VwGH 95/03/0037

VwGH95/03/00375.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Grosch & Partner OEG, Rechtsanwälte in Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen die in einer gemeinsamen Ausfertigung zusammengefaßten Bescheide des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (Kammer- und Einzelmitglied) vom 13. Oktober 1994, Zl. 2/36-5/1994, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
B-VG Art140 Abs7;
StVO 1960 §99 Abs6 litc idF 1994/518;
VStG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §38;
B-VG Art140 Abs7;
StVO 1960 §99 Abs6 litc idF 1994/518;
VStG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung der Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 zur Gänze und in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 hinsichtlich des Ausspruchs über die Strafe und den Kostenersatz wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt, weil er am 26. Februar 1994, gegen 20.10 Uhr, an einem näher angegebenen Ort ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe; mit demselben Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 schuldig erkannt, weil er dabei einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang verursacht und es unterlassen habe, sofort die nächste Gendarmeriedienststelle vom Vorfall zu verständigen. Die belangte Behörde hat hinsichtlich der erstgenannten Verwaltungsübertretung die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe von S 14.000,-- auf S 10.000,-- (bei Uneinbringlichkeit 10 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) sowie hinsichtlich der zweitgenannten Verwaltungsübertretung die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- auf S 2.000,-- (bei Uneinbringlichkeit 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid zunächst folgendes ein: Es stehe außer Streit, daß dem Beschwerdeführer aus demselben Ereignis zum selben Tatvorwurf am gleichen Tag zwei Straferkenntnisse der Erstbehörde zugestellt worden seien; diese beiden Straferkenntnisse unterschieden sich im wesentlichen durch eine unterschiedliche Fassung des Spruches. Aufgrund der äußeren Form könne keine Unterscheidung der beiden Straferkenntnisse getroffen werden, keines der beiden Straferkenntnisse habe den Stempel "Konzept" aufgewiesen. Für den Beschwerdeführer hätten sohin beide Straferkenntnisse die gleiche Rechtswirkung gehabt. Es sei daher rechtswidrig, wenn die belangte Behörde unter Wahrung des Grundsatzes des Verbots der Doppelbestrafung nur ein Straferkenntnis - das sie in ihrem aufhebenden Bescheid als "Konzept" eingestuft habe - aufhebe, zumal mit dieser Begründung nur ein zeitlich nachfolgendes Straferkenntnis aufgehoben werden könne. Die belangte Behörde hätte sohin jedenfalls beide Straferkenntnisse der Erstbehörde, welche gleichzeitig zugestellt worden seien, zu beheben gehabt.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend, wird doch gerade durch die von der belangten Behörde vorgenommene - nicht bestrittene - Aufhebung eines der beiden Straferkenntnisse der Erstbehörde ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen werden und in diesem Sinne eine Doppelbestrafung Platz greifen kann. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinen gesetzlichen Rechten unter diesem Gesichtspunkt liegt somit nicht vor. Im übrigen wird angemerkt, daß die belangte Behörde vor dem Hintergrund, daß dem Beschwerdeführer die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Taten - wie der Beschwerdeführer selbst festhält - mit einem Schreiben der Erstbehörde vom 14. März 1994 zur Last gelegt wurden und diese Verfolgungshandlung somit beiden Straferkenntnissen der Erstbehörde zugrundeliegt, auch den für den angefochtenen Bescheid maßgeblichen Erstbescheid aufheben und das von der belangten Behörde aufgehobene Straferkenntnis der Erstbehörde entsprechend abändern hätte können.

2. Zur Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960:

Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, daß der Beschwerdeführer - worauf auch die Beschwerde hinweist - mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. August 1994, Zl. 23 Vr 656/94, 23 Hv 68/94, wie folgt für schuldig erkannt wurde:

"Der Beschuldigte M ... ist schuldig, er hat am

26.02.1994 in W als Lenker des PKW"s .... durch mangelnde

Vorsicht und Aufmerksamkeit im Straßenverkehr sowie Lenken eines KFZ in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (2,6 Promille Blutalkoholgehalt), wodurch er die Fußgängerin A. von hinten anfuhr, wodurch diese an den dabei erlittenen Verletzungen verstarb, die A. fahrlässig getötet."

Der Beschwerdeführer habe hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Tötung (unter besonders gefährlichen Verhältnissen) nach § 81 Z. 1 StGB begangen. Er wurde hiefür gemäß § 81 StGB unter Anwendung des § 5 JGG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 200 Tagessätzen sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Geldstrafe für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen.

