Normen
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §28 Abs1 idF 1993/029;
GewO 1973 §28 Abs1 Z2 idF 1993/029;
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §28 Abs1 idF 1993/029;
GewO 1973 §28 Abs1 Z2 idF 1993/029;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 22. April 1992 (eingelangt am 2. Juli 1992) begehrte der Beschwerdeführer die Erteilung der Gewerbeberechtigung zur Führung eines Technischen Büros für Elektrotechnik verbunden mit dem Antrag, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen. Er begründete seinen Antrag damit, daß er schon seit 1966 ein Technisches Büro für Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärtechnik betreibe. Entsprechend der auf eine Vereinigung der gesamten Haustechnik einschließlich Stark- und Schwachstromtechnik in einem einzigen Planungsbüro gerichteten Nachfrage der Auftraggeber habe er sich mit dieser Materie eingehend befaßt und die erforderlichen Kenntnisse im Selbststudium angeeignet. Er habe diesen Aufgabenbereich in der Zeit von 1. April 1974 bis 31. Juli 1978 als geschäftsführender Gesellschafter der Firma U in der "Zweigstelle T" geleitet. In den letzten Jahren habe er die in seinem Ansuchen aufgelisteten Anlagen geplant, ausgeschrieben und hinsichtlich der Ausführungsarbeiten überwacht.
Über ensprechende Aufforderung der Erstbehörde legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 3. August 1992 seinen beruflichen Ausbildungsweg (einschließlich seiner abgelegten Prüfungen und erlangten Zeugnisse) im einzelnen dar und stützte sich auf sein Alter (von 57 Jahren) sowie den im Bezirk T bestehenden Bedarf nach einem Technischen Büro für Elektrotechnik.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 27. Oktober 1992 wurde dem Ansuchen des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und die beantragte Nachsicht verweigert.
Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 17. Februar 1994 keine Folge und bestätigte gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 den Bescheid der Erstbehörde. Zur Begründung wurde (nach Darlegung der Rechtslage und der vom Beschwerdeführer abverlangten Unterlagen) im wesentlichen ausgeführt, es könne in Würdigung der vorgelegten Belege und des Vorbringens des Nachsichtwerbers angenommen werden, daß dieser "in einem bestimmten Umfang Kenntnisse auf dem Gebiet des von ihm angestrebten Gewerbes besitzt". Eine der im § 1 der einschlägigen Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten angeführten Schulen habe der Nachsichtwerber jedoch nicht besucht und seine nachgewiesene fachliche Tätigkeit habe sich bloß auf ein Teilgebiet des Gewerbes Haustechnik erstreckt. Bei dieser Sachlage könne daher nicht angenommen werden, daß der Nachsichtwerber die nach § 1 der vorerwähnten Verordnung als erforderlich anzusehenden fachtheoretischen Kenntnisse in einem die hinreichende tatsächliche Befähigung rechtfertigenden Umfang besitze. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Selbststudium sei schon "nach den allgemeinen Lebenserfahrungen" nicht geeignet, die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hinreichend zu vermitteln. Da schon die Tatbestandsvoraussetzung der vollen oder hinreichenden tatsächlichen Befähigung für das angestrebte Gewerbe nicht erfüllt sei, habe die Nachsicht ohne Prüfung der weiteren Voraussetzungen verweigert werden müssen.
Gegen diesen Berufungsbescheid (des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten) richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen nach in dem Recht auf Erteilung der angestrebten Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis verletzt. Des weiteren macht er ausdrücklich die Nichtanwendung des § 28 Abs. 3 GewO (gemeint 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992) als Beschwerdepunkt geltend. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe ihre Entscheidung widersprüchlich und nur unvollständig begründet. Obwohl die Behörde ihm zunächst bestimmte Fähigkeiten auf dem gegenständlichen Fachgebiet zugestehe, habe sie ihm diese ohne nähere Begründung im Ergebnis wieder abgesprochen. Hinsichtlich seines Selbststudiums fehle eine ausreichende Begründung. Die Behörde habe nicht beachtet, daß er kein "reines Selbststudium" betrieben habe, sondern dieses im Zusammenhang mit seiner nachgewiesenen theoretischen Ausbildung bzw. seiner abgelegten "Ingenieurprüfung" sowie seiner praktisch ausgeübten Tätigkeit beurteilt werden müsse. Die Elektrotechnik und die Heizungs- bzw. Lüftungstechnik würden fachliche Überschneidungen aufweisen. Die belangte Behörde habe nicht aufgezeigt, welche weiteren Kriterien er noch zusätzlich nachweisen hätte müssen. Die angewendete Maßstabstrenge führe dazu, daß der Nachweis eines gleichwertigen Prüfungssurrogates erforderlich und den Nachsichtbestimmungen derogiert werde. Selbst nach ihrer Rechtsansicht hätte die belangte Behörde die Nachsicht vom Befähigungsnachweis wenigstens für den Teilbereich der Elektrotechnik beschränkt auf die Haustechnik erteilen müssen.
