VwGH 95/12/0219

VwGH95/12/02192.7.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der XY in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Juni 1995, Zl. 13-368/I Bu 135/14-95, betreffend Abweisung eines Antrages auf Akteneinsicht, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §17 Abs1;
AVG §17 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs2;
PVG 1967 §10a Abs3;
AVG §17 Abs1;
AVG §17 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs2;
PVG 1967 §10a Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Volksschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark. Jedenfalls im beschwerdegegenständlichen Zeitraum war ihre Dienststelle eine Volksschule in Graz.

Mit Erledigung vom 13. Februar 1995 wurden der Beschwerdeführerin vom Bezirksschulrat Graz eine Reihe von Anweisungen erteilt; die Einleitung dieser Erledigung lautet "Aufgrund der vorgehaltenen Beschuldigungen und aufgrund Ihrer Stellungnahme sieht sich der Bezirksschulrat veranlaßt, folgende Anweisungen zu geben"; diese "Beschuldigungen" sind in der genannten Erledigung nicht näher angeführt.

Unter dem Datum 15. Februar 1995 erging folgende weitere Erledigung des Bezirksschulrates an die Beschwerdeführerin (der Betreff lautet: "Vorübergehende Zuweisung gemäß § 21 Abs. 2 LDG

u. § 3 Zif. 2 LDHG"):

"Wegen der am 15.2.1995 besprochenen pädagogischen Gründe wird Ihnen mitgeteilt, daß Sie ab dem 2. Semester 1994/95 nicht mehr an der Stammschule VS M als klassenführende Lehrerin verwendet werden.

Sie kommen ab sofort in Form einer vorübergehenden Zuweisung, als Vertretung abwesender LehrerInnen in anderen Schulen des BSR Graz zum Einsatz. Die jeweilige Schule wird Ihnen kurzfristig mündlich bekanntgegeben".

Die Beschwerdeführerin bezog Stellung gegen diese Erledigungen und vertrat die Auffassung, daß diese unberechtigte und in keiner Weise konkretisierte oder konkretisierbare Vorwürfe enthielten.

Schließlich brachte sie mit Eingabe vom 28. März 1995 vor, ihre Vertreterin habe die Mitteilung erhalten, daß ihr keine Einsicht in den Personalakt der Beschwerdeführerin gewährt werde. Dies sei damit begründet worden, daß gegen die Beschwerdeführerin kein Verfahren anhängig sei. Dem sei entgegenzuhalten, daß es der Beschwerdeführerin als Partei jederzeit möglich sein müsse, in den bezughabenden Personalakt Einsicht zu nehmen. Vorliegendenfalls sei es auch im Hinblick auf die im Schreiben vom 13. Februar 1995 angeführten Vorwürfe, gegen welche sich die Beschwerdeführerin "mit sämtlichen ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mittel zur Wehr setzen" werde, erforderlich. Es werde daher beantragt, binnen zwei Wochen die Einsichtnahme in den Personalakt der Beschwerdeführerin zu gewähren; für den Fall, daß die Einsichtnahme nicht gewährt werde, werde die bescheidmäßige Erledigung des Antrages begehrt.

Mit dem Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 5. April 1995 wurde dem Antrag gemäß § 17 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 DVG nicht stattgegeben. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, gemäß § 17 Abs. 1 AVG habe die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmten, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten. § 17 AVG räume das Recht zur Akteneinsicht nur den Parteien ein, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt seien; ohne ein solches Verfahren könne daher niemandem ein solches Recht zustehen. Vorliegendenfalls liege dem Begehren um Akteneinsicht die Verfügung des Bezirksschulrates vom 15. Feber 1995 zugrunde, aufgrund derer die Beschwerdeführerin aus pädagogischen Gründen ab dem 2. Semester des Schuljahres 1994/1995 nicht mehr an der Volksschule M als klassenführende Lehrerin verwendet werde, sondern - unter Beibehaltung dieser Schule als deren Stammschule - in Form einer vorübergehenden Zuweisung zur Vertretung abwesender Lehrer in anderen Schulen des Schulbezirkes Graz eingesetzt werde. Die vorübergehende Zuweisung von Landeslehrern sei im § 21 LDG 1984 geregelt. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung könne über den in Abs. 1 leg. cit. beschriebenen Fall hinaus, insbesondere wenn die Lehrerreserve erschöpft sei, aus dienstlichen Gründen, vor allem zur Vertretung abwesender Lehrer, ein Landeslehrer innerhalb oder außerhalb seines Dienstortes einer anderen Schule derselben oder einer anderen Schulart vorübergehend zugewiesen werden. Bei einer vorübergehenden Zuweisung handle es sich um einen Dienstauftrag (Hinweis auf § 1 Abs. 4 DVG), der nicht mit Bescheid auszusprechen sei. Die Zuständigkeit zur Verfügung vorübergehender Zuweisungen liege gemäß § 3 Z. 1 des Steiermärkischen Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes beim Bezirksschulrat. Der von der Beschwerdeführerin vor dem Landesschulrat geltend gemachte Anspruch stehe in keinem Zusammenhang mit einer bestimmten, bei der erwähnten Behörde anhängigen Verwaltungsangelegenheit, in der sie Parteistellung hätte. Die Akteneinsicht sei somit außerhalb eines Verwaltungsverfahrens begehrt worden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei. In einem "sonstigen Hinweis" wurde weiters ausgeführt, da die Akteneinsicht außerhalb eines Verwaltungsverfahrens begehrt worden sei, bedeute die Abweisung des Begehrens nicht eine verfahrensrechtliche Anordnung, gegen die nach § 17 Abs. 4 AVG kein Rechtsmittel zulässig sei und die nur mit Berufung gegen einen die Angelegenheit meritorisch erledigenden Bescheid angefochten werden könnte. Sie bedeute vielmehr einen selbständigen Bescheid in der Verwaltungssache selbst.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Zusammenfassend trat die belangte Behörde der Auffassung der erstinstanzlichen Behörde bei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz 1966, LGBl. Nr. 209 (LDHG 1966), in der Fassung LGBl. Nr. 22/1983, anzuwenden.

