Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnF;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnF;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, kam am 4. Jänner 1995 am Flughafen Wien-Schwechat an und erklärte bei seiner polizeilichen Erstbefragung am selben Tag, einen Asylantrag stellen zu wollen.
Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 9. Jänner 1995 beschrieb er seine Fluchtgründe vor dem Bundesasylamt wie folgt:
"Ich bin iran. Staatsbürger, moslem. Religion, seit 4.7.1991 verheiratet und habe ein Kind.
Mir wurde das Merkblatt ausgefolgt. Ich habe es soeben gelesen und verstanden.
Ich habe mich nie politisch engagiert und war nie Mitglied einer bewaffneten Gruppierung. Ich bin nicht vorbestraft, werde jedoch zur Zeit wegen meiner Beschwerde über Produktionsmängel bei der Medikamentenherstellung von den heimatl. Behörden gesucht.
Allein aus diesem Grund habe ich meine Heimat verlassen.
Vor ca. 1 1/2 Jahren wurde die Fabrik, in der ich beschäftigt war, zum Teil von der M-Bank übernommen. Bis zu diesem Tag kam es zu keinen Problemen. Wenn Probleme aufkamen, konnte ich diese problemlos mit meinem Vorgesetzten und mit dem Gesundheitsamt bereinigen.
Gegen 8.10.1994 begannen die ersten Probleme. Ich stellte bei der Produktion von Ampullen für Herzkranke fest, daß Bakterien u. Partikel vorhanden waren, die für die menschliche Gesundheit schädlich sind. Ich stellte daher sofort die Produktion ein. Daraufhin wurde ich vom Fabriksdirektor Dr. K ermahnt und befragt, weshalb ich den Betrieb eingestellt habe. Er sagte nur, daß ich mich darum nicht zu kümmern habe. Dann mußte ich zum Generaldirektor Dr. G. Ich erklärte, daß ich es als Labortechniker nicht verantworten kann, daß unser aller Gesundheit gefährdet wird. Ich sagte zum Generaldirektor, daß er mit Ayatollah M, dem Geistlichen, der für die Medikamentenproduktion in Persien zuständig ist, zusammenarbeiten würde. Ich warf ihm vor, selbst korrupt zu sein und sich den Führern verkauft hat, anstatt auf die Gesundheit der Menschen zu achten. Danach wurde ich von der Fabrikswache festgenommen und 30 Minuten angehalten, bis ich von den Revolutionswächtern abgeholt und zum Revolutionskomitee Zanjan gebracht wurde. Zuerst wurde ich mit Schwerverbrechern in einer Zelle festgehalten und danach durch Zivilisten verhört. Ich blieb bis zum Abend, bis 24.00 Uhr dort.
Man warf mir vor, die Würdenträger der islam. Republik beleidigt und beim Generaldirektor verschiedene Namen genannt und auf Korruption aufmerksam gemacht zu haben. Ich wurde dabei geohrfeigt. Meine Brille wurde mir zerbrochen. Nach Ermahnungen, derartiges in Zukunft zu unterlassen, wurde ich freigelassen.
Als ich am nächsten Morgen beim Arbeitsplatz erschien, wurde ich von der islam. Kommission der Fabrik in bezug auf diesen Vorfall befragt und mir wurde abermals empfohlen, mich nur um meine Tierversuche zu kümmern.
Die Mißstände waren auch für ein paar andere Kollegen klar, wir haben deshalb gemeinsam einen Flugzettel verfaßt, in dem wir auf die Mißstände bei der Medikamentenproduktion in unserer Fabrik hingewiesen haben. Wir haben dabei direkt die Namen der Direktoren und von Ayatollah genannt, die für die Zustände verantwortlich sind. Außerdem behaupteten wir darin, daß die Regierung darüber in Kenntnis ist. Dr. M, der Gesundheitsbeauftragte des Gesundheitsministeriums, war nämlich immer in unserer Fabrik anwesend.
