Normen
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 13. September 1993 gemäß § 54 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, er sei in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht.
Der Beschwerdeführer habe über seinen Rechtsfreund mit Schreiben vom 13. September 1993 den Antrag gemäß § 54 FrG gestellt. In diesem Antrag habe er angegeben, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe in der Türkei zu sein und die PKK durch Lebensmittellieferungen unterstützt zu haben. Darüber hinaus hätte er keinerlei politische Tätigkeit für die PKK oder eine sonstige Organisation entfaltet. In seinem Bezirk sei es zu Unruhen gekommen, weil die örtliche Gendarmerie versucht habe, Angehörige der PKK zu verhaften. Im Mai 1993 sei in seinem Bezirk der Gebietsverantwortliche für die PKK erschossen worden. Daraufhin sei er von den Gendarmen vorübergehend festgenommen worden. Er habe sich bei seiner Herde und zwei Wachhunden auf dem Feld befunden, als die Gendarmen gekommen seien. Diese hätten seine beiden Wachhunde erschossen und den Beschwerdeführer zur Wache mitgenommen. Es sei ihm zur Last gelegt worden, daß er die PKK unterstütze und ihnen Lebensmittel verkaufe. Bei diesem Verhör sei er mißhandelt und geschlagen worden. Während des Verhörs sei ihm derart heftig mit einem Gewehrkolben auf den Fuß geschlagen worden, daß an seinem linken Fuß eine Zehe gebrochen worden sei. Er sei dann wieder freigelassen worden, aber in weiterer Folge noch dreimal innerhalb des Monats Mai zu weiteren Verhören gebracht worden.
Die Behörde erster Instanz habe den Beschwerdeführer am 16. November 1993 einer Befragung unterzogen. Hiebei habe er angegeben, der für seinen Bezirk verantwortliche PKK-Führer sei am 5. April 1993 erschossen worden. Der Beschwerdeführer sei im Mai 1993 dreimal von der Gendarmerie zu Verhören abgeholt worden. Er sei bereits - so der Beschwerdeführer weiter - am 5. März 1993 zur Gendarmeriedienststelle geholt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei er als Hirte unterwegs gewesen und hätten die Gendarmen seine beiden Wachhunde grundlos erschossen. Am 5. April 1993 sei der Beschwerdeführer erneut zur Gendarmeriestation gebracht worden. Bei einem Verhör an diesem Tag sei ihm von einem Gendarmen mit dem Gewehrkolben auf die Zehe des linken Fußes geschlagen worden, sodaß diese gebrochen sei.
Aufgrund der Widersprüche zwischen den Angaben im schriftlichen Antrag und bei der niederschriftlichen Befragung habe die Behörde erster Instanz die Angaben des Beschwerdeführers als Schutzbehauptungen gewertet.
Die Behörde erster Instanz sei davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben am 16. Juni 1993 in einem Kleinbus versteckt von Ungarn kommend illegal in das Bundesgebiet eingereist sei. Er habe vertreten durch einen Anwalt am 21. Juni 1993 einen schriftlichen Antrag auf Gewährung des Asylrechtes eingebracht. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juli 1993 sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling in Sinne der Genfer Konvention sei.
Soweit der Beschwerdeführer in der Berufung geltend mache, daß es sich bei der Entscheidung im Asylverfahren um keine meritorische sondern um eine formelle Entscheidung handle, sei er darauf zu verweisen, daß der Bundesminister für Inneres die Berufung gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 19 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 abgewiesen habe. Hätte der Beschwerdeführer, der in angemessener Frist zu Handen des von ihm angegebenen Zustellbevollmächtigten zu einer Vernehmung geladen worden sei, dieser Ladung entsprochen, so hätte er bereits im Asylverfahren stichhaltige Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG vorbringen können. Daß der Beschwerdeführer dieser Ladung nicht Folge geleistet habe, sei unter anderem auch ein Zeichen dafür, wie ernst er die gegen ihn gerichteten "Verfolgungshandlungen" seitens der türkischen Regierung nehme. Die belangte Behörde teile die Auffassung der Behörde erster Instanz, daß die vom Beschwerdeführer gemachten Angaben reine Schutzbehauptungen seien. Zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Festnahmen sei anzumerken, daß er freigelassen worden sei, ohne daß seinen Angaben zufolge der Vorwurf einer strafbaren Handlung erhoben worden sei. Dies lasse die schlüssige Vermutung zu, daß die maßgeblichen staatlichen Stellen davon überzeugt gewesen waren, daß zwischen dem Beschwerdeführer und etwaigen oppositionellen Gruppen keine ernst zu nehmende Verbindung bestanden habe. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer aus diesen Gründen der Verfolgung ausgesetzt gewesen sein solle bzw. bei seiner Rückkehr Verfolgung befürchten müsse. Im übrigen würden Befragungen bzw. Verhöre allein - sollten sie überhaupt stattgefunden haben - keine Verfolgungshandlungen darstellen.
