VwGH 96/21/0210

VwGH96/21/021017.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des SN (geboren am 7. März 1973), vertreten durch

Dr. Alexander Kragora, Rechtsanwalt in Wien I, An der Hülben 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. Jänner 1996, Zl. Fr 5171/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1 idF 1992/838 ;
FrG 1993 §17;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1 idF 1992/838 ;
FrG 1993 §17;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 Fremdengesetz (FrG) ausgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen aus, der Beschwerdeführer sei am 19. November 1995 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist. Er sei nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes, eines Sichtvermerks bzw. einer Aufenthaltsberechtigung gewesen. Der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG sei daher erfüllt. Die Behörde erster Instanz habe festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Mittel zu seinem Unterhalt nicht besitze. Im Berufungsschreiben habe der Beschwerdeführer dazu angegeben, daß er durch die Katholische Kirche betreut werde. Eine solche Betreuung reiche aber nach Ansicht der belangten Behörde für die Erbringung des Nachweises der Mittel zum Unterhalt nicht aus.

Der am 20. November 1995 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit Bescheid vom 24. November 1995 gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen worden. Nach dieser Bestimmung könne einem Asylantrag nur dann stattgegeben werden, wenn es sich beim Asylwerber um einen Flüchtling handle und der Tatbestand der direkten Einreise vorliege. Das Bundesasylamt habe weder die Flüchtlingseigenschaft noch den Tatbestand der direkten Einreise bejaht. Da der Antrag auf Gewährung von Asyl abgewiesen worden sei und dem Beschwerdeführer auch keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukomme, seien die fremdengesetzlichen Bestimmungen anwendbar. Die in den genannten Bestimmungen normierten Tatbestände seien erfüllt, sodaß die Ausweisung zu erlassen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde bleibt die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung, daß der Beschwerdeführer ohne das erforderliche Reisedokument und die erforderliche Aufenthaltsberechtigung in das Bundesgebiet eingereist ist und am 20. November 1995 einen Behördenkontakt hatte, unbestritten. Auf dem Boden dieser Sachverhaltsannahme ist der von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG unbedenklich.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß er als Flüchtling und Asylwerber im Sinne des § 6 Asylgesetz 1991 eingereist sei und daher seine Einreise nicht illegal im Sinne des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG sei. Hätte die belangte Behörde die genauen Umstände der Einreise erhoben, hätte festgestellt werden müssen, daß der Beschwerdeführer Asylwerber sei und gemäß § 7 Asylgesetz 1991 zum vorläufigen Aufenthalt bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens berechtigt sei. Die belangte Behörde hätte laut Vorbringen des Beschwerdeführers im Sinne des § 38 AVG das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen so auszuüben gehabt, daß das Verfahren zu unterbrechen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer führt aus, daß seine Asylanteneigenschaft zweifellos eine Vorfrage für seine Ausweisung bilde, da für die Entscheidung der belangten Behörde die Beantwortung dieser Rechtsfrage eine unabdingbare und bindend vom Bundesasylamt zu entscheidende sei. Die belangte Behörde habe dieses Ermessen nicht gemäß den in § 39 Abs. 2 AVG beschriebenen Zielen ausgeübt, sondern vielmehr unter Außerachtlassung der Tatsache, daß in einem hiezu vorgesehenen Asylverfahren die notwendigen Beweiserhebungen gepflogen werden, ihm ohne jegliches Verfahren kurzerhand die Flüchtlingseigenschaft aberkannt. Es gebe keinerlei Anhaltspunkt dafür, weshalb eine derartige Entscheidung im Sinne von Raschheit, Einfachheit oder Kostenersparnis geboten hätte sein können, insbesondere, wenn man bedenke, daß das gegenständliche Verfahren faktisch länger als das ihn betreffende Asylverfahren dauerte. Im Sinne einer einheitlichen und richtigen Entscheidung wäre eine Unterbrechung jedenfalls geboten gewesen. Zumindest wären für eine ordnungsgemäße Beantwortung dieser Vorfrage minimale diesbezügliche Erhebungen notwendig gewesen, die von der belangten Behörde jedoch nicht durchgeführt worden seien. Dieses Vorgehen der belangten Behörde sei "verfahrenswidrig", weshalb der bekämpfte Bescheid schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit behaftet sei.

Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit aufzeigen. Er übersieht, daß gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Bestimmungen des § 17 FrG auf ihn anwendbar sind, wenn ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 94/18/0346). Die Auffassung im angefochtenen Bescheid, daß dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt, ist unbedenklich: Nach den unbestrittenen Feststellungen gelangte der Beschwerdeführer weder "direkt" aus einem Gebiet, wo sein Leben oder seine Freiheit im Sinne des Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention bedroht war (Art. 31 Z. 1 der Konvention), noch "direkt" aus dem Staat, in dem er behauptete, insoweit Verfolgung befürchten zu müssen (§ 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991), nach Österreich; ferner ist der Beschwerde und dem Akteninhalt kein Anhaltspunkt für die Annahme zu entnehmen, der Beschwerdeführer hätte gemäß § 37 FrG wegen Vorliegens der dort genannten Gründe nicht in den Staat, aus dem er direkt einreiste (Ungarn), zurückgewiesen werden dürfen, und es wäre ihm die Einreise gestattet worden oder zu gestatten gewesen (§ 6 Abs. 2 zweiter Fall Asylgesetz 1991). Der fristgerechte Asylantrag konnte daher dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verschaffen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0599).

Im Hinblick darauf, daß den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten ein hoher Stellenwert zukommt, handelt es sich bei der unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne Reisedokument erfolgten Einreise des Beschwerdeführers nicht um eine bloß geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, weshalb die verfügte Ausweisung nicht als rechtswidrig zu erkennen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 1996, Zlen. 96/21/0341 bis 0343).

Im Falle einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 FrG ist - anders als im Falle einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 FrG - § 19 leg. cit. nicht anzuwenden und kommt die darin normierte Bedachtnahme auf das Privat- und Familienleben im Hinblick darauf nicht zum Tragen, daß die Ausweisung schon vom Tatbestand der Bestimmung her innerhalb kurzer Frist nach der Einreise erfolgt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/21/1208, und vom 21. Februar 1996, Zl. 96/21/0008).

Konnte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid zutreffend auf § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG stützen, so kann es dahingestellt bleiben, ob auch der weitere von der belangten Behörde herangezogene Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG erfüllt ist. Deshalb war auf die vom Beschwerdeführer zu diesem Ausweisungstatbestand gemachten Ausführungen nicht näher einzugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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