Ich selbst habe die Flugzettel in der Fabrik, vor allem in der Garderobe geheim verteilt. Bei uns sind ca. 500 Personen beschäftigt.
Dann wurde ich wieder vor die islam. Kommission zitiert. Sie erklärten mir, daß sie wissen, daß ich die Flugzettel verteilt habe und unterstellten mir, daß ich für das Ausland arbeite, damit die anderen Staaten ihre Medikamente in den Iran liefern können. Nachdem ich alles bestritten habe, ließen sie mich gehen. Die anderen mit mir solidarischen Kollegen haben die Flugzettel außerhalb der Fabrik verteilt. Außer mir wurde nur einer zur Kommission geholt.
Ca. 3 Wochen später, am 26.11.1994, stellte ich wegen desselben Fehlers abermals die Produktion ein. Dabei haben mir etwa 19 Personen geholfen. Wir gingen gemeinsam zum Gesundheitsbeauftragten. Da dieser nicht anzutreffen war, marschierten wir zum Generaldirektor, der abermals sagte, daß wir nicht kompetent sind, die Anlage ruhigzustellen. Wir gingen dann in den Hof, wo etwa 5 von uns wieder von der Fabrikspolizei geholt wurden. Anschließend wurde ich mit den fünf anderen wieder zum Revolutionskomitee gebracht.
Dort wurde ich wieder die ganze Nacht angehalten. Man warf mir vor, daß ich gegen das Regime agiere. Ich wurde wieder geohrfeigt. Man warf mir außerdem vor, daß ich den Mund halten soll oder man würde ihn mir mit der Faust stopfen. Das bedeutet bei uns, daß man zu Tode verprügelt wird. Ich wurde sowohl von einem Geistlichen und von einem Zivilisten verhört. In dieser Nacht haben auch meine Verwandten von meiner Anhaltung gehört. Durch die Beziehungen, durch einen bekannten Gerichtsbeamten, wurde ich schließlich auf freien Fuß gesetzt. Ich mußte mich schriftlich verpflichten, daß ich mich jederzeit auf Verlangen des Komitees zur Verfügung stelle.
Als ich am 28.11.1994 wieder bei der Arbeit erschien, wurde ich von der islam. Kommission wieder befragt. Man warf mir noch einmal alles vor. Gleichzeitig hieß es, daß mein Vergehen mit einer 2-jährigen Haftstrafe behaftet sei. Ich wurde für diese Zeit suspendiert und sollte zu Hause auf meine Gerichtsladung warten. Man ist automatisch gekündigt, wenn man gegen eine Suspendierung keinen Einspruch einbringt. Ich habe dies unterlassen, weil ich Angst hatte, mir noch mehr Probleme zu schaffen. Ich wollte abwarten. Solche Beschwerden werden ohnehin nicht bearbeitet werden.
Die Ladung zur Gerichtsverhandlung habe ich aus Angst nicht mehr abgewartet. Der Gerichtsbeamte hat nämlich gesagt, daß ich mindestens zwei Jahre ins Gefängnis muß, weil ich viele Leute beleidigt habe.
Man wird in Persien in einem solchen Fall sofort als politischer Gefangener abgestempelt und hat als solcher mit Verfolgungen zu rechnen. Jeder von uns kann den Bogen nur bis zu einem gewissen Grad spannen. Wäre ich länger geblieben, wäre mein Leben gefährdet gewesen. Während einer 2-jährigen Haft hätte ich mit erschwerten Bedingungen rechnen müssen. Ich weiß auch nicht, ob ich überhaupt nach 2 Jahren freigekommen wäre.
Sollte sich das ganze System in Persien ändern, bin ich bereit zurückzukehren. Da ich sonst nirgendwo hingehen kann, möchte ich in Österreich einreisen und hier bleiben.
Ich hatte meinen Reisepaß mitgenommen, aber der Schlepper hat ihn mir abgenommen. Ansonsten habe ich keinerlei Dokumente mitgenommen. Der Paß wurde etwa im August oder September 1994 legal ausgestellt.