Die Beschwerde ist aus folgenden Erwägungen berechtigt:
Vorauszuschicken ist, daß der Beschwerdeführer sich niemals auf das Vorliegen einer VOLLEN Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 berufen hat.
Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 ist, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und
a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder
b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann die Nachsicht auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 1994, Zl. 94/04/0042, vom 28. Februar 1995, Zl. 94/04/0195, und vom 24. August 1995, Zl. 95/04/0017) ausgeführt hat, kann von einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. nur dann gesprochen werden, wenn aufgrund der vom Nachsichtswerber beigebrachten Unterlagen bzw. aufgrund des Ergebnisses des über sein Vorbringen bzw. sonst durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Annahme gerechtfertigt erscheint, daß er immerhin über so viele Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die als erforderlich erachtet werden, um Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden. Ob eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers im Einzelfall vorliegt, wird die Gewerbebehörde in der Regel erst dann rechtsirrtumsfrei beurteilen können, wenn sie das Ermittlungsverfahren so gestaltet hat, daß sie aufgrund des Ergebnisses dieses Verfahrens in der Lage ist, folgende Fragen zu beantworten:
1. welche Leistungen im Rahmen des vom Nachsichtswerber angestrebten Gewerbes in der Regel zu erbringen sind,
2. welche Tätigkeiten beherrscht werden müssen, um solche Leistungen zufriedenstellend zu verrichten,
3. auf welche Weise der Nachsichtswerber die von ihm behaupteten Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat. Zur Ermittlung des danach maßgeblichen Sachverhaltes hat die Behörde allenfalls auch einen Sachverständigenbeweis - etwa auch in Gestalt einer informativen Befragung des Nachsichtswerbers durch den Sachverständigen - aufzunehmen. Den Nachsichtswerber trifft dabei eine Mitwirkungspflicht. Gleichwohl ist es jedoch ZUVOR Aufgabe der Behörde, der Partei mitzuteilen, mit welchen Angaben bzw. welchem Verhalten sie ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes zu entsprechen hätte. Eine nichtgehörige Mitwirkung unterliegt DANN der freien Beweiswürdigung (vgl. dazu nochmals das hg. Erkenntnis, Zl. 94/04/0195).
Demgegenüber hat die belangte Behörde es im gegenständlichen Nachsichtsverfahren unterlassen, taugliche Ermittlungsschritte (im oben dargestellten Sinn) zu setzen. So beschränkte sich die belangte Behörde darauf, schriftliche Unterlagen vom Nachsichtswerber abzuverlangen und allein diese zur Grundlage ihrer Beweiswürdigung zu machen. Daß damit das Hinreichen der behaupteten (tatsächlichen) Befähigung des Beschwerdeführers nicht abschließend beurteilt werden konnte, weil ein Selbststudium in der Regel einem schriftlichen Nachweis nicht zugänglich ist, liegt auf der Hand. Aus dem bloßen Nichtbesuch von Schulen, die für den Nachweis der vollen Befähigung erforderlich gewesen wären, allein durfte die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung jedoch noch keine negativen Schlußfolgerungen über das Fehlen der tatsächlichen Befähigung bzw. der fachtheoretischen Kenntnisse des Nachsichtswerbers ziehen, sondern die belangte Behörde hätte die behauptete Befähigung des Beschwerdeführers zum Gegenstand eines Sachverständigenbeweises machen müssen. Der Annahme (bzw. Mutmaßung), das Selbststudium des Beschwerdeführers sei nicht geeignet, liegen taugliche (nachvollziehbare) Ermittlungen der belangten Behörde jedenfalls nicht zugrunde. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darlegte, der Beschwerdeführer besitze "in einem bestimmten Umfang Kenntnisse auf dem Gebiet des von ihm angestrebten Gewerbes", dann läßt sie damit selbst erkennen, daß das rechtserhebliche Tatbestandsmerkmal, ob die Kenntnisse des Beschwerdeführers hinreichend im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. sind, um die (ebenfalls noch nicht festgestellten) in der Regel zu erbringenden Leistungen des angestrebten Gewerbes zufriedenstellend erbringen zu können, bislang im gegenständlichen Nachsichtsverfahren ungeklärt geblieben ist.
Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Hinsichtlich der hilfsweise (und erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof) gerügten beschränkten Berücksichtigung des Nachsichtsansuchens (auf den Bereich der haustechnischen Elektrotechnik) ist zu bemerken, daß die belangte Behörde über erst im Instanzenzug erfolgende Einschränkungen des antragsbedürften Nachsichtsansuchens nicht zu entscheiden hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0014).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der zufolge Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
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