VwGH 95/04/0021

VwGH95/04/002122.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des P in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. Dezember 1994, Zl. 316.692/1-III/4/94, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §13;
GewO 1994 §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2 litb;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2;
GewO 1994 §28 Abs1;
AVG §13 Abs1;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §13;
GewO 1994 §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2 litb;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2;
GewO 1994 §28 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begehrte mit Ansuchen vom 13. Februar 1993 die "Erteilung der Gewerbeberechtigung für die Verlegung von Plattendächern und die Nachsicht vom Befähigungsnachweis". (Einem handschriftlichen Aktenvermerk ist des weiteren zu entnehmen, daß dieses Ansuchen am 21. April 1993 hinsichtlich des Wortlautes "aus der Produktion der Firma Bramac" ergänzt wurde). Zur Begründung seines Ansuchens führte der Beschwerdeführer aus, seinem Unternehmen biete sich (als Erweiterung der Geschäftstätigkeit) die Möglichkeit der Verlegung von Plattendächern. Leider besitze er dafür keine entsprechende schulische Ausbildung. Er habe diese Arbeiten bei der "Firma J in X" ausgeführt und lege dem Ansuchen sein im Lehrberuf Zimmerer erworbenes Lehrabschlußzeugnis bei.

Mit Eingabe vom 8. März 1993 ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, daß er im Rahmen seines (seit April 1988 bestehenden) Unternehmens "alle notwendigen kaufmännischen Tätigkeiten eigenständig durchführe". Über Vorhalt einer Stellungnahme der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol (Innung der Dachdecker und Pflasterer) brachte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 10. April 1993 ergänzend vor, er habe im Betrieb seines Vaters J - dieser sei seit 23. Februar 1983 zur Verlegung von "Bramac-Dächern" gewerblich befugt gewesen - die Möglichkeit gehabt, "einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen für das Dachdeckergewerbe betreffend Plattendächer (mit Betondachsteinen) zu erwerben".

Über Vorhalt der Erstbehörde (mit Schreiben vom 15. Juni 1993) ergänzte der Beschwerdeführer sein Ansuchen mit Eingabe vom 24. Juni 1993 dahingehend, daß er die jeweiligen Dachdeckerarbeiten mit Bramac-Dachziegeln persönlich durchgeführt habe. Hinsichtlich des Vorhaltes über das Vorliegen eines Ausnahmegrundes weise er darauf hin, daß im Bezirk X auch dann, wenn seinem Unternehmen die Berechtigung zur Verlegung von Plattendächern erteilt würde, "keine Überbesetzung mit Dachdeckerunternehmen gegeben wäre".

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. September 1993 wurde dem Beschwerdeführer "gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2, Abs. 3 und Abs. 5 zweiter Satz Gewerbeordnung 1973 die unbefristete Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zur Ausübung des Dachdeckergewerbes beschränkt auf die Verlegung von Plattendächern aus der Produktion der Firma Bramac verweigert".

