüberstellung mit AU bei Verlassen des Vernehmungsraumes zu diesem kein Wort gesagt zu haben; im Zuge der mündlichen Verhandlung habe er sich allerdings dahingehend verantwortet, daß er bei dieser Gelegenheit tatsächlich eine kurze Bemerkung gemacht habe; das sei allerdings nur so eine Art Selbstgespräch gewesen, eine Bemerkung, die seinen Ärger gegen ihn selbst ausdrücken sollte. In diesem Punkt folge die belangte Behörde allerdings der Darstellung der Gendarmerie (Gendarmeriebericht 9. Jänner 1995: "Als nun MK den Vernehmungsraum verließ und AU im Raum verblieb, sprach MK beim Vorbeigehen an AU einige Worte in türkischer Sprache"; ebenso Zeuge RI P: "Nach Beendigung der Gegenüberstellung, als MK den Raum verließ, sagte er irgendetwas in türkischer Sprache zu AU", weil sich die Art eines Selbstgespräches erkennbar von der Anrede einer anderen Person unterscheide und der Zeuge RI P AU sofort danach gefragt habe, was der Beschwerdeführer zu ihm gesagt habe).

Die Verantwortung des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung stehe mit seinem Verhalten anläßlich der ersten Ermittlungen durch die Gendarmerie in unüberbrückbarem Widerspruch. Hätten sich die Dinge tatsächlich so zugetragen, wie der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung dargestellt hat, dann hätte er sich bereits bei Durchführung der ersten Ermittlungen in diesem Sinne verantworten können.

Der Beschwerdeführer habe im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgebracht, er könne zwar den üblichen Unterhaltungen in deutscher Sprache folgen und habe damit auch keine besonderen Probleme, er habe allerdings dann Schwierigkeiten, wenn es um kompliziertere Sachverhalte gehe, er könne auch nicht ausreichend deutsch lesen, um zu erfassen, was die Gendarmeriebeamten niedergeschrieben haben.

Dem sei entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer am Beginn seiner Befragung durch die Gendarmerie (Gendarmeriebericht 9. Jänner 1995) gefragt worden sei, ob er die deutsche Sprache so gut könne, um die Fragen der Gendarmeriebeamten zu verstehen. Dies habe der Beschwerdeführer bejaht. Es möge auch sein, daß bei der ersten Befragung durch die Gendarmerie die Worte "Vils" und "Grenze" teilweise synonym verwendet worden seien, doch habe der Zeuge RI P angegeben, er sei sich ganz sicher, daß der Beschwerdeführer auch mehrmals danach gefragt worden sei, ob er nach Vils gefahren sei und daß der Beschwerdeführer auch diese Frage zunächst verneint habe. Die Verantwortung des Beschwerdeführers anläßlich der ersten Ermittlungen durch die Gendarmerie (er sei nicht nach Vils gefahren, er kenne AU nicht, er habe kein Geld angenommen und er habe nach der Gegenüberstellung mit AU beim Verlassen des Vernehmungsraumes nichts gesagt) sei in ihrer Gesamtheit nicht als Folge von Sprachschwierigkeiten zu werten.

Die belangte Behörde habe aus den dargelegten Gründen die Verantwortung des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung nicht für glaubwürdig erachtet; sie habe sich vielmehr der Darstellung des AU (Niederschrift am Gendarmerieposten Vils am 28. Dezember 1994) angeschlossen, die mit der Tatsache des Grenzübertrittes sowie der Zahlung eines - verglichen mit der Fahrtstrecke - auffallend hohen Betrages in Übereinstimmung stehe. Die belangte Behörde folge daher auch der Aussage des AU hinsichtlich der Ausstiegsstelle ("im Bereich des Fußballplatzes", ZV RI B) sowie dahingehend, daß der Beschwerdeführer ihm gesagt habe, daß er unterhalb des Waldes immer geradeaus gehen solle (Niederschrift des AU am GP Vils vom 28. Dezember 1994). Die Durchführung des vom Beschwerdeführer beantragten Lokalaugenscheines zum Beweis dafür, daß AU den sogenannten Zirmenweg entweder mit Hilfe eines unbekannten Fremden oder auch aus eigenem hätte finden können, weil die örtlichen Gegebenheiten in Natur bei weitem nicht so kompliziert seien, wie dies im angefochtenen Straferkenntnis dargestellt werde, scheine im Hinblick auf die Stellungnahme der Gendarmerie (Gendarmeriebericht vom 9. Jänner 1995), wonach es nach Ansicht der Gendarmeriebeamten unmöglich sei, daß eine ortsunkundige Person bei Dunkelheit, wie sie zu dieser Jahreszeit herrsche, ohne genaue Anweisung den Weg über die "grüne Grenze" finden könne, entbehrlich. Zur subjektiven Tatseite sei auszuführen, daß die belangte Behörde der Aussage des AU auch in dem Punkt gefolgt sei, daß der Beschwerdeführer zunächst DM 1.000,-- für die Fahrt verlangt habe, was in sich schließe, daß er gewußt habe, daß AU den Grenzübertritt nicht auf gesetzeskonforme Art durchzuführen beabsichtige.

Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweise, daß es sich bei AU um einen Mann handle, der bereits auf mannigfache Art und Weise gegen Gesetze verstoßen habe und dem daher von vornherein Glaubwürdigkeit abzusprechen sei, zumal gerade bei illegalem Grenzübertritt häufig zu beobachten sei, daß die dabei betretenen Personen ein weiteres Opfer suchten, um von ihren eigenen Handlungen abzulenken, und daß AU deshalb den Beschwerdeführer belastet habe, um für sich günstigere Bedingungen bei der Behandlung durch die Behörde zu erwirken, sei entgegenzuhalten, daß es sich dabei um allgemeine Annahmen handle; im Zuge des Verfahrens habe sich allerdings kein Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die Auskunftsperson AU etwas anderes dargestellt habe als den tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse, die seinem Grenzübertritt vorangegangen seien. Seine Angaben seien daher der zunächst leugnenden, im weiteren Verlauf der Vernehmungen allmählich eingestehenden und zuletzt in der mündlichen Verhandlung endgültig fixierten Verantwortung des Beschwerdeführers vorzuziehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde geht davon aus, daß den Angaben des Beschwerdeführers kein Glauben geschenkt werden könne. Es sei den Angaben der Auskunftsperson AU zu folgen, die den tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse, die seinem Grenzübertritt vorangegangen seien, darstellten. Ein Schuldspruch des Beschwerdeführers setzt demnach voraus, daß die den Angaben der Auskunftsperson AU Glauben schenkende Beweiswürdigung der belangten Behörde dem Gesetz entspricht. Dies ist jedoch nicht der Fall, sodaß der Beschwerde im Ergebnis Berechtigung zukommt. Gemäß dem auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Der in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommende Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Diese Bestimmung hat nur zur Folge, daß - soferne in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen, insbesondere auch keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist an den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt insoweit nicht gebunden, als dieser in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde, der Ergänzung bedarf oder bei seiner Ermittlung Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Schließlich unterliegt die Beweiswürdigung der Behörde auch der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in der Richtung, ob alle zum Beweis oder zur Widerlegung strittiger Tatsachen nach der Aktenlage objektiv geeigneten Umstände berücksichtigt wurden und die Behörde bei der Würdigung dieser Umstände (bzw. bei Gewinnung ihrer Schlußfolgerungen) deren Gewicht (im Verhältnis untereinander) nicht verkannt hat. Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes für die Beurteilung der Frage, ob Umstände in diesem Sinne objektiv geeignet (und daher zu berücksichtigen) sind und ob ihr Gewicht (an sich oder im Verhältnis zu anderen Sachverhaltselementen) verkannt wurde, sind die Gesetze der Logik und des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes. Wenn es hingegen nachvollziehbare, mit den Denkgesetzen übereinstimmende Gründe für jede von mehreren in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten gibt, so hat die belangte Behörde nach freie Überzeugung auch zu entscheiden, welchen der in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten die den Vorzug gibt (und dies nachvollziehbar zu begründen), ohne daß ihr der Verwaltungsgerichtshof entgegentreten könnte. Welche Sachverhaltsversion im Sinne ihrer Übereinstimmung mit der Wirklichkeit tatsächlich richtig ist, unterliegt insoweit nicht der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 4. September 1996, Zl. 95/21/0112).

Die belangte Behörde geht im Spruch ihres Erkenntnisses davon aus, daß der Beschwerdeführer "DM 200,-- sowie einen Betrag von S 300,--" verlangt habe. In der Darstellung des Sachverhaltes führt sie allerdings aus, daß der Beschwerdeführer zunächst für die Fahrt DM 1.000,-- verlangt habe, aber schließlich bereit gewesen sei, für einen Betrag von DM 200,-- zusätzlich eines Betrages von S 300,-- die Fahrt durchzuführen. Wie die belangte Behörde zu dieser Feststellung gelangt, daß der Beschwerdeführer bereit gewesen sei, für einen Betrag von DM 200,-- zusätzlich eines Betrages von S 300,-- die Fahrt durchzuführen, ist nicht nachvollziehbar begründet. Der von der belangten Behörde als glaubwürdig angesehene AU gab hiezu in der von der belangten Behörde herangezogenen Niederschrift vom 28. Dezember 1994 an, daß der Beschwerdeführer DM 200,-- und S 300,-- verlangte. Das von der belangten Behörde angenommene "Bereitsein" des Beschwerdeführers ist nicht als Verlangen zu deuten. Die Gespräche des Beschwerdeführers mit dem AU über die Bezahlung hätten daher einer detaillierten Feststellung bedurft. Die Angaben des AU über das Verlangen eines bestimmten Betrages durch den Beschwerdeführer sind keineswegs schlüssig, weil keine Gründe für die angebliche Reduzierung des geforderten Betrages vorgebracht werden. Die Erklärung des AU, daß er "wenig Geld bei sich habe" vermag die Reduzierung auf den von der belangten Behörde festgestellten Betrag keineswegs überzeugend darzutun.

