VwGH 90/17/0227

VwGH90/17/022718.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde 1. des E, 2. der M, beide in S, beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung je vom 5. Dezember 1989,

Zlen. ad 1.: Ib-8432/3a-1989, ad 2.: Ib-8432/3b-1989, beide betreffend Kanalanschlußgebühr (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Kössen), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1438;
ABGB §1440;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §42 Abs1;
VwRallg;
ABGB §1438;
ABGB §1440;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §42 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bundesland Tirol zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 1. August 1988 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde Kössen den Beschwerdeführern "auf Grund der Bestimmungen der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Kössen (Gemeinderatsbeschluß vom 31.3.1987 bzw. vom 4.6.1987, insbesondere der §§ 2, 4, 5") für das in ihrem Miteigentum befindliche Objekt Bp. x1, Gp. nn1 und nn2 eine einmalige Kanalanschlußgebühr in Höhe von insgesamt S 42.867,-- vor. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, mit Verordnung vom 31. März 1987 habe der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde den Anschlußbereich der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage festgelegt. Die angeführte bauliche Anlage befinde sich auf einem Grundstück, das ganz im Anschlußbereich liege. Dies begründe die Anschlußpflicht an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage. Für die Kosten der Errichtung oder Erweiterung der Abwasserbeseitigungsanlage erhebe die mitbeteiligte Gemeinde nach § 2 der Kanalgebührenordnung eine Anschlußgebühr, zu deren Entrichtung der jeweilige Eigentümer des angeschlossenen Grundstückes bzw. der angeschlossenen Anlage nach § 9 der Kanalgebührenordnung verpflichtet sei.

Dieser Bescheid wurde (lediglich) der Zweitbeschwerdeführerin zugestellt.

Dagegen erhoben beide Beschwerdeführer Berufung und wendeten darin - soweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch von Bedeutung - im wesentlichen ein, daß durch das mit der gegenständlichen Anschlußgebühr im ursächlichen Zusammenhang stehende Klärwerk der mitbeteiligten Gemeinde, das sich in unmittelbarer Nähe des gegenständlichen Hauses befinde, eine Wertminderung des Hauses in der Höhe von S 1,000.000,-- entstanden sei.

Mit Berufungsvorentscheidung des Bürgermeisters vom 9. Dezember 1988 sowie (aufgrund eines Vorlageantrages beider Beschwerdeführer) mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. Februar 1989 wurde die Berufung gegen den Abgabenbescheid erster Instanz jeweils als unbegründet abgewiesen. Diese Bescheide wurden (lediglich) dem Erstbeschwerdeführer zugestellt.

Über Vorstellung der Beschwerdeführer gab die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 11. April 1989 der Vorstellung des Erstbeschwerdeführers Folge, hob den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 8. Februar 1989 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung "an den Bürgermeister". Die Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin wurde gleichzeitig als unzulässig zurückgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß zufolge Zustellung des Abgabenbescheides erster Instanz (lediglich) an die Zweitbeschwerdeführerin dieser nur an sie, durch Zustellung der Berufungsvorentscheidung und der Berufungsentscheidung (lediglich) an den Erstbeschwerdeführer letztere Bescheide lediglich an ihn ergangen seien. Der Erstbeschwerdeführer sei in seinen Rechten verletzt worden, weil an ihn Rechtsmittelentscheidungen ergangen seien, ohne daß den Rechtsmittelentscheidungen eine erste Abgabenvorschreibung vorangegangen wäre; der gesetzliche Instanzenzug sei ihm gegenüber nicht eingehalten worden. Die Aufsichtsbehörde habe daher die Berufungsentscheidung aufzuheben gehabt. Der Bürgermeister werde an den Erstbeschwerdeführer einen Abgabenbescheid zu erlassen haben, in dem er ihm - dem Miteigentumsanteil entsprechend - die Kanalanschlußgebühr vorzuschreiben habe. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin sei der innergemeindliche Instanzenzug nicht erschöpft, da über ihre Berufung keine Entscheidung ergangen sei. Ihre Vorstellung sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Der Bürgermeister werde an die Zweitbeschwerdeführerin eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen haben, in der er ihr - dem Miteigentumsanteil entsprechend - die Kanalanschlußgebühr vorzuschreiben habe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 8. Juni 1989 änderte sodann der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde auf Grund der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 1. August 1988 diesen Bescheid dahin ab, daß die Kanalanschlußgebühr auf Grund des Hälfteanteils der Zweitbeschwerdeführerin an der gegenständlichen Liegenschaft mit S 21.433,50 festgesetzt werde.