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er führte darin im wesentlichen aus, er verfüge über die volle Befähigung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO. Aber auch wenn er nur die Voraussetzungen einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung zu erfüllen vermöge, hätte die Behörde den Ausnahmegrund der besonderen örtlichen Verhältnisse nicht ausschließlich durch eine Befragung von Konkurrenzunternehmen feststellen dürfen. Er habe von Unternehmen, die auf Arbeiten des Dachdeckergewerbes angewiesen seien, regelmäßig die Bestätigung erhalten, daß ein weiteres Unternehmen, das mit Betondachziegeln arbeiten dürfe, äußerst wünschenswert wäre. Der anfallende Bedarf habe nämlich wiederholt in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht abgedeckt werden können.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. Dezember 1994 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol "aus seinen hinsichtlich des Fehlens eines Ausnahmegrundes im wesentlichen zutreffenden Gründen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 GewO 1994 bestätigt". Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, das Dachdeckergewerbe werde im Bezirk X von drei Betrieben ausgeübt. Diese Betriebe seien jeweils 3 Kilometer, 2,5 Kilometer sowie 30 Kilometer vom Standort des Beschwerdeführers entfernt. Keiner der Inhaber dieser Betriebe habe erklärt, daß er dem Bedarf nach Dachdeckerarbeiten nicht nachkommen könnte. Zwei dieser Betriebsinhaber hätten ausdrücklich hervorgehoben, daß sie mit Dachdeckerarbeiten nicht voll ausgelastet seien. Im Berufungsverfahren sei hervorgekommen, daß es fallweise (kurzfristig) zu Engpässen kommen könne und Aufträge auch an Unternehmer in größerer Entfernung wie etwa in den Bezirken Wörgl, Kufstein und Pinzgau vergeben werden müßten. Im vorliegenden Fall könne aber schon deshalb nicht vom Vorliegen besonderer örtlicher Verhältnisse ausgegangen werden, weil der Beschwerdeführer sein Ansuchen weder auf einen bestimmten Standort noch einen bestimmten örtlichen Bereich beschränkt habe. Ungeachtet dieses Umstandes würden selbst unter der Annahme einer Beschränkung auf den Standort X besondere örtliche Verhältnisse nicht vorliegen. Daß der Bedarf durch die befugten Dachdecker nicht ausreichend gedeckt werden könne, habe sich nicht ergeben. Potentiellen Auftraggebern sei es durchaus zumutbar, auf Dachdeckerbetriebe aus angrenzenden Bezirken zurückzugreifen. Anhaltspunkte dafür, daß dem erst 29-jährigen Beschwerdeführer eine Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises nicht zuzumuten wäre, seien nicht hervorgekommen. Bei der Verlegung von Betondachsteinen seien verschiedene Dachsteinarten zu berücksichtigen. Die Produktionspalette der Firma Bramac umfasse auch Produkte wie "Biberschwanz oder Betondachsteine verschiedenster Art", die bei der Verlegung besondere fachliche Kenntnisse erfordern würden. Lediglich bei der Verlegung von Betonpreßfalzsteinen mit doppelter Fußverrippung und einfachen Dachformen seien keine derartigen besonderen Voraussetzungen erforderlich. Dem Ansuchen des Beschwerdeführers habe schon mangels Vorliegens eines Ausnahmegrundes keine Folge gegeben werden können. Auf die Frage seiner hinreichenden tatsächlichen Befähigung im Sinne von § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 - nur nach dieser Bestimmung komme überhaupt eine eingeschränkte Nachsicht in Betracht - habe daher nicht mehr eingegangen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem (einfachgesetzlich gewährleisteten) Recht auf Erteilung der Nachsicht gemäß § 28 GewO 1994 sowie in "meinen nach dem AVG 1991 gewährleisteten Verfahrensrechten" verletzt. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, es seien sowohl die Voraussetzungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 (volle Befähigung) als auch die nach der Z. 2 leg. cit. (hinreichende tatsächliche Befähigung) erfüllt. Im Hinblick auf seine praktische und theoretische Bildung in dem verfahrensgegenständlichen Teilbereich des Dachdeckergewerbes (nämlich die abgeschlossene Zimmererlehre, einschlägige Tätigkeit im väterlichen Betrieb, einschlägige Unterweisungen des früheren Arbeitgebers und der Firma Bramac, mehrjährige Führung eines bestehenden Betriebes mit Schindel- und Pappdächern sowie sein Selbstudium) hätte die belangte Behörde seine volle Befähigung annehmen müssen. Die belangte Behörde habe aber auch den Ausnahmegrund der besonderen örtlichen Verhältnisse zu restriktiv, nämlich im Sinne einer strengen Bedarfsprüfung ausgelegt. Dieser Begriff sei - nach Ansicht des Beschwerdeführers - dahingehend auszulegen, daß eine Nachsicht bereits zu erteilen sei, wenn aufgrund der örtlichen Verhältnisse ein weiteres Unternehmen mit Aufträgen "bedacht werden kann". Den Aussagen von Konkurrenzunternehmen hätte die belangte Behörde nicht folgen dürfen, da diese "offensichtlich aus finanziellen Überlegungen an der Schaffung eines neuen Betriebes naturgemäß nicht interessiert sind". Im Bereich X sei - nach Auskunft der auftragvergebenden Unternehmen - "mehr als genug Arbeit". Es gehe auch nicht darum, ob potentiellen Auftraggebern zuzumuten wäre, auf Dachdecker in angrenzenden Bezirken zurückzugreifen. Vielmehr komme es nur darauf an, ob es "günstig wäre", einen weiteren Gewerbebetrieb zuzulassen. Der Äußerung der Landesinnung vom 12. September 1994 über das Erfordernis besonderer fachlicher Kenntnisse sei von vornherein der Boden entzogen, weil schon die Erstbehörde zu dem Ergebnis gelangt sei, daß er "über die tatsächlichen Fähigkeiten verfüge". Entgegen der Ansicht der belangten Behörde bestehe auch nach Z. 1 leg. cit. (bei der vollen Befähigung) die Möglichkeit, eine beschränkte Nachsicht zu erteilen. Es sei nicht ausgeschlossen, daß nach "Abs. 1" um eine eingeschränkte Berechtigung angesucht werden könne. Wäre dies der Fall, wäre die Behörde verpflichtet gewesen, ihn zu manuduzieren bzw. zu informieren, daß das eingeschränkte auf ein volles Begehren auszudehnen sei. Soweit die Behörde moniere, daß der Antrag nicht auf einen bestimmten Standort oder örtlichen Bereich eingeschränkt worden sei, habe gleiches zu gelten. Die Behörde habe sich auch nicht mit dem EWR-Vertrag auseinandergesetzt. Da Inländer nicht schlechter als Ausländer behandelt werden könnten, hätte die belangte Behörde die beantragte Nachsicht unter Bedachtnahme auf die Zugangsmöglichkeit für EWR-Bürger erteilen müssen. Über seinen bisherigen Bildungsgang und seine Tätigkeit (tatsächliche Befähigung) habe die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen. Die Hauptbegründung, die im Spruch des angefochtenen Bescheides enthalten sei, "ist für mich nicht nachvollziehbar". Mit seiner Befähigung habe sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Die Bestimmung des § 28 Abs. 1 GewO 1994 lautet:

"Sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen."

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (das ist der 13. Dezember 1994) hatte die Bestimmung des § 28 Abs. 3 GewO 1994 folgenden Wortlaut:

"Die Nachsicht gemäß Abs. 1 Z. 2 kann auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist."

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2. März 1995, G 272/94-7, "in § 28 Abs. 3 der Gewerbeordnung 1994, Anlage zur Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der Gewerbeordnung 1973 wiederverlautbart, BGBl. Nr. 194/1994, die Wendung "Z. 2" als verfassungswidrig aufgehoben" und gleichzeitig ausgesprochen, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten. Der Ausspruch dieses Erkenntnisses wurde im Bundesgesetzblatt am 11. April 1995, BGBl. Nr. 264/1995, kundgemacht.

Der Beschwerdeführer hat gegen den Bescheid der belangten Behörde (vom 7. Dezember 1994) weder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben noch hat dieser (in dem genannten Erkenntnis) ausgesprochen, daß der vor der Aufhebung geltende Wortlaut des § 28 Abs. 3 GewO 1994 in den beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdesachen nicht anzuwenden wäre. Da der vorliegende Beschwerdefall somit nicht als Anlaßfall zu betrachten ist, ist zufolge Art. 140 Abs. 7 B-VG die aufgehobene Wendung "Z. 2" im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden.