Auf Befragen, ob ich meinem Vorbringen zum Asylantrag noch etwas hinzufügen möchte, gebe ich an:
Ich hatte Angst um mein Leben und um das meiner Familie. Aus diesem Grund habe ich die Heimat verlassen. Sonst habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
Als ich später noch mit meinen Kollegen aus der Fabrik gesprochen habe, habe ich erfahren, daß mein Name bei der islam. Kommission immer wieder erwähnt wird. Man soll über mich sagen, daß ich noch immer die Leute beleidige und Mißstände aufzeige. Außerdem wurde ich zweimal angeklagt, einmal von der islam. Kommission und einmal von der Fabriksdirektion.
Man sagte auch, daß ich nicht nur antirevolutionär, sondern auch anti-islam. eingestellt bin. Bei der islam. Kommission warf man mir auch vor, daß ich für die islam. Republik nicht brauchbar und ein Verräter sei.
Ich vertraue auf die Richtigkeit der Übersetzung und habe den Dolmetsch einwandfrei verstanden. Dies bestätige ich auch mit meiner Unterschrift.
Ende der Niederschrift am 09.01.1995 um 10.30 Uhr.
Mir wurde der Inhalt der Niederschrift vom Dolmetsch zur Kenntnis gebracht und ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen."
Mit Bescheid vom 9. Jänner 1995 wies das Bundesasylamt den Antrag ab. Es stellte seiner Entscheidungsbegründung eine Darstellung dessen voraus, was der Beschwerdeführer - abgesehen von der Darstellung seines Fluchtweges und der Reaktion auf den Vorhalt der Verfolgungssicherheit in Italien - "im wesentlichen" behauptet habe:
"Sie seien iranischer Staatsbürger, moslemischen Glaubensbekenntnisses, verheiratet und Vater eines Kindes. Sie hätten sich nie politisch engagiert, wären niemals Mitglied einer bewaffneten Gruppierung gewesen und seien auch nicht vorbestraft.
Sie hätten auf Ihrer heimatlichen Arbeitsstätte wegen einer Beschwerde über Produktionsmängel bei der Medikamentenherstellung Schwierigkeiten bekommen und würden nun von den Behörden Ihres Landes gesucht werden.
Allein aus diesem Grunde hätten Sie die Heimat verlassen.
Bis vor 1 1/2 Jahren hätte es auf Ihrem Arbeitsplatz überhaupt keine Probleme gegeben. An anderer Stelle Ihrer Niederschrift legen Sie den Beginn der Schwierigkeiten mit 08.10.1994 fest. Sie seien in der Produktion von Ampullen für Herzkranke beteiligt gewesen. Sie hätten bei Ihrer Arbeit Bakterien und Partikel festgestellt, die für die Gesundheit schädlich seien. Sie hätten daher von sich aus sofort die Produktion eingestellt.
Die Folge davon sei gewesen, daß sie mit der Betriebsleitung Schwierigkeiten bekommen hätten. Sie hätten den Betriebsherren unter anderem Korruption vorgeworfen. Daraufhin seien Sie von der Fabrikswache für 30 Minuten festgenommen und schließlich zum Revolutionskomitee Zanjan gebracht worden. Man habe Sie dort verhört und gegen 24.00 Uhr dieses Tages wieder auf freien Fuß gesetzt. Man habe Ihnen aber vorgeworfen, die Würdenträger der islamischen Republik beleidigt zu haben. Im Zuge des Verhörs sei Ihnen eine Ohrfeige verabreicht worden.
Mit Gesinnungsgenossen hätten Sie dann Flugzettel mit Beschwerdeinhalten in der Fabrik geheim in Verteilung gebracht. Die Folge davon sei gewesen, daß man Sie wieder vor die islamische Kommission zitiert habe. Nach einem entsprechenden Verhör hätte man Sie wieder gehen lassen.
