Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnF;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnF;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, reiste am 23. Februar 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 28. Februar 1992 Asyl.
Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 1. März 1992 gab er an, er sei vom 1. Jänner 1980 bis zum 15. Jänner 1990 Soldat gewesen. Seine Fluchtgründe beschrieb er wie folgt:
"Ich gehöre im Irak der christlichen Minderheit an. Wir werden vom Regime verfolgt. Es ist nicht möglich unsere Religion frei auszuüben. Als Christ wurde man im Krieg an die vorderste Front geschickt, was den sicheren Tod bedeutete. Das ist das Ziel des Diktators Saddam Hussein. Saddam ist ein Diktator. Als Christ ist es mir im Irak nicht möglich eine Schule frei zu besuchen. Man kann nicht auf eine Universität. Man hat nur Schwierigkeiten, d.h. sollte man zugelassen werden, mit seinen Lehrern. Während des Krieges mit dem Iran habe ich viele Verwandte verloren. 1990, im August, hat man von mir verlangt, daß ich wieder in die Armee einrücke. Ich leistete diesem Befehl keine Folge. Bekannte von mir wurden in dieser Zeit nach Kuwait entsandt. Ich flüchtete in den Nordirak und versteckte mich dort bei den aufständischen Kurden und Christen. Ich war in Diyana, Suleimanya, Dohuk und Zacho. Dort nahm ich im März 1991 an Demonstrationen teil. Weiters verteilte ich Flugblätter gegen Saddam. Ich verbrannte auch öffentlich Flugblätter von Saddam. Dort wurde ich von der Geheimpolizei beobachtet. Das weiß ich aus dem Grund, da mir Leute sagten, daß dies Geheimpolizisten seien. Diese hatten mich beobachtet. Nach der Niederlage des Irak in Kuwait konnte Saddam die restliche Armee gegen die Aufständischen im Nordirak senden. Diese Truppen haben Dörfer und Städte vernichtet. Da die Lage für uns aussichtslos war, flüchtete ich nach Syrien. Bei der Flucht wurde ich durch einen Splitter einer Bombe am rechten Arm verletzt. Ich kann in meiner Lage auf keinen Fall in den Irak zurück, da mich auf Grund meiner Verweigerung des Einberufungsbefehles, sowie auch auf Grund meiner Teilnahme an den Demonstrationen die Todesstrafe erwarten würde. Ich war nie Mitglied einer Partei. Ich wurde auch deshalb nie verfolgt. Ich war lediglich Sympatisant. Auch war ich wegen meiner politischen Überzeugung in Haft, bzw. wurde ich im Feber 1990 auf Verdacht auf meine Zugehörigkeit zur Aschori-Partei ca. 3 Wochen inhaftiert. Dort wollte man mit zwingen der El BAAS Partei beizutreten. Ich wurde anschließend frei gelassen."
Im April 1991 habe er den Irak verlassen.
Mit Bescheid vom 30. März 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling. Die formularmäßige Begründung enthielt keine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer erhob im April 1992 Berufung. In Ergänzung der Berufung legte er im Oktober 1992 Urkunden über die Übernahme militärischer Ausrüstungsgegenstände im Februar 1989 und im Oktober 1993 die Kopie eines mit 23. September 1991 datierten Haftbefehls des irakischen Militärgeheimdienstes, Gebiet Nord, vor, worin seine Verhaftung angeordnet wurde, weil er als Reservist nicht zum Militärdienst erschienen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde bezweifelt in tatsächlicher Hinsicht nicht, daß der Beschwerdeführer seiner neuerlichen Einberufung zum irakischen Militär im August 1990 (dem Monat, in dem die irakischen Truppen Kuwait besetzten) nicht Folge leistete, daß ihn der irakische Militärgeheimdienst deshalb mit Haftbefehl sucht und daß dem Beschwerdeführer im Falle seiner Ergreifung im Irak die Todesstrafe droht. Sie führt dazu aus, die im Irak in Aussicht gestellte Strafe wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion rechtfertige "allein" noch nicht die Annahme eines asylrelevanten Aspekts der vom Beschwerdeführer behaupteten Furcht vor Verfolgung:
"Desertion und Wehrdienstverweigerung sind auch in einem demokratischen und rechtsstaatlichen Land wie Österreich mit Strafe bedroht. Die Strenge und Art der angedrohten Strafe ist nicht maßgeblich, zumal Sie sich einer eventuellen Bestrafung durch Ihre Deliktsetzung der Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung selbst wissentlich ausgesetzt haben. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, daß die "Flucht" vor einer wegen Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen auch strengen) Bestrafung keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellt (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 31.05.1989, 89/01/0059).
Aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht im Irak kommt es nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen. Die Rekrutierung und damit auch die Bestrafung wegen Entziehung oder Verweigerung haben somit nicht erkennbar den Zweck, die Wehrpflichtigen in schutzwürdigen persönlichen Merkmalen (Rasse, Religion, politische Überzeugung usw.) zu treffen. Staatliche Maßnahmen zur Einhaltung der Wehrpflicht sind Ausfluß des Rechtes eines jeden Staates und stellen als solche keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des Asylgesetzes 1991 dar."
Dieser Argumentation ist zunächst insofern nicht zu folgen, als die belangte Behörde meint, die Strenge und Art der angedrohten Strafe sei unter anderem deshalb unmaßgeblich, weil der Beschwerdeführer sich einer eventuellen Bestrafung durch seine "Deliktsetzung der Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung selbst wissentlich ausgesetzt" habe. Hiebei handelt es sich um kein asylrechtlich relevantes Beurteilungskriterium (vgl. dazu das Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0741). Ob und inwieweit der Asylwerber seine Verfolgung selbst "verschuldet" hat, ist - abgesehen von den Fällen des Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention - nicht von Bedeutung (vgl. dazu neben dem schon zitierten Erkenntnis die Erkenntnisse vom 23. April 1986, Zl. 84/01/0200 und Zl. 84/01/0202, vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264, vom 16. Jänner 1991, Zlen. 90/01/0180, 0183, und vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0052; weiters Kälin, Grundriß des Asylverfahrens, 1990, S. 88 f).
Die belangte Behörde hat aber vor allem verkannt, daß die drohende Bestrafung wegen der Nichtbefolgung einer Einberufung zum Militärdienst u.a. dann von asylrechtlicher Relevanz ist, wenn die vom Asylwerber zu erwartenden Umstände der Ableistung seines Militärdienstes eine ihn unter Anknüpfung an eines der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Merkmale mit der Intensität einer Verfolgung benachteiligende Maßnahme seines Heimatstaates bedeutet hätten (vgl. dazu grundsätzlich das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer angegeben, er gehöre im Irak der christlichen Minderheit an, die vom Regime verfolgt werde, und als Christ sei man im Krieg an die vorderste Front geschickt worden, was den sicheren Tod bedeutet habe. Das sei das Ziel des Diktators Saddam Hussein. Diese Ausführungen, die die belangte Behörde in der Darstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers zwar wiedergab, denen sie in ihrer rechtlichen Beurteilung aber keine Beachtung schenkte, können - wie die Beschwerde zu Recht geltend macht - nur so verstanden werden, daß dem Beschwerdeführer wegen seiner Religionszugehörigkeit eine im Vergleich zu anderen Wehrpflichtigen erhebliche Benachteiligung gedroht habe (vgl. dazu das Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0073). Die an die Religionszugehörigkeit anknüpfende Auswahl für Einsätze an vorderster Front, die den sicheren Tod bedeuten, ist eine diskriminierende Maßnahme von ausreichender Intensität, um die Annahme wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu rechtfertigen (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 22. Februar 1995, Zlen. 92/01/0742, 0743). Indem die belangte Behörde dies nicht beachtete, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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