Gemäß dessen § 1 gilt dieses Gesetz für die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land (Steiermark) stehenden Lehrer (Landeslehrer) für allgemeinbildende sowie für berufsbildende Pflichtschulen und für Personen, die einen Anspruch auf Ruhe- oder Versorgungsgenuß aus einem solchen Dienstverhältnis haben.

§ 4 leg. cit. normiert die Zuständigkeit des Landesschulrates; nach Abs. 1 Z. 13 dieser Bestimmung obliegt diesem die Führung der Personalakten und Standesausweise.

Gemäß § 17 Abs. 1 AVG hat die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen (was hier nicht der Fall ist), den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten. Nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle ist gegen die Verweigerung der Akteneinsicht kein Rechtsmittel zulässig.

Die Beschwerdeführerin vertritt unter Hinweis auf die Erledigung vom 13. Februar 1995 die Auffassung, gegen sie seien "ungesetzliche disziplinäre Maßnahmen getroffen" und sie sei "sozusagen de facto außer Dienst gestellt" worden. Nach Auffassung der belangten Behörde sowie des Landesschulrates handle es sich hiebei um eine dienstrechtliche Maßnahme, welche aber nach Auffassung der Beschwerdeführerin "keine gesetzliche Deckung" gehabt habe. Aus dem Folgenden ergebe sich, daß es sich "im gegenständlichen Fall sehr wohl um eine Verwaltungsangelegenheit handelt, im Rahmen derer der Beschwerdeführerin das Recht auf Akteneinsicht zusteht". Der Landesschulrat für Steiermark als vorgesetzte Behörde des Bezirksschulrates Graz habe "jedenfalls über aufgezeigte Mängel des letzteren im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zu befinden. Er kann sich nicht einfach dadurch, daß er vermeint hiefür nicht zuständig zu sein, seiner Verpflichtung zum Tätigwerden entziehen und in diesem Zusammenhang auch ungerechtfertigt die Rechte im gegenständlichen Fall das Recht auf Akteneinsicht der Beschwerdeführerin beschneiden".

Dem ist folgendes zu entgegnen: Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben das Begehren der Beschwerdeführerin auf Grundlage des § 17 AVG verneint.

Voraussetzung für das Recht auf Akteneinsicht nach dieser Gesetzesstelle ist, daß der die Akteneinsicht begehrenden Person im betreffenden Verfahren Parteistellung zukommt. Das Recht auf Akteneinsicht steht im engsten Zusammenhang mit dem Recht auf Gehör und es soll den Parteien ermöglichen, genaue Kenntnis vom Gang des Verfahrens und von den Entscheidungsgrundlagen der Behörde zu erlangen. Der spezifische Sinn des § 17 Abs. 1 AVG liegt also darin, daß er ein subjektiv-prozessuales Recht der Partei schafft. Auch nach rechtskräftigem Abschluß des betreffenden Verwaltungsverfahrens haben die Parteien beispielsweise wegen allfälliger Stellung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder wegen Erhebung einer Beschwerde einen Anspruch auf Akteneinsicht, nicht aber dann, wenn im konkreten Fall die Akteneinsicht nicht den Zweck verfolgt, diese bereits rechtskräftig abgeschlossene Sache zu betreiben (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1987, Slg. Nr. 12553/A; dort wurde ausgesprochen, da das Recht auf Akteneinsicht einer Partei nur bei der Rechtsverfolgung ihrer den Gegenstand des Verfahrens bildenden Sache zukommt, sei die bescheidmäßige Verweigerung der Akteneinsicht nicht rechtswidrig, wenn diese begehrt worden sei, um - außerhalb des ursprünglichen Verfahrensgegenstandes - etwa eine Disziplinaranzeige zu erstatten oder zivilrechtliche Ansprüche wegen falscher Zeugenaussage geltend machen zu können).