Am 26.11.1994 hätten Sie dieselben Produktionsmängel wieder festgestellt. Sie seien daher mit einer größeren Delegation von Mitarbeitern zum Gesundheitsbeauftragten bzw. zum Generaldirektor begangen. Fünf von ihnen seien schließlich von der Fabrikspolizei wieder angehalten und zum Revolutionskomitee gebracht worden. Dort hätte man sie die ganze Nacht über angehalten. Man habe Sie geohrfeigt und Ihnen Agitation gegen das Regime vorgeworfen. Man habe Ihnen für den Fall, daß Sie den Mund nicht halten würden gedroht, Ihnen diesen ansonsten zu stopfen.
Sie würden daraus schließen, daß man Sie zu Tode prügeln werde. Durch Beziehungen zu einem Gerichtsbeamten seien Sie schließlich wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Am 28.11.1994 seien Sie wieder zur Arbeit erschienen. Sie seien neuerlich von der islamischen Kommission befragt worden. Man habe Ihnen die bekannten Dinge wieder vorgeworfen. Man hätte Ihnen mitgeteilt, daß Sie für Ihre Vergehen mit einer zweijährigen Haftstrafe zu rechnen hätten. Sie seien suspendiert und dazu aufgefordert worden, zu Hause die Gerichtsladung abzuwarten. Sie hätten keinen Einspruch gegen die Suspendierung erhoben. Die Suspendierung hätte daher die Wirkung einer automatischen Kündigung. Sie hätten auch die Ladung zur Gerichtsverhandlung nicht mehr abgewartet. Wären Sie länger im Lande geblieben, wäre Ihr Leben in Gefahr gewesen. Während der Haft hätten Sie mit erschwerten Bedingungen rechnen müssen. Sie wüßten nicht, ob Sie überhaupt nach zwei Jahren freigekommen wären.
Sie hätten Angst um Ihr Leben und das Leben Ihrer Familie. Sollte sich das System in Persien ändern, wären Sie wieder zur Rückkehr dorthin bereit. Weil Sie sonst nirgendwohin gehen könnten, würden Sie in Österreich einreisen und hier bleiben wollen."
In seinen Feststellungen folgte das Bundesasylamt den Angaben des Beschwerdeführers nicht. Es traf amtswegige Feststellungen über die allgemeine Lage im Iran, die u.a. durch "schärfste Repressionen" gegenüber "jedweder Opposition" und durch "willkürliche Verhaftungen, Folter und Hinrichtungen Oppositioneller" gekennzeichnet sei, stellte zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers aber nur fest, daß er "wegen selbständig durchgeführter Produktionseinstellungen ... in Schwierigkeiten" geraten und suspendiert worden sei und seinen "eigenen Angaben zufolge eine Ladung zu Gericht zu erwarten gehabt" habe. Er "behaupte" deswegen "Verfolgung durch den iranischen Staat". Diese Behauptung des Beschwerdeführers erachtete das Bundesasylamt - auf der Grundlage der Einschätzung, die "Kündigung oder Entlassung" habe wegen des "betriebsstörenden Verhaltens" einen "doch akzeptablen und nachvollziehbaren Hintergrund" gehabt - ohne Auseinandersetzung mit ihrem konkreten Inhalt ("Ihre Verfolgungsbehauptung") als unglaubwürdig. Es sprach dem Beschwerdeführer daher die Flüchtlingseigenschaft ab, stützte die Entscheidung aber auch darauf, daß der Beschwerdeführer wegen eines "zweistündigen Transitaufenthaltes" am Flughafen in Rom schon in Italien vor Verfolgung sicher gewesen sei.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und beantragte weiters, festzustellen und ihm zu bescheinigen, daß er gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.
Mit Bescheid vom 1. Februar 1995 wies das Bundesasylamt den Antrag auf Feststellung und Bescheinigung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung ab. Auch diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen gegen den Bescheid vom 9. Jänner 1995 (Spruchpunkt 1.) und den Bescheid vom 1. Februar 1995 (Spruchpunkt 2.) ab. Begründend führte sie zunächst aus:
"Die von Ihnen bei der niederschriftlichen Vernehmung getätigten Aussagen wurden im Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 9.1.1995, Zl. 9500.103-BAT, richtig und vollständig wiedergegebenen, sodaß der diesbezügliche Teil des nunmehr von Ihnen bekämpften erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides des Bundesministeriums für Inneres erhoben wird."