Nach dieser Rechtslage war es aber nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausging, daß die Nachsichtserteilung mit Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes nur unter den Voraussetzungen gemäß Abs. 2 Z. 1 (hinreichende tatsächliche Befähigung), nicht aber unter den Voraussetzungen nach Abs. 1 Z. 1 (volle Befähigung) in Betracht kam. Schon aufgrund der genannten Rechtslage und das auf eine Teiltätigkeit des Dachdeckergewerbes beschränkte Nachsichtsansuchen des Beschwerdeführers müssen daher die zum Vorliegen der vollen Befähigung erstatteten Beschwerdeausführungen erfolglos bleiben.

Nur der Vollständigkeit halber ist diesen Ausführungen zu erwidern, daß die für die Nachsichtserteilung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 erforderliche volle Befähigung nur im Falle der Beherrschung des gesamten (hier freilich: eingeschränkt auf die gegenständliche Teiltätigkeit des Dachdeckergewerbes) Stoffes, umfassend die für die selbständige Ausübung des Gewerbes notwendigen Kenntnisse auf allen in der betreffenden Befähigungsnachweisverordnung angeführten (hier jedoch: für die Teiltätigkeit in Betracht kommenden) Sachgebieten, vorliegt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/04/0111, und vom 6. November 1995, Zl. 95/04/0146). Für den Beschwerdefall ist dies der in der Dachdecker-Meisterprüfungsordnung, BGBl. Nr. 96/1981, umschriebene Prüfungsstoff. Denn die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften bilden den Maßstab dafür, ob die Nachsichtsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. vorliegen. Die Nachsicht darf nämlich von vornherein nur erteilt werden, wenn die vom Nachsichtswerber absolvierte Ausbildung mindestens in gleicher Weise wie die in den den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften geforderte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen läßt (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/04/0124, und vom 19. März 1996, Zl. 95/04/0147). Daß er - auf welche Art auch immer - dieses fachlich-theoretische Ausbildungsziel (vgl. etwa nur die §§ 4 und 5 der genannten Dachdecker-Meisterprüfungsordnung) erreicht habe, wurde vom Beschwerdeführer jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde entsprechend konkretisiert behauptet. Es wäre daher selbst auf dem Boden der durch das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigten Rechtslage für den Standpunkt des Beschwerdeführers im Ergebnis nichts zu gewinnen.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er meint, daß die Behörde das Vorliegen der Befähigung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 zu Unrecht verneint habe. Diese Bestimmung normiert kumulativ als Tatbestandserfordernis die hinreichende tatsächliche Befähigung, das Nichtvorliegen eines Ausschlußgrundes (§ 13) UND das Vorliegen eines der alternativ umschriebenen Ausnahmegründe. Fehlt demnach auch nur eines der positiv erforderlichen Tatbestandselemente oder ist in Ansehung des Nachsichtswerbers ein Ausschlußgrund zu bejahen, dann führt bereits dies zur Abweisung des Nachsichtsansuchens, ohne daß die Beurteilung der anderen Tatbestandselemente an diesem Ergebnis etwas ändern können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1995, Zl. 94/04/0077).

Die belangte Behörde hat das Vorliegen des Tatbestandselementes der "hinreichenden tatsächlichen Befähigung" nur deshalb nicht geprüft, weil sie zufolge Verneinung eines Ausnahmegrundes bereits zur Abweisung des Nachsichtsansuchens - im Grunde des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 - gelangte. Bei dieser Sachlage wäre für den Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen in Ansehung des Tatbestandselementes der "hinreichenden tatsächlichen Befähigung" daher im Ergebnis nur dann etwas gewonnen, wenn die belangte Behörde den im Nachsichtsverfahren vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ausnahmegrund der "besonderen örtlichen Verhältnisse" nicht hätte verneinen dürfen.