Auf Grund des Vorlageantrages der Zweitbeschwerdeführerin entschied der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 24. Oktober 1989 über die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin im selben Sinne.

Mit weiterem Bescheid vom 8. Juni 1989 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gegenüber dem Erstbeschwerdeführer auf Grund seines Hälfteanteiles an der gegenständlichen Liegenschaft die Kanalanschlußgebühr (ebenfalls) mit S 21.433,50 fest. Er begründete dies gleichlautend wie im Abgabenbescheid vom 1. August 1988 und fügte hinzu, mit dem Anschluß des Wohnhauses an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage sei für den Miteigentümer die Kanalanschlußgebührenpflicht entstanden. Die Bemessungsgrundlage sei mit dem Gebührensatz zu vervielfachen.

Dagegen erhob der Erstbeschwerdeführer (neuerlich) Berufung und brachte darin abermals vor, wäre die Feststellung getroffen worden, daß ihm durch den Bau der gegenständlichen Kläranlage ein Schaden von mindestens in Höhe der gegenständlichen Anschlußgebühr entstanden sei, hätte von der Vorschreibung der Gebühr Abstand genommen werden müssen.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 1989 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde diese Berufung als unbegründet ab.

Gegen die zuletzt genannten Berufungsbescheide vom 24. bzw. 30. Oktober 1989 erhoben die Beschwerdeführer in einem Schriftsatz, jedoch in getrennten Ausführungen, jeweils Vorstellung und brachten darin übereinstimmend neuerlich vor, entgegen ihren Anträgen sei kein Verfahren über ihre Behauptung durchgeführt worden, durch den Bau der Kläranlage sei ihnen ein Schaden von S 1,000.000,--, mindestens jedoch in Höhe von S 42.867,-- entstanden. Diese Schadenersatzforderung könne auch einredeweise geltend gemacht werden. Der gegenständliche Schaden sei durch eine Tätigkeit der Gemeinde im Rahmen der Hoheitsverwaltung zugefügt worden. Es erscheine sittenwidrig, öffentliche Abgaben zu fordern, die durch Maßnahmen entstanden seien, im Zuge derer ihnen ein Schaden entstanden sei.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden je vom 5. Dezember 1989 wies die Tiroler Landesregierung die Vorstellungen der Beschwerdeführer gegen die Berufungsbescheide vom 30. bzw. 24. Oktober 1989 jeweils als unbegründet ab. Zur Begründung führte die belangte Behörde übereinstimmend aus, die Finanzausgleichsgesetzgebung ermächtige die Gemeinden, durch Beschluß des Gemeinderates Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die - wie öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen - für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben würden, auszuschreiben. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde habe von dieser Ermächtigung mit Beschluß vom 31. März 1987, kundgemacht an der Gemeinde-Amtstafel vom 2. bis 21. April 1987, geändert mit Beschluß vom 4. Juni 1987, kundgemacht an der Gemeinde-Amtstafel vom 11. bis 29. Juni 1987, Gebrauch gemacht (sog. Kanalgebührenordnung). Der Kanalgebührenordnung zufolge entstehe die Verpflichtung zur Entrichtung der Kanalanschlußgebühr mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses. Die Bemessungsgrundlage sei mit dem Gebührensatz zu vervielfachen. Bemessungsgrundlage sei die Summe der Geschoßfläche, sie betrage im vorliegenden Fall 433 m2. Der Gebührensatz betrage S 90,-- je m2 zuzüglich

10 % Umsatzsteuer. Die gemeindlichen Abgabenbehörden seien im Sinne dieser Ausführungen vorgegangen und es müsse festgehalten werden, daß ein Fehler bei der Vorschreibung der Kanalanschlußgebühr nicht hervorgekommen sei. Dies werde im übrigen auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Diese beschränkten sich zusammenfassend allein darauf, die Frage des Wertverlustes an ihrem Anwesen durch die Errichtung des naheliegenden Klärwerkes aufzuwerfen. Die gemeindlichen Abgabenbehörden könnten sich im Abgabenfestsetzungsverfahren jedoch ausschließlich mit dem Abgabenanspruch auseinandersetzen. Es sei ihnen daher nicht entgegenzutreten, wenn sie auf die Behauptung der Wertminderung des Anwesens infolge des in unmittelbarer Nachbarschaft errichteten Klärwerkes und die aus dieser Behauptung abgeleiteten Schadenersatzforderungen nicht eingegangen seien.

Gegen diese Bescheide richtet sich die in einem einheitlichen Schriftsatz ausgeführte Beschwerde der beiden Beschwerdeführer. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachten sie sich sinngemäß in ihren Rechten insofern verletzt, als ungeachtet der von ihnen einredeweise geltend gemachten Schadenersatzforderung ihnen die Kanalanschlußgebühr vorgeschrieben worden sei. Sie beantragen, die Berufungsbescheide vom 24. Oktober und 30. Oktober 1989 sowie die Vorstellungsbescheide je vom 5. Dezember 1989 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben "und die Verwaltungssache an die Gemeinde Kössen zur neuerlichen Durchführung des ordentlichen Verfahrens im Sinne der beantragten Beweise zurückzuverweisen."

Die belangte Behörde erstattete eine einheitliche Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu den von den Beschwerdeführern gestellten Anträgen sei vorweg bemerkt, daß dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 1 VwGG lediglich die Zuständigkeit zukommt, den bzw. die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angefochtenen Bescheide - das sind im vorliegenden Fall die Vorstellungsentscheidungen je vom 5. Dezember 1989 -, nicht jedoch auch jene der obersten Gemeindeinstanzen aufzuheben. Ebensowenig ist eine "Rückverweisung" der Rechtssache an die Behörden des Verwaltungsverfahrens gesetzlich vorgesehen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist weiters darauf zu verweisen, daß zufolge des unangefochten gebliebenen Vorstellungsbescheides vom 11. April 1989 die Behörden des Verwaltungsverfahrens ebenso wie auch der Verwaltungsgerichtshof an die darin diesbezüglich geäußerte, die Aufhebung tragende Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde gebunden sind.

Auch in der Beschwerde bekämpfen die Beschwerdeführer die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Abgabenfestsetzung ausschließlich im Hinblick auf die von ihnen behauptete Gegenforderung, hinsichtlich derer kein Kompensationsverbot bestehe. Die Beschwerdeführer seien daher berechtigt, den Schaden, welcher ihnen durch den Bau der Kläranlage hinsichtlich der Entwertung ihres Wohnhauses entstanden sei, gegen die Ansprüche der Gemeinde Kössen hinsichtlich der Kanalanschlußgebühr aufrechnungsweise geltend zu machen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind im öffentlichen Recht mangels spezieller Vorschriften über die rechtlichen Voraussetzungen einer Aufrechnung die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes analog heranzuziehen. Eine Kompensation im Sinne der §§ 1438 ff ABGB setzt unter anderem voraus, daß Forderung und Gegenforderung einander aufrechenbar im Sinne der Liquidität gegenüberstehen. Eine solche ist aber jedenfalls dann zu verneinen, wenn für Forderung und Gegenforderung verschiedene Wege der Rechtsdurchsetzung vorgesehen sind (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 10. März 1961, Slg. Nr. 2400/F, vom 7. November 1986, Slg. Nr. 12.291/A, vom 23. März 1988, Zl. 87/07/0030, vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0252, und vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0147, sowie die in einzelnen dieser Erkenntnisse angeführte Lehre und weitere Rechtsprechung). Die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Gegenforderung ist jedoch zweifellos nicht im Abgabenverfahren geltend zu machen.

Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie auf die geltend gemachte Gegenforderung nicht Bedacht genommen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch auf § 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

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