Nach einer Darstellung des Verfahrensganges, des Vorbringens des Beschwerdeführers in seinen beiden Berufungen und der rechtlichen Voraussetzungen für eine Asylgewährung stellte die belangte Behörde weiters fest, das Ermittlungsverfahren habe nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer Flüchtling sei. Sie begründete dies, abgesehen von allgemein gehaltenen Rechtsausführungen, wie folgt:
"Im Rahmen der Beweiswürdigung hat sich die erkennende Behörde von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Zu der von Ihnen in der Begründung des Berufungsantrages vom 23.01.1995 behaupteten Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wegen Verletzung des § 16 Absatz 1 Asylgesetz 1991 ist festzuhalten, daß eine diesbezügliche "Manuduktion" (siehe dazu auch § 13a AVG 1991 in Verbindung mit § 11 Asylgesetz 1991) sich jedenfalls nur auf der formelle procedere beziehen kann und im Sinne der ratio legis jedenfalls nicht die materielle Anleitung für die Partei zur Erreichung des von ihr gewünschten Verfahrensausganges inkludieren kann. Diesbezüglich ist auch auf die von Ihnen angesprochene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.
Im Zuge Ihrer niederschriftlichen Befragung erklärten Sie, daß Sie wegen Ihrer Beschwerde über Produktionsmängel bei der Medikamentenherstellung von den iranischen Behörden gesucht würden und dies der Grund für Ihre "Flucht" gewesen sei. So hätten Sie als Labortechniker im Oktober 1994 die Produktion von Ampullen für Herzkranke eingestellt, da Sie festgestellt hätten, daß diese für die menschliche Gesundheit schädlich seien. Aufgrund dieses Vorfalles und Ihrer Äußerungen seien Sie von der Fabrikswache festgenommen und danach zum Revolutionskomitee Zanjan gebracht worden, wo Sie bis zum Abend verblieben und von Zivilisten verhört worden seien. Sie seien auch mißhandelt worden und nach Ermahnung derartiges in Hinkunft zu unterlassen, seien Sie freigelassen worden. In der Folge seien Sie an Ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt und hätten Flugzettel verteilt, weshalb Sie neuerlich vor die islamische Kommission zitiert worden seien. Da Sie alles abgestritten hätten, hätten Sie auch wieder anstandslos arbeiten können. Ca. drei Wochen später hätten Sie erneut wegen desselben Fehlers die Produktion eingestellt. Sie und etwa 19 weitere Personen seien beim Generaldirektor vorstellig geworden, der Ihnen erklärt hätte, daß Sie nicht kompetent seien, die Anlage abzustellen. Von der Fabrikspolizei seien Sie erneut mit fünf anderen Personen zum Revolutionskomitee gebracht worden, wo Sie die Nacht verbracht hätten. Sie seien erneut abgemahnt und auch geohrfeigt worden. Durch Beziehungen bzw. Ihrer schriftlichen Verzichtserklärung, daß Sie jederzeit dem Komitee zur Verfügung stehen würden, seien Sie freigelassen worden.
Am 28.11.1994 seien Sie an Ihrem Arbeitsplatz wieder von der islamischen Kommission befragt worden. Gleichzeitig sei Ihnen vorgeworfen worden, daß Ihr Vergehen mit einer zweijährigen Haftstrafe behaftet sei. Sie seien vom Dienst suspendiert worden und hätten zu Hause auf Ihre Gerichtsladung warten sollen. Da Sie gegen die Suspendierung keinen Einspruch erhoben hätten, seien Sie automatisch gekündigt worden. Die Ladung zur Gerichtsverhandlung hätten Sie aus Angst nicht mehr abgewartet.