Die belangte Behörde geht im Spruch davon aus, daß der Beschwerdeführer den AU nach Vils zum Beginn des sogenannten Zirmenweges gefahren habe.

In der von der belangten Behörde wiedergegebenen niederschriftlichen Einvernahme des AU wird diesbezüglich angegeben, daß er "an die Grenze" gebracht worden sei. In dieser Niederschrift wird vom AU weder das Wort "Sportplatz" noch das Wort "Fußballplatz" verwendet. Die belangte Behörde geht davon aus, daß AU gegenüber einem Gendarmeriebeamten die Ausstiegsstelle als "im Bereich des Fußballplatzes" angegeben habe. Aus diesen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde ergibt sich jedoch kein Schluß auf den im Spruch genannten "Beginn des sogenannten Zirmenweges". Dieser kann aus den Angaben des AU keinesfalls mit einer ausreichenden Deutlichkeit entnommen werden. Dies wird vollkommen klar, wenn man diese Angaben des AU mit den Feststellungen im Bescheid der Behörde erster Instanz vergleicht. Diese Behörde hat hiezu festgestellt:

"Es ist bekannt, daß der von Vils vom dortigen Sportplatz nach D-Pfronten führende Zirmenweg eine immer beliebter werdende Route für illegale Grenzgänger ist. Auf diesem Weg gelangt man beim Vilser Sportplatz, welcher (geschätzt) fast 1 km vom Ortszentrum von Vils in östlicher Richtung entfernt liegt. Laut MK führte die Fahrt von Reutte kommend auf der Hauptstraße B 314 durch die Stadtgemeinde Vils bis an das nördliche Ortsende von Vils, wo rechtsseitig als letztes Gebäude das Autohaus Dreer etabliert ist. Auch dieses Gebäude ist ca. einen halben Kilometer vom Ortszentrum in Vils entfernt. AU hätte also einen halben Kilometer nach Vils zurückgehen, dort beim Gasthaus "Schwarzer Adler" den im Winkel von 90 Grad linksseitig einbiegenden Weg in Richtung Sportplatz nehmen und weiter ca. 1 km zum Vilser Sportplatz gehen müssen. Auf diesem Weg hätte er noch darauf achten müssen, daß er sich bei der Weggabelung zum Schretterwerk, den Häusern beim Allatseeweg und dem Sportplatzweg nicht verläuft und - so er dann überhaupt beim Sportplatz ankommt - dort noch den "Einstieg" in den Zirmenweg findet. Vom Sportplatz in Vils bis zur Staatsgrenze sind es dann noch ca. 2,5 km."

Nicht nur in diesem Punkt sondern auch in der weiteren Annahme der belangten Behörde im Spruch, daß der Beschwerdeführer dem AU den Weg zum Nebengrenzübergang Zirmen zeigte, ist die Angabe des AU nicht nachvollziehbar. Die Angabe des AU, wonach der Beschwerdeführer ihm gesagt habe, daß er unterhalb des Waldes immer geradeaus gehen solle, ist ohne nähere Feststellungen der Örtlichkeit schlicht unverständlich. Wenn daher die Behörde meint, aufgrund der Angaben des AU den tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse, die seinem Grenzübergang vorangegangen seien, schlüssig ableiten zu können, kann ihr nicht gefolgt werden. Dazu kommt, daß die belangte Behörde die den Angaben des AU widersprechenden Angaben des Zeugen CN in keiner Weise würdigte. Nach den Angaben dieses Zeugen erklärte AU, daß er nach Vils wolle. Einen Grund hiefür habe er nicht angegeben.

Demgegenüber hat AU in der von der belangten Behörde herangezogenen Niederschrift angegeben, daß er gesagt habe, nach Deutschland zu wollen.

Schließlich kann aus der Angabe des AU nicht geschlossen werden, ob er überhaupt Informationen oder Anweisungen über den Weg nach Deutschland benötigte und gegebenenfalls, ob er diese, und welche genau, vom Beschwerdeführer erhalten habe. Anhand der vorliegenden Angaben kann nicht schlüssig auf die dem Beschwerdeführer im Spruch zur Last gelegte strafbare Handlung geschlossen werden. Die belangte Behörde hat im Sinne der oben dargestellten Rechtslage nicht dargetan, warum den Angaben des AU trotz der widersprechenden Angabe des CN zu folgen ist und darüber hinaus verkannt, daß aufgrund der Angaben des AU die zum Spruch des Berufungserkenntnisses führenden Tatbestandsmerkmale nicht schlüssig ableitbar sind.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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