Unter den besonderen örtlichen Verhältnissen im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. b GewO 1994 sind sonst nicht anzutreffende Bedarfsverhältnisse zu verstehen, also alle objektiv erfaßbaren Tatsachen, die in bezug auf die Gewerbeausübung in einem bestimmten örtlichen Bereich oder auch nur am gewählten Standort für die Erteilung der Nachsicht sprechen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/04/0124, und vom 16. Februar 1988, Zl. 87/04/0225, und die dort zitierte Vorjudikatur). Wenn hiebei von "sonst nicht anzutreffenden Bedarfsverhältnissen" die Rede ist, so ist damit nicht - schlechthin - die Frage des örtlichen Bedarfs angesprochen. Es muß sich vielmehr um eine außergewöhnliche Bedarfssituation handeln, was schon aus der Wortfolge "BESONDERE örtliche Verhältnisse" abzuleiten ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 1995, Zl. 95/04/0146).

Ausgehend davon kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß die belangte Behörde den Ausnahmegrund der "besonderen örtlichen Verhältnisse" nicht hätte verneinen dürfen. Dabei ist insbesondere nicht zu erkennen, daß das diesbezüglich durchgeführte Ermittlungsverfahren, nämlich die Befragung der Inhaber der einschlägigen Betriebe, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht geeignet gewesen wäre. Die Behörde durfte dem auf ihre Veranlassung befragten Personenkreis zugestehen, richtige Auskünfte über die Auftragslage zu geben. Sie durfte ferner davon ausgehen, daß trotz der Interessen der betreffenden Personen im wirtschaftlichen Wettbewerb deren Aussagen grundsätzlich geeignet seien, ein bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes verwertbares Bild vom Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu geben (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 16. Februar 1988, Zl. 87/04/0225, und vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/04/0124).

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer aber eine derart ungewöhnliche Bedarfssituation auch schon behauptungsmäßig nicht dargetan. Ausgehend von dem festgestellten Sachverhalt, wonach der Bedarf durch die im Bezirk X etablierten Dachdeckerbetriebe ausreichend gedeckt werden kann, vermag es der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde das Vorliegen des Ausnahmegrundes im Sinne von § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. b GewO 1994 verneinte. Der Beschwerdeführer verkennt des weiteren auch, daß er sein Nachsichtsansuchen nicht auf einen Standort eingeschränkt hat. Aufgrund seines in dieser Hinsicht unbeschränkten Ansuchens war es zudem nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde auch Bedarfsverhältnisse außerhalb des Bezirkes X in ihre Beurteilung einbezogen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt. Solcherart hatte aber allein der Beschwerdeführer (und nicht die Behörde) Umfang und Inhalt des über seinen Antrag eingeleiteten Nachsichtsverfahren zu bestimmen. Die Behörde war an den vom Beschwerdeführer (Antragsteller) nach dem Inhalt seiner Prozeßhandlungen erklärten Willen gebunden. Der an die belangte Behörde gerichtete Vorwurf, sie habe hinsichtlich allfälliger Antragsmodifzierungen ihrer Anleitungs- und Belehrungspflicht nicht entsprochen, erweist sich jedoch schon deshalb als nicht zielführend, weil die belangte Behörde über derartige erst im Instanzenzug vorgenommene Änderungen des antragsbedürftigen Nachsichtsansuchens - im Hinblick auf das Vorliegen eines neuen Antrages - dann nicht meritorisch zu entscheiden gehabt hätte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0014, und vom 26. September 1995, Zl. 94/04/0063). Dazu kommt, daß für die vom Beschwerdeführer angenommene Verpflichtung zur Rechtsberatung in Ansehung der rechtlichen Zulässigkeit seines Nachsichtsansuchen keine gesetzliche Grundlage besteht.

Mit seinen Ausführungen zum EWR-Vertrag vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht darzutun, da er nicht (konkret) ausgeführt hat, worin die sachverhaltsmäßigen Bezugspunkte zu der behaupteten "Inländerdiskriminierung" bestehen sollen.

Bei diesem Ergebnis mangelt es schon aus den dargelegten Gründen den in der Beschwerde behaupteten Verfahrensverletzungen an der erforderlichen Relevanz, da die belangte Behörde auch bei deren Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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