Von der erkennenden Behörde wird hiezu ausgeführt:
Trotz Ihrer Eigeninitiative in bezug auf die Einstellung der Produktion wurden Sie vorerst lediglich abgemahnt und Ihnen die Möglichkeit zur Weiterarbeit geboten. Unabhängig von Ihrer fachlichen Qualifikation - so wurde Ihnen vom Generaldirektor erklärt, daß Sie nicht kompetent seien, die Anlage abzustellen - mußte Ihnen bewußt sein, daß Ihre Handlungsweise gewisse Konsequenzen nach sich ziehen würde. Ihrem Versuch, Ihrer Entlassung eine politische Ummantelung und somit einen Asylgrund zu geben, wird entgegengehalten, daß Sie einerseits niederschriftlich erklärten, vorerst lediglich dienstfreigestellt worden zu sein und erst nachdem Sie gegen ihre Suspendierung keinen Einspruch erhoben hätten, automatisch gekündigt worden seien; andererseits wird Ihnen entgegengehalten, daß keine dieser Maßnahmen (Einstellung der Produktion, Verteilung von Flugblättern) auch wenn sie aus politischen Gründen erfolgt wäre - die Sie jedoch selbst insoferne ausgeschlossen haben, indem Sie erklärten, sich nie politisch engagiert zu haben - geeignet ist, als Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention qualifiziert zu werden.
Betreffend Ihrer kurzfristigen Anhaltungen ist anzumerken, daß Sie nach jeweils kurzen Befragungen unverzüglich wieder auf freien Fuß gesetzt worden sind.
In diesem Zusammenhang können nur solche Maßnahmen des Staates bzw. der ihm zurechenbaren Organe als Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention angesehen werden, die aus einem der dort genannten Gründe erfolgen und ein bestimmtes Ausmaß an Intensität und Qualität überschreiten. Die von Ihnen geschilderten Ereignisse können diesen Ansprüchen sicher nicht gerecht werden."
Weiters führte die belangte Behörde aus, die in der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 9. Jänner 1995 beantragte ergänzende Einvernahme sei nicht durchzuführen gewesen, weil das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers nicht mangelhaft gewesen und auch sonst kein Fall des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 gegeben sei, und auf die Ausführungen und Verfahrensrügen hinsichtlich der vom Bundesasylamt noch angenommenen Verfolgungssicherheit in Italien sei nicht einzugehen, weil der Beschwerdeführer nicht Flüchtling und die Asylgewährung schon deshalb ausgeschlossen sei.
Die Abweisung der Berufung gegen den Bescheid vom 1. Februar 1995 (Spruchpunkt 2) stützte die belangte Behörde nur darauf, daß das Asylverfahren mit der Zustellung des angefochtenen Bescheides rechtskräftig beendet worden sei (gemeint: beendet werde).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, daß und weshalb die belangte Behörde davon ausgegangen sein sollte, der Beschwerdeführer hätte einen Teil dessen, was in der Niederschrift vom 9. Jänner 1995 festgehalten wurde, nicht gesagt. Die belangte Behörde stützt ihren Bescheid jedoch auf eine Darstellung dieses Vorbringens, die im Gegensatz zur diesbezüglichen Behauptung im angefochtenen Bescheid nicht "vollständig" ist. Die Darstellung im erstinstanzlichen Bescheid, auf die die belangte Behörde verweist, ist einerseits detailliert gehalten und lehnt sich an die Formulierungen des Beschwerdeführers an, weshalb sie nicht nur als Zusammenfassung des Vorbringens unter stillschweigender Verweisung auf dessen ungekürzten Inhalt zu verstehen ist. Andererseits ist sie aber - abgesehen von Verharmlosungen im Detail ("EINE Ohrfeige verabreicht" statt "geohrfeigt" usw.) - überall dort von inhaltlicher Unschärfe geprägt, wo in der Niederschrift vom 9. Jänner 1995 eine Beziehung zwischen den Problemen des Beschwerdeführers an seinem Arbeitsplatz und der geistlichen Obrigkeit im Iran hergestellt wird (keine Erwähnung des von den Korruptionsvorwürfen des Beschwerdeführers mitbetroffenen, seinen Angaben nach "für die Medikamentenproduktion in Persien zuständigen" Ayatollahs und des Verhörs des Beschwerdeführers durch einen Geistlichen), und wo im Vorbringen des Beschwerdeführers davon die Rede ist, daß sich seine Vorwürfe auch gegen die Regierung gerichtet hätten (Inhalt der vom Beschwerdeführer zusammen mit Kollegen verteilten Flugblätter) und ihm als politische Opposition und Verrat ausgelegt worden seien. In der zuletzt genannten Hinsicht wird zwar an einer Stelle die Behauptung wiedergegeben, dem Beschwerdeführer sei "Agitation gegen das Regime vorgeworfen" worden. Nicht wiedergegeben sind aber die nach den Behauptungen des Beschwerdeführers gegen ihn erhobenen Vorwürfe, daß er "für das Ausland arbeite" und "einen Aufstand provoziert habe", die Behauptung, man werde im Iran "in einem solchen Fall sofort als politischer Gefangener abgestempelt" und verfolgt, und der ganze letzte Absatz des Vorbringens, worin der Beschwerdeführer angibt, man habe gesagt, er sei "nicht nur antirevolutionär, sondern auch anti-islamisch eingestellt", und es sei ihm vorgeworfen worden, daß er "für die islamische Republik nicht brauchbar und ein Verräter sei".
Dieser schon verkürzten Darstellung, auf die sie zunächst verweist, hat die belangte Behörde noch ihre eigene Wiedergabe dessen zur Seite gestellt, was der Beschwerdeführer im Zuge seiner niederschriftlichen Befragung "erklärt" habe. In dieser Wiedergabe des Vorbringens durch die belangte Behörde selbst kommen zwar noch Verhöre beim "Revolutionskomitee" und durch die "islamische Kommission" am Arbeitsplatz des Beschwerdeführers vor, der Gegenstand dieser Verhöre und des "Vergehens" des Beschwerdeführers wird aber so dargestellt, als hätte es sich seinen Behauptungen nach nur um eine Auseinandersetzung um medizinische Fachfragen und berufliche Kompetenzen gehandelt.
Unter dem Gesichtspunkt des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sind im Vorbringen des Beschwerdeführers aber gerade diejenigen Teile von Relevanz, die einen Zusammenhang zwischen den vom Beschwerdeführer - seinen Angaben zufolge - festgestellten Produktionsmängeln und den politischen Verhältnissen im Iran herstellen und aus denen sich ergibt, daß das zunächst nur fachlich motivierte Vorgehen des Beschwerdeführers in weiterer Folge mit Korruptionsvorwürfen gegenüber der politischen und religiösen Obrigkeit seines Heimatstaates verbunden gewesen und auch als politisch subversives Verhalten geahndet worden sein soll. Mit ihrer selektiven Verkürzung des Vorbringens, der diese Aspekte nicht erst auf der Ebene der argumentativen Auseinandersetzung, sondern schon bei der Darstellung der zur Begründung des Asylantrages behaupteten Tatsachen zum Opfer fielen, hat die belangte Behörde der rechtlichen Relevanz dieser Teile des Vorbringens nicht Rechnung getragen. Dies belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weil es erkennbar nicht bloß auf unzureichender Kenntnis des aktenkundigen Vorbringens oder vereinzelten Flüchtigkeiten bei dessen Wiedergabe, sondern auf materiell-rechtlich falschen Vorstellungen davon beruht, worauf es im Vorbringen des Beschwerdeführers ankommt.