Die bescheidmäßige Verweigerung der Einsicht in die Akten eines für die Behörde bereits abgeschlossenen Verfahrens stellt einen selbständigen verfahrensrechtlichen Bescheid dar, für den die Vorschrift des § 17 Abs. 4 AVG nicht gilt und der daher mit Berufung im Instanzenweg gemäß § 63 Abs. 2 AVG angefochten werden kann (siehe dazu die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, in E 7 zu § 17 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 17 AVG weiter ausgesprochen, daß die Verweigerung der Akteneinsicht im Zuge eines anhängigen Verfahrens eine Verfahrensanordnung ist, die keinen Bescheid darstellt, mag diese Verfügung auch in die äußere Form eines Bescheides gekleidet sein, weshalb schon aus diesem Grunde eine Berufung dagegen unzulässig ist. Die Rechtswidrigkeit einer solchen Weigerung kann erst und nur in dem Rechtsmittel gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid geltend gemacht werden (siehe Hauer/Leukauf, aaO, E 6a und b zu § 17 AVG).

Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, ergibt sich daraus folgendes:

Teilte man die Auffassung der Beschwerdeführerin, sie hätte gemäß § 17 AVG Akteneinsicht im Zuge eines laufenden Verwaltungsverfahrens begehrt, wäre ihre Berufung zurückzuweisen gewesen (womit sie das angestrebte Ziel auf diese Weise nicht hätte erreichen können). Im Beschwerdefall ist aber der Auffassung der Dienstbehörden beizutreten, daß ein konkretes Verwaltungsverfahren in diesem Sinne nicht anhängig war; die Beschwerdeführerin vermag auch kein derartiges Verfahren konkret zu bezeichnen. Die Berufung war daher zwar nicht unzulässig, aber nach dem zuvor Gesagten unberechtigt, weil die Beschwerdeführerin ein Interesse in der im zuvor genannten hg. Erkenntnis, Slg. Nr. 12553/A, umschriebenen Art nicht aufzuzeigen vermochte.

Das bedeutet aber nicht, daß die Beschwerde unberechtigt wäre: Die Beschwerdeführerin hat nämlich in ihrem Antrag, in den Personalakt Einsicht zu nehmen, keine Einschränkung auf die Rechtsgrundlage des § 17 AVG vorgenommen; diesen Weg sind erst die Dienstbehörden gegangen.

Das LDG 1984 enthält keine Bestimmungen über die Führung von Personalakten. Deren Führung wird aber offenkundig vorausgesetzt, weil andere Bestimmungen, wie § 4 Abs. 1 Z. 13 LDHG 1966 oder auch § 10a Abs. 3 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (B-PVG), daran anknüpfen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 13. April 1994, Zl. 91/12/0283).

Die im Beschwerdefall gemäß § 42 B-PVG anwendbare Bestimmung des § 10a Abs. 3 dieses Gesetzes normiert, daß die Einsichtnahme in einen Personalakt und in automationsgestützt aufgezeichnete Dienstnehmerdaten (durch einen Personalvertreter), die über die im Personalverzeichnis enthaltenen Daten hinausgehen, nur mit Zustimmung des betroffenen Bediensteten zulässig ist.

Macht aber diese gesetzliche Bestimmung die Einsicht in den Personalakt unter den dort genannten Umständen von der Zustimmung des Betroffenen abhängig, ist implizit vorausgesetzt, daß der betroffene Beamte seinerseits ein Recht auf Einsicht in den Personalakt hat, um festzustellen, ob er auf Grund dessen Inhaltes sein Einverständnis erklären soll oder nicht. Daraus folgt schon ein Recht auf Einsicht in den eigenen Personalakt (in den durch Art. 20 B-VG vorgegebenen Schranken), das unabhängig von § 17 AVG besteht und daher nicht die Anhängigkeit eines des Beamten betreffenden Verwaltungsverfahrens voraussetzt, was auch mit dem Charakter des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als Dauerrechtsverhältnis in Einklang steht.

Da die belangte Behörde dies verkannte und diesen Aspekt ungeprüft ließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des eingeschränkten Begehrens.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte