VwGH 96/16/0052

VwGH96/16/005219.3.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in D, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der R GmbH gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. Feber 1996, Zl. GA 13-7/R-35/1/95, betreffend Zollvergütung, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1438;
ABGB §1441;
BAO §208 Abs1 lita;
BAO §214;
BAO §215 Abs2;
BAO §215 Abs4;
BAO §216;
BAO §228;
BAO §239 Abs1;
BAO §4;
BAO;
KO §16;
KO §19;
KO §20;
ZollG 1988 §45 Abs1;
ABGB §1438;
ABGB §1441;
BAO §208 Abs1 lita;
BAO §214;
BAO §215 Abs2;
BAO §215 Abs4;
BAO §216;
BAO §228;
BAO §239 Abs1;
BAO §4;
BAO;
KO §16;
KO §19;
KO §20;
ZollG 1988 §45 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Zollamtes Wolfurt vom 10. Juni 1994, Zl. 3928/94, wurde gegenüber der (sich seit 19. April 1993 im Ausgleich und seit 18. Juni 1993 im Anschlußkonkurs befindlichen) R GmbH betreffend Zollvergütung gemäß § 45 ZollG 1988 iVm § 2 Abs. 5 AußHFBG 1984 der maßgebliche Zeitraum mit 1. Oktober 1987 bis 30. Juni 1992 festgelegt.

Mit Bescheid des genannten Zollamtes vom 14. Juli 1994 wurde dann in Stattgebung eines vom jetzt beschwerdeführenden Masseverwalter am 11. Juli 1994 gestellten Antrages auf Grund des Bescheides vom 10. Juni 1994 ausgesprochen, daß der im genannten Zeitraum (1. Oktober 1987 bis 30. Juni 1992) für die Ein- und Ausfuhr entrichtete Außenhandelsförderungsbeitrag für Vormaterialien in der Höhe von S 7,134.009,00 vergütet und diese Vergütung auf das Nachhineinzahlungskonto Nr. 5517028 gutgeschrieben wird.

Daraufhin wurde der genannte Betrag per 9. August 1994 dem erwähnten Abgabenkonto zugebucht.

Am 11. August 1994 stellte der beschwerdeführende Masseverwalter den Antrag, dieses Guthaben zur Gänze auf ein von ihm für die in Konkurs befindliche Gesellschaft eingerichtetes Massekonto zu überweisen.

Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 3. Oktober 1994 nur betreffend einen Teilbetrag von S 4,046.792,69 entsprochen, hinsichtlich des Restbetrages von S 3,091.602,-- wurde dagegen ausgesprochen, daß dieser gemäß § 215 Abs. 2 BAO über Aufforderung des Finanzamtes Feldkirch diesem zur Steuernummer 200/3907 überwiesen wird.

Dagegen berief der Masseverwalter mit dem Argument, es seien nur Forderungen aufrechenbar, die bereits bei Konkurseröffnung einander aufrechenbar gegenübergestanden seien. Im übrigen lasse der erstinstanzliche Bescheid jede Feststellung über das Entstehen der Forderung und der angeblichen Gegenforderung vermissen.

Mit Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Wien vom 22. November 1994 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, die oben geschilderten Fakten im einzelnen dargelegt und die Rechtsmeinung ausgesprochen, das Guthaben sei mit Rücksicht auf den durch den Bescheid vom 10. Juni 1994 festgelegten Zeitraum (1. Oktober 1987 bis 30. Juni 1992) spätestens am 30. Juni 1992 und damit vor Konkurseröffnung entstanden. Die Forderungen des Finanzamtes Feldkirch beträfen Umsatzsteuer für März 1993 sowie Lohnabgaben für den Zeitraum 5-7/93.

Daraufhin stellte der Masseverwalter - ohne weitere Ausführungen - den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet (wobei sie ausschließlich Abgabenforderungen des Finanzamtes Feldkirch berücksichtigte, die bis 18. April 1993 entstanden waren) ab und vertrat folgende Ansicht:

Der Vergütungsanspruch nach § 45 ZollG sei mit der Verwirklichung desjenigen Tatbestandes entstanden, an den das Gesetz die Vergütungspflicht knüpfe. Dies sei mit der Ausfuhr derjenigen Waren des freien Verkehrs aus dem (damaligen) Zollgebiet erfolgt, für deren Herstellung die (ursprünglich) verzollten Waren (oder diesen gleichartige) verwendet worden wären. Im vorliegenden Fall sei dieser Tatbestand mit Ablauf des 30. Juni 1992 erfüllt gewesen. Der Vergütungsanspruch sei somit vor der Ausgleichseröffnung entstanden. Da auch die (im Berufungsbescheid im einzelnen näher dargestellten) Forderungen des Finanzamtes Feldkirch, zu deren Tilgung die Überweisung des Guthabens erfolgt sei, vor der Ausgleichseröffnung entstanden seien, sei eine aufrechnungsweise Tilgung dieser Forderungen durch das Guthaben aus der Zollvergütung gemäß den Aufrechnungsbestimmungen des Insolvenzrechtes zulässig gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der beschwerdeführende Masseverwalter erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, den gesamten Guthabensbetrag auf das Massekonto überwiesen zu bekommen.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 1 ZollG 1988 ist, wenn die Voraussetzungen des § 89 Abs. 1 gegeben sind, auf Antrag zu bewilligen, daß der Zoll für in der Einfuhr verzollte Waren dem seinerzeitigen Empfänger (§ 52 Abs. 2 lit. b) zu vergüten ist, wenn er nachweist, daß innerhalb eines bestimmten Zeitraumes Waren des freien Verkehrs aus dem Zollgebiet ausgeführt worden sind, für deren Herstellung die verzollten Waren oder diesen gleichartige Waren (§ 1 Abs. 1 Z. 2 des Wertzollgesetzes 1980, BGBl. Nr. 221) verwendet wurden, die er beigestellt hat.

§ 2 Abs. 5 AußHFBG 1984 lautet:

"(5) Wird nach § 45 "des Zollgesetzes 1988" eine Zollvergütung gewährt, so ist der bei der Ausfuhr der Waren zu erhebende Außenhandelsförderungsbeitrag insoweit nicht zu erheben oder, wenn er schon erhoben wurde, zu erstatten, als er den Betrag übersteigt, der in einem vergleichbaren aktiven Veredlungsverkehr zu entrichten gewesen wäre."

Gemäß den insoweit gleichlautenden Bestimmungen der §§ 19 Abs. 1 KO und AO brauchen Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung/Ausgleichseröffnung bereits aufrechenbar waren, im Konkurs/Ausgleichsverfahren nicht geltend gemacht zu werden.

Nach den Absätzen 1 der §§ 20 KO und AO ist eine Aufrechnung nur unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger/Gläubiger erst nach der Konkurseröffnung/Ausgleichseröffnung Schuldner der Konkursmasse/des Ausgleichsschuldners geworden ist.

Die ersten beiden Absätze des § 215 BAO lauten:

"(1) Ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabenpflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

(2) Das nach einer gemäß Abs. 1 erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde verbleibende Guthaben ist zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist."

Die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung gelten nach ihrem § 1 lit. a in Angelegenheiten der Zölle und sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben insoweit, als in den zollgesetzlichen Vorschriften nichts anderes bestimmt ist.

Gemäß § 2 lit. a Z. 2 BAO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes u.a. sinngemäß in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten Vergütungen.

Gemäß § 1438 ABGB findet eine gegenseitige Aufhebung von Verbindlichkeiten (Kompensation) u.a. statt, wenn Forderungen "gegenseitig zusammentreffen".

§ 1441 ABGB lautet:

"Ein Schuldner kann seinem Gläubiger dasjenige nicht in Aufrechnung bringen, was dieser einem Dritten und der Dritte dem Schuldner zu zahlen hat. Selbst eine Summe, die jemand an eine Staatskasse zu fordern hat, kann gegen eine Zahlung, die er an eine andere Staatskasse leisten muß, nicht abgerechnet werden."

Da der Beschwerdeführer selbst ausdrücklich davon ausgeht, die Forderungen des Finanzamtes Feldkirch in Höhe von insgesamt S 3,091.602,-- seien zur Gänze vor der Konkurs- bzw. Ausgleichseröffnung entstanden, ist nur zu prüfen, wann der in Rede stehende Anspruch auf Zollvergütung entstanden ist und ob betreffend diese beiden Ansprüche die Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit (§§ 1438 und 1441 ABGB; vgl. Rummel in Rummel ABGB2 II Rz 3 zu § 1441 ABGB) schon vor der Konkurs- bzw. Ausgleichseröffnung gegeben war.

Hiebei ist zu beachten, daß nach der ständigen hg. Judikatur den Aufrechnungsvorschriften des Insolvenzrechtes der Vorrang vor den Verrechnungsregeln der BAO zukommt (vgl. insbesondere die hg. Erkenntnisse vom 14. September 1993, Zl. 91/15/0103, und vom 27. Jänner 1981, Zl. 14/0842/80, samt der dort zitierten Vorjudikatur) sowie die bei Mohr, MGA KO, AO, AnfO8 unter E 17 zu § 19 KO und E 8 zu § 20 KO referierte Rechtsprechung.

Betreffend die Frage des Zeitpunktes der Entstehung eines Vergütungs- bzw. Rückforderungsanspruches vertritt der Verwaltungsgerichtshof folgende Ansicht:

Bei Rückforderungsansprüchen handelt es sich um nichts anderes als um "negative Abgabenansprüche". Solche Ansprüche entstehen (wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn) kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird. Auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung kommt es dabei nicht an. Mit dem Bescheid wird vielmehr lediglich die Durchsetzung des Anspruches gegenüber der Abgabenbehörde bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, Zl. 91/15/0077).

