VwGH 96/06/0162

VwGH96/06/016226.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde

1. des Ing. JW und 2. der HW, beide in G, beide vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Graz vom 6. Mai 1996, Zlen. A 17 - C - 13.404 bis 13.408/1996 - 2, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei:

X-Gesellschaft für Wohnungsbau und Siedlungswesen mbH, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
AVG §8;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litb;
AVG §52;
AVG §8;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Stadt Graz zu gleichen Teilen Aufwendungen von insgesamt S 4.565,-- und der Mitbeteiligten zu gleichen Teilen von insgesamt S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 18. Jänner 1996 beim Magistrat der Stadt Graz eingelangten Bauansuchen wurde von der Mitbeteiligten die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung von fünf dreigeschoßigen Wohnhäusern, einer Tiefgarage mit

48 PKW-Abstellplätzen, zwei Müllgebäuden, zwei Flugdächern, zwei Nebengebäuden, Schallschutz- und Stützmauern sowie neun PKW-Freiabstellplätzen auf dem Grundstück Nr. 376/1, EZ 1033, KG W, beantragt.

In der im erstinstanzlichen Verfahren abgehaltenen mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 1996 gaben die Beschwerdeführer, deren Grundstück westlich an das zu bebauende Grundstück der Mitbeteiligten unmittelbar angrenzt, folgende Einwendungen zu Protokoll: Es liege keine gültige Zustimmung des rechtmäßigen Grundeigentümers vor, da von der Verlassenschaft nach M.K., die am 29. August 1993 verstorben sei und die bzw. deren Verlassenschaft nach wie vor rechtmäßige Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstückes sei, beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz die Klage auf Unwirksamkeitserklärung bzw. Anfechtung des Übergabsvertrages vom 29. Jänner 1993 sowie die Eigentumslöschung gegen den derzeit im Grundbuch eingetragenen Eigentümer M.G. eingebracht worden sei. Rechtmäßige Rechtsnachfolger nach M.K. seien die Beschwerdeführer als erbserklärte Erben zum Nachlaß nach M.K. Sie gäben zu dem Bauvorhaben keine Zustimmung. Das eingebrachte Bauansuchen sei daher schon aus diesem Grund abzuweisen; allenfalls sei das Verfahren bis zur Rechtskraft des präjudiziellen gerichtlichen Verfahrens zu unterbrechen (Einwendung unter Punkt 1.). Weiters führe über das Baugrundstück die Wasser- und Telefonzuleitung zu dem Grundstück der Beschwerdeführer. Diese Versorgung müsse auch zukünftig nach wie vor gewährleistet sein. Etwaige durch die Verlegung entstehende Kosten seien ausschließlich von der Mitbeteiligten zu tragen und seien diesbezüglich Auflagen aufzutragen (Einwendung unter Punkt 2.). Über das Grundstück der Beschwerdeführer dürfe zur Erreichung der "Baugrundstücke" weder zu- noch abgefahren noch zu- oder abgegangen werden. Es sei eine entsprechende Auflage zu erteilen (Einwendung unter Punkt 3.). Der bestehende Regenwasserabfluß auf das Baugrundstück müsse weiterhin unbehindert gewährleistet sein, was der Mitbeteiligten aufzuerlegen sei (Einwendung unter Punkt 4.). Es seien größere Abstände gemäß § 13 Abs. 12 Stmk. Baugesetz geboten, da es sich um Objekte mit hohen Bewohnerzahlen handle und daher unzumutbare Immissionen auf das Grundstück der Beschwerdeführer einwirken würden (Einwendung unter Punkt 5.). Weiters müßten die derzeitigen Geländehöhen des Einödbaches unverändert bleiben (Einwendung unter Punkt 6.). Es müsse auch mittels Auflage die Errichtung eines Schutzzaunes (mit Gehtürl) gegenüber dem Grundstück der Beschwerdeführer errichtet werden (Einwendung unter Punkt 7.).

Im Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 13. Feber 1996 ist festgehalten, daß hinsichtlich der Einwendungen der Beschwerdeführer unter Punkt 3., 4. und 7., die nach Auffassung der belangten Behörde privatrechtliche Einwendungen seien, eine einvernehmliche Lösung gefunden worden sei.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 12. März 1996 wurde der Mitbeteiligten die Baubewilligung für das angeführte Bauvorhaben unter Vorschreibung verschiedenster Auflagen erteilt.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Die Entscheidung der belangten Behörde ist nach Anführung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen im wesentlichen damit begründet, daß das verfahrensgegenständliche Grundstück als "allgemeines Wohngebiet" gewidmet sei und daher die durch die Wohnnutzung entstehenden Immissionen als ortsüblich zu betrachten seien. Zu dem Einwand, daß dem Bauansuchen die Zustimmung des rechtmäßigen Grundeigentümers fehle, sei darauf hinzuweisen, daß dem Nachbarn gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. Baugesetz diesbezüglich kein Mitspracherecht zustehe. Auch das Vorbringen, daß keine Maßnahmen zur Beibehaltung der Geländehöhen im Bereich des Einödbaches vorgeschrieben worden seien und daß die Wasser- und Telefonzuleitung über das Grundstück der Beschwerdeführer gewährleistet sein müsse, beträfen Bereiche, in denen dem Nachbarn nach den Bestimmungen des Stmk. Baugesetzes kein Mitspracherecht zukomme.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführer erachten sich insbesondere in ihrem Recht auf gesetzmäßige Behandlung ihrer rechtzeitig vorgebrachten Einwendungen und in ihrem Recht auf hinreichende Abstandsvorschreibung durch die Behörde verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen geltend, daß sie die Einwendung der mangelnden Zustimmung des rechtmäßigen Grundeigentümers nicht als Nachbarn erhoben hätten, sondern als rechtmäßige Rechtsnachfolger der am 29. August 1993 verstorbenen M.K., die bzw. deren Verlassenschaft nach wie vor die rechtmäßige Eigentümerin des Grundstückes Nr. 367/1, KG W, sei. Im Verfahren des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen zur Zl. 17 Cg 23/96 m sei die Klage auf Unwirksamkeitserklärung bzw. Anfechtung des Übergabsvertrages vom 29. Jänner 1993 sowie die Eigentumslöschung gegen den vermeintlichen Eigentümer, den derzeit im Grundbuch eingetragenen M.G., eingebracht worden. Wäre die belangte Behörde diesem Einwand nachgegangen, hätte sie erkennen müssen, daß die Angaben der Beschwerdeführer richtig seien und M.G. nicht als hinreichend rechtmäßiger Eigentümer angesehen werden könne.

Diesem Einwand der Beschwerdeführer genügt es entgegenzuhalten, daß sie selbst nicht einmal behaupten, daß sie im Zeitpunkt der Erhebung der Einwendung in der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 1996 bzw. im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides in das Vermögen der Verstorbenen M.K. bereits eingeantwortet gewesen seien und sich somit darauf hätten berufen können, Rechtsnachfolger in bezug auf das Vermögen der angeführten Verstorbenen zu sein. Als Nachbarn können die Beschwerdeführer aber - dies hat die belangte Behörde zutreffend erkannt und wird auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten - kein Recht auf Einhaltung der Bestimmung betreffend die Zustimmung des Grundeigentümers geltend machen.

Soweit sich die Beschwerdeführer als Nachbarn dagegen wenden, daß die Baubehörden, soweit über die Einwendungen der Beschwerdeführer Einigung erzielt worden sei (nämlich zu Punkt 3., 4. und 7. der Einwendungen), keine entsprechenden Auflagen angeordnet hätten, genügt es darauf zu verweisen, daß die Baubehörden zutreffend vom Vorliegen privatrechtlicher Einwendungen ausgegangen sind, die außer im Hinblick auf einen Verweis auf den Zivilrechtsweg nicht Gegenstand einer baurechtlichen Bewilligung sein können. Die erstinstanzliche Baubehörde hat das Zustandekommen dieser Einigung der Parteien in diesen Punkten im Protokoll zu der angeführten Verhandlung auch festgehalten.

Zu den Einwendungen der Beschwerdeführer, daß Maßnahmen zur Beibehaltung der Geländehöhen im Bereich des Einödbaches vorgeschrieben werden müßten bzw. die Wasser- und Telefonzuleitung über das Grundstück der Beschwerdeführer gewährleistet sein müsse, hat die belangte Behörde - wie die Gemeindebehörden - zutreffend festgestellt, daß diesbezüglich den Nachbarn kein Mitspracherecht gemäß § 26 Stmk. Baugesetz zukomme.

Die Beschwerdeführer machen weiters geltend, daß größere Abstände gemäß § 13 Abs. 12 Stmk. Baugesetz hätten vorgeschrieben werden müssen. § 13 Abs. 12 Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG), sieht vor, daß die Behörde größere Abstände vorzuschreiben hat, wenn der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten läßt oder dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich ist.

Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, daß der geplante Verwendungszweck des Bauvorhabens, nämlich "Wohnen", der Ausweisung des Grundstückes als "Allgemeines Wohngebiet" entspreche und daher die durch die Wohnnutzung entstehenden Immissionen als ortsüblich zu betrachten seien. Gemäß § 4 Z. 49 Stmk. BauG sind ortsübliche Belästigungen Immissionen, die in den betroffenen Gebieten tatsächlich vorhanden sind, zumindest jedoch die in Gebieten dieser Art üblicherweise auftreten. Ein zentraler Maßstab für die Beurteilung, ob eine Überschreitung ortsüblicher Belästigungen erfolgt, ist somit das sogenannte "Widmungsmaß".

Die Beschwerdeführer behaupten nun selbst nicht, daß das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben Immissionen verursacht, die nicht üblicherweise bei einer Wohnungsnutzung auftreten. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang festzustellen, daß sich sowohl die Zufahrt zur Tiefgarage der Objekte als auch die neun PKW-Abstellplätze im Freien auf der östlichen Seite des verfahrensgegenständlichen Grundstückes, also auf der anderen Seite des zu bebauenden Grundstückes vom Grundstück der Beschwerdeführer aus gesehen, befinden. Die Zufahrt liegt ca. 72 m von der Grundstücksgrenze des Grundstückes der Beschwerdeführer entfernt; weiters liegen drei der vorgesehenen fünf Wohnblöcke zwischen dieser Zufahrt und dem Grundstück der Beschwerdeführer.

Gemäß § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. Raumordnungsgesetz, LGBl. Nr. 127/1974 i.d.F. des Landesgesetzes LGBl. Nr. 39/1986, sind "Allgemeine Wohngebiete" Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen

(z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können.

Daraus ergibt sich, daß Wohnbauten im allgemeinen Wohngebiet schlechthin zulässig sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu vergleichbaren Widmungskategorien ausgesprochen hat, sind die von einem Wohnhaus im Wohngebiet typischerweise ausgehenden Immissionen von Nachbarn hinzunehmen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend derartige Immissionen ist - sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen - nicht erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 95/06/0095, und die in diesem zitierte Vorjudikatur). In dem hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1994, Zl. 93/06/0173, hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgehalten, daß die von den Beschwerdeführern in den Vordergrund gestellte relative Größe des Bauvorhabens daran nichts zu ändern vermag.

Die Beschwerdeführer sind auch nicht im Recht, wenn sie meinen, die belangte Behörde habe sich mit dem Berufungsvorbringen nicht auseinandergesetzt. Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist zwar kurz, geht aber auf sämtliche vorgetragenen Einwendungen der Beschwerdeführer in der Vorstellung ein.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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