Die belangte Behörde habe unter anderem auch in die "Amnesty International Berichte 1994" Einsicht genommen und festgestellt, daß der Beschwerdeführer nie namentlich erwähnt worden sei.
Aufgrund der einschlägigen Literatur (Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte) sei der belangten Behörde bekannt, daß die PKK Mitte März 1993 einen einseitigen Waffenstillstand und ihre Absicht, den bewaffneten Kampf einzustellen, erklärt habe. Dieser Waffenstillstand sei jedoch im Mai gebrochen worden, als PKK-Kämpfer einen Konvoi Soldaten überfallen hätten. Die türkische Armee habe daraufhin eine großangelegte Offensive gegen die PKK gestartet. Weder in der zitierten einschlägigen Literatur noch aus dem genannten Bericht gehe hervor, daß der vom Beschwerdeführer namhaft gemachte PKK-Führer von der Gendarmerie bzw. vom türkischen Militär erschossen worden sei.
Der Beschwerdeführer habe am 3. Februar 1994 der belangten Behörde einen ärztlichen Untersuchungsbericht vorgelegt, der wie folgt laute:
"Beim Beschwerdeführer zeigte sich am Grundglied des vierten Zehens linksradiologisch Zustand nach länger zurückliegendem Bruch. Der Bruch in diesem Bereich stellt die häufigste Zehenbruchform dar. Hinsichtlich des Entstehungsmechanismus ist auszuführen, daß ein derartiger Bruch meist durch direkte Gewaltanwendung entsteht. Es ist nicht auszuschließen, daß der Bruch durch Auftreffen eines Gewehrkolbens, wie vom Untersuchten angegeben, zustandegekommen ist."
Auch dieser Untersuchungsbericht könne die belangte Behörde nicht von der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers überzeugen. Der Untersuchungsbericht biete keinen eindeutigen Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer ausschließlich durch das Auftreffen eines Gewehrkolbens verletzt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens - ohne Kosten zu verzeichnen - vor; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß bei tatsächlicher richtiger Würdigung sämtlicher Beweise die belangte Behörde inhaltlich zu einem anderen Bescheid hätte kommen müssen. Die belangte Behörde habe das Parteiengehör nicht gewahrt. Sie halte fest, daß weder aus der einschlägigen Literatur noch aus dem genannten Bericht hervorgehe, daß der PKK-Führer erschossen worden sei. Wenn ihm dieses Ermittlungsergebnis mitgeteilt worden wäre, hätte er nachweisen können, daß aus entsprechenden Unterlagen und aus der Literatur, allenfalls aus Zeitungsberichten hervorgehe, daß der genannte PKK-Führer sehr wohl erschossen worden sei, auch wenn die Urheber dieser Erschießung nicht bekannt seien. Die entsprechenden Unterlagen hätten dazu geführt, daß der Beschwerdeführer seinem Vorbringen größere Glaubwürdigkeit verleihen hätte können. Dies sei insbesondere deswegen relevant, weil sich die belangte Behörde der Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz anschließe. Dem Beschwerdeführer werde aufgrund der Tatsache, daß Daten verwechselt worden seien, jede Glaubwürdigkeit abgesprochen. Es könne ihm wohl kaum zur Last gelegt werden, daß allenfalls im Antrag schriftlich gemachte Angaben sich von den mündlichen während der Einvernahme getätigten Angaben unterscheiden, weil der rechtsfreundliche Vertreter meist keinen gerichtlich beeideten Dolmetscher zur Verfügung habe und die Richtigkeit der Übersetzung nicht überprüfen könne. Dem vorgelegten Gutachten, aus welchem sich der Bruch der Zehe ableiten lasse, sei besseres Augenmerk zu schenken gewesen.
Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Wie das wiedergegebene Beschwerdevorbringen zeigt, macht der Beschwerdeführer der Sache nach keinen relevanten Verstoß gegen § 45 Abs. 3 AVG geltend, sondern wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Die Beschwerdeeinwände, mit denen der Beschwerdeführer der Sache nach die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde und die Unvollständigkeit des diesbezüglich ermittelten Sachverhaltes behauptet, sind unbegründet:
Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Der in § 45 Abs. 2 AVG zum Ausdruck kommende Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Diese Bestimmung hat nur zur Folge, daß - soferne in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen, insbesondere auch keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist an den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt insoweit nicht gebunden, als dieser in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde, der Ergänzung bedarf oder bei seiner Ermittlung Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Schließlich unterliegt die Beweiswürdigung der Behörde auch der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in der Richtung, ob alle zum Beweis oder zur Widerlegung strittiger Tatsachen nach der Aktenlage objektiv geeigneten Umstände berücksichtigt wurden und die Behörde bei der Würdigung dieser Umstände (bzw. bei Gewinnung ihrer Schlußfolgerungen) deren Gewicht (im Verhältnis untereinander) nicht verkannt hat. Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes für die Beurteilung der Frage, ob Umstände in diesem Sinne objektiv geeignet (und daher zu berücksichtigen) sind und ob ihr Gewicht (an sich oder im Verhältnis zu anderen Sachverhaltselementen) verkannt wurde, sind die Gesetze der Logik und des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes. Wenn es hingegen nachvollziehbare, mit den Denkgesetzen übereinstimmende Gründe für jede von mehreren in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten gibt, so hat die belangte Behörde nach freier Überzeugung auch zu entscheiden, welcher der in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten sie den Vorzug gibt (und dies nachvollziehbar zu begründen), ohne daß ihr der Verwaltungsgerichtshof entgegentreten könnte. Welche Sachverhaltsversion im Sinne ihrer Übereinstimmung mit der Wirklichkeit tatsächlich richtig ist, unterliegt insoweit nicht der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0082).
Auf dem Boden dieser Rechtslage ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde unbedenklich. Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine im Sinn des § 37 FrG relevante Verfolgung des Beschwerdeführers als nicht gegeben annahm. Die Angaben des Beschwerdeführers sind aufgrund der aufgezeigten Widersprüche jedenfalls nicht dazu angetan, eine Verfolgungsgefahr glaubwürdig erscheinen zu lassen. Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, daß die Nichtbefolgung der Ladung zur Einvernahme im Asylverfahren darauf hinweise, daß er in seinem Heimatstaat keiner erheblichen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, wird in der Beschwerde nicht bekämpft. Als weiteres Indiz für das Nichtbestehen einer Verfolgungssituation ist zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer nach seinen Angaben legal aus der Türkei ausreiste und ihm von der Botschaft seines Landes in Wien ein Reisepaß ausgestellt wurde (Angaben zum Asylantrag vom 16. August 1994), zeigt doch die Beantragung des Reisepasses und der legale Grenzübertritt, daß der Beschwerdeführer keine Bedenken hatte, mit den Behörden seines Heimatlandes in Kontakt zu treten und deren Leistungen in Anspruch zu nehmen. Es kann auch die Auffassung im angefochtenen Bescheid, daß Verhöre und Ladungen zu Einvernahmen für sich allein genommen nicht als erhebliche Verfolgungshandlungen im Sinne des § 37 leg. cit. gewertet werden können, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer war nach seinen Angaben jeweils auf freien Fuß gesetzt worden und hat - mit Ausnahme des von der belangten Behörde als Schutzbehauptung zur Erzielung des Verfahrenserfolges gewerteten Hiebes mit dem Gewehrkolben - keine stattgefundenen Mißhandlungen erwähnt.
Da somit der Beurteilung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in der Türkei im Sinne des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG, die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der begehrten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
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