Betreffend Ansprüche auf Zollvergütung und Vergütung von Außenhandelsförderungsbeiträgen hat der Verwaltungsgerichtshof dazu im Erkenntnis vom 20. August 1996, Zl. 95/16/0255, zu einer Verjährungsfrage klargestellt, daß ein im Dezember 1993 gestellter Antrag auf Zollvergütung nur für Zeiträume ab 1988 zur Bewilligung führen konnte, weil die fünf-jährige Verjährung mit Ablauf des Jahres zu laufen begann, in dem der Erstattungsanspruch entstanden war. Für den Beginn der Verjährung eines Anspruches auf Zollvergütung kommt es nämlich auf den Ablauf des Jahres an, in dem alle in § 45 Abs. 1 ZollG 1988 normierten Voraussetzungen verwirklicht wurden.

Was nun für die Frage des Zeitpunktes der Entstehung eines Vergütungsanspruches mit Blick auf den Verjährungsbeginn gesagt wurde, hat genauso für die Frage des Bestehens eines derartigen Anspruches in bezug auf den Zeitraum vor oder nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu gelten.

Daraus folgt, daß die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, daß im vorliegenden Fall der Vergütungsanspruch in Höhe von S 7,134.009,-- bereits mit Ablauf des für die Vergütung bescheidmäßig und rechtskräftig festgelegten Zeitraumes (1. Oktober 1987 bis 30. Juni 1992) entstanden ist. Ein Anspruch, der im vorliegenden Fall gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit Ablauf des Jahres 1992 bereits zu verjähren begann, muß jedenfalls bezogen auf die am 19. April 1993 erfolgte Ausgleichseröffnung bzw. hinsichtlich der am 18. Juni 1993 erfolgten Konkurseröffnung als bereits bestehend und damit hinsichtlich der ebenfalls schon vor den genannten Daten bestehenden Forderungen des Finanzamtes Feldkirch als gegenseitig iS der §§ 1438, 1441 ABGB angesehen werden.

Damit ist dem Beschwerdeargument, es komme im vorliegenden Fall auf den erst nach dem 19. April 1993 (= Datum der Ausgleichseröffnung) erlassenen Bescheid des Zollamtes Wolfurt an, jeder Boden entzogen.

Was den Einwand der Beschwerde anlangt, im vorliegenden Fall sei die Aufrechnung daran gescheitert, daß Forderung und Gegenforderung (also der Anspruch auf Zollvergütung und die Forderungen des Finanzamtes Feldkirch) auf "verschiedenen Rechtsdurchsetzungswegen" zu verfolgen gewesen wären, und zwar ersterer nach den Bestimmungen des AVG, letztere nach denen der BAO, ist darauf zu verweisen, daß diese Ansicht im Gesetz keine Deckung findet. Wie insbesondere im zuletzt zitierten hg. Erkenntnis Zl. 95/16/0255 (unter Berufung auf Stoll, BAO-Kommentar I 29 Abs. 4) ausdrücklich klargestellt wurde, gelten die Bestimmungen der BAO auch für die Verfolgung des Anspruches auf Zollvergütung gemäß § 45 ZollG 1988. Aus dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1993, Zl. 90/17/0227, 0228, ist sohin für den Beschwerdestandpunkt nichts zu gewinnen, weil im Beschwerdefall eben nicht eine Situation verschiedener Wege der Rechtsdurchsetzung gegeben war.

Insoweit der Beschwerdeführer eine Aufrechnungserklärung vermißt, ist er darauf zu verweisen, daß der Bund als Schuldner und Gläubiger im Wege des Organhandelns des Hauptzollamtes Wien in Gestalt der Erlassung des an den beschwerdeführenden Masseverwalter gerichteten Bescheides vom 3. Oktober 1994 die Aufrechnungserklärung durch die vorgenommene Überrechnung hinlänglich zum Ausdruck gebracht hat (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 12. November 1990, Zl. 88/15/0064).

Da schließlich auch § 1441 Satz 2 ABGB der vorgenommenen Aufrechnung nicht entgegenstand, weil der Fiskus sehr wohl mit Gegenforderungen einer anderen Staatskasse (hier einer des Zollamtes Feldkirch) aufrechnen kann (vgl. dazu ebenfalls das gerade zitierte hg. Erkenntnis Zl. 88/15/0064 und die dort zitierten weiteren Nachweise), erweist sich der angefochtene Bescheid insgesamt als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Verfahrensmängel hat der Beschwerdeführer im einzelnen nicht konkret dargelegt und sind solche aus den vorgelegten Verwaltungsakten auch nicht ersichtlich.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen (§ 42 Abs. 1 VwGG).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

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