Nichts anderes gilt auch für die rechtliche Würdigung dessen, was die belangte Behörde als Vorbringen des Beschwerdeführers wiedergibt. Hier wird darauf abgestellt, er sei "vorerst lediglich abgemahnt" und es sei ihm die "Möglichkeit zur Weiterarbeit geboten" worden. Dieser Hinweis auf die nach Ansicht der belangten Behörde zunächst milde Behandlung des Beschwerdeführers ist angesichts der von ihm beschriebenen Verhöre und Mißhandlungen und der ihm nach seinen Angaben schließlich drohenden Gefängnisstrafe unter dem Gesichtspunkt der Intensität der vom Beschwerdeführer zu befürchtenden Verfolgung nicht von Bedeutung. Er dient der Untermauerung des im folgenden Satz ausgeführten Arguments, dem Beschwerdeführer habe "bewußt sein" müssen, daß seine "Handlungsweise gewisse Konsequenzen nach sich ziehen würde". Derartige Überlegungen sind im Asylverfahren nicht anzustellen, weil es - abgesehen von den Fällen des Art. I Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention und der Beurteilung von Nachfluchtgründen im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 2
Asylgesetz 1991 - nicht darauf ankommt, ob der Asylwerber die ihm drohende Verfolgung selbst verschuldet hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1996, Zl. 95/20/0151, mwN). Auch die Ansicht, der Voraussehbarkeit von "Konsequenzen" käme in dem von der belangten Behörde gemeinten Sinn Bedeutung zu, belastet den angefochtenen Bescheid daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die weiteren Ausführungen der belangten Behörde zum "Versuch" des Beschwerdeführers, seiner "Entlassung eine politische Ummantelung und somit einen Asylgrund zu geben", führen erneut ins Treffen, der Beschwerdeführer sei "vorerst lediglich dienstfrei gestellt" und erst dadurch, daß er gegen seine Suspendierung keinen Einspruch erhoben habe, "automatisch gekündigt" worden. Damit setzt sich die belangte Behörde über das - schon im erstinstanzlichen Bescheid nicht mehr wiedergegebene - Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe eine Anfechtung seiner Suspendierung unterlassen, weil er "Angst" gehabt habe, sich "noch mehr Probleme zu schaffen", und weil "solche Beschwerden ohnehin nicht bearbeitet" würden, mit Stillschweigen hinweg. Sie läßt aber vor allem außer acht, daß der Beschwerdeführer nicht den Verlust seines Arbeitsplatzes, sondern die ihm seinen Behauptungen nach drohende Gefängnisstrafe als Fluchtgrund beschrieben hat, und geht daher auch in diesem Punkt nicht auf die rechtlich wesentlichen Elemente des Sachverhalts ein.
Schließlich setzt sich die belangte Behörde noch mit der Frage auseinander, ob die vom Beschwerdeführer gesetzten "Maßnahmen (Einstellungen der Produktion, Verteilung von Flugblättern)" geeignet seien, als (gemeint wohl: geeigneter Grund für eine) "Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention qualifiziert zu werden". Die belangte Behörde führt dazu aus, der Beschwerdeführer habe politische Gründe "insofern ausgeschlossen ..., indem" er erklärt habe, "sich nie politisch engagiert zu haben", und fügt ohne weitere Begründung hinzu, den "Maßnahmen" würde die erwähnte Eignung aber auch dann nicht zukommen, wenn sie aus politischen Gründen gesetzt worden wären.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß es sich bei den vom Beschwerdeführer behaupteten Verhaltensweisen - unabhängig von der Selbsteinschätzung des Beschwerdeführers als "politisch" oder "unpolitisch" - in dem Maße, in dem seine Aktivitäten der Bekämpfung der Korruption und dem Hinweis auf die Verantwortlichkeit von Regierungsstellen gedient haben sollen, im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 um politische handelt, und daß sie nach demjenigen Teil des Vorbringens, den die belangte Behörde für so unerheblich hielt, daß sie ihn nicht wiedergab, vom Heimatstaat des Beschwerdeführers auch unter diesem Gesichtspunkt (und als "anti-islamisch") geahndet wurden. Die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde entspricht daher nicht dem Gesetz.
Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides gründet sich in seiner Begründung nur auf Spruchpunkt 1. und teilt daher dessen Schicksal.
Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG war der angefochtene Bescheid daher zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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