Das Urteil ist, wie sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt, rechtskräftig, die Rechtskraft ist nach einer Mitteilung des Landesgerichtes Innsbruck am 28. Oktober 1994 eingetreten.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G 9/96 u.a., die Wortfolge "in Abs. 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, idF der 19. StVO-Novelle, als verfassungswidrig aufgehoben bzw. festgestellt, daß die Wortfolge "in Abs. 2, 3 oder 4 bezeichnete" im § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960 idF vor der 19. StVO-Novelle, verfassungswidrig war. Weiters hat der Verfassungsgerichtshof (u.a.) ausgesprochen, daß die als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmungen auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden sind, die am 5. Dezember 1996 bei einem unabhängigen Verwaltungssenat oder beim Verwaltungsgerichtshof anhängig waren.

Wie sich aus dem den zuletzt genannten Ausspruch stützenden Art. 140 Abs. 7 B-VG ergibt, wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auch auf den Anlaßfall zurück. Es ist darum so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Der angefochtene Bescheid wurde nach dem Beschwerdevorbringen durch seine Zustellung an den Beschwerdevertreter am 30. Dezember 1994 gegenüber dem Beschwerdeführer - und somit nach dem Eintritt der Rechtskraft des genannten Urteils des Landesgerichtes Innsbruck mit 28. Oktober 1994 - erlassen. Der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol wandte bei der Erlassung dieses Bescheides im Zusammenhalt mit § 99 Abs. 1 lit. a (auch) § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960, idF nach der 19. StVO-Novelle an, wonach eine Verwaltungsübertretung nicht vorliegt, "wenn eine in Abs. 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht". Die Frage, ob die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht, stellt sich als Vorfrage dar, die im Hinblick auf das Vorliegen der diesbezüglich bindenden gerichtlichen Verurteilung nicht neuerlich zu prüfen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 97/03/0013).

Der angefochtene Bescheid war daher diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3.1. Aus § 4 Abs. 2 StVO ergibt sich, daß alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall, bei welchen Personen verletzt worden sind, in ursächlichem Zusammenhang steht, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen haben.

3.2.1. Die Beschwerde wendet - gegen den angefochtenen Bescheid insgesamt und damit auch bezüglich der Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 - ein, daß aufgrund der "objektiven Beweisergebnisse" Volltrunkenheit des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt anzunehmen gewesen wäre. Der im Berufungsverfahren herangezogene Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 16. September 1994 zusammenfassend festgehalten, daß eine Vollberauschung des Beschwerdeführers zum Unfallszeitpunkt nicht auszuschließen wäre, woraus resultiere, daß eine Unzurechnungsfähigkeit ebenfalls nicht auszuschließen wäre. Wenn die belangte Behörde abweichend vom Ergebnis des Sachverständigen eine Volltrunkenheit nicht annehme, sei dies verfehlt und rechtswidrig. Die belangte Behörde habe sich angemaßt, eine allfällige Unzurechnungsfähigkeit besser als der Sachverständige beurteilen zu können. Es sei jedenfalls verfehlt, den Grad der Alkoholisierung des Beschwerdeführers nach den Aussagen zweier Zeugen einzuschätzen; die Aussage des Zeugen H., eines Freundes und Beifahrers des Beschwerdeführers, der lediglich davon gesprochen habe, daß der Beschwerdeführer "ein bißchen alkoholisiert war", sei mit dem vorliegenden objektiven Meßergebnis absolut unvereinbar, weshalb diese Aussage schon aus diesem Grunde zur Beurteilung nicht herangezogen werden könne. Die Aussage des Zeugen Insp. M. stelle keine taugliche Grundlage dar, da dieser nur kurze Zeit mit dem Beschwerdeführer zu tun gehabt habe.

3.2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß ein die Zurechnungsfähigkeit ausschließender Rauschzustand des Beschwerdeführers nicht angenommen werden könne, und hat dazu begründend folgendes ausgeführt: Diese Beurteilung gründe sich in erster Linie auf die Ausführungen des Amtssachverständigen Dr. Wimmer anläßlich seiner Einvernahme im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung. Wenngleich der Amtssachverständige im Zuge seines schriftlich erstatteten Gutachtens zusammenfassend ausgeführt habe, daß eine Vollberauschung aufgrund der angestellten Berechnungen nicht auszuschließen sei und daher eine Unzurechnungsfähigkeit ebenfalls nicht auszuschließen sei, so habe er seine Aussagen im Zuge der Verhandlung unter Bedachtnahme der Aussagen der Zeugen H. und Insp. M. dahingehend relativiert, daß sich daraus kein Hinweis auf einen Vollrausch ergäbe. Aufgrund der Ausführung des Amtssachverständigen ergebe sich auf der Grundlage von Berechnungen ein Alkoholisierungsgrad zum Tatzeitpunkt von mindestens 1,3 Promille bis höchstens 3,33 Promille. Auf der Grundlage der Darstellungen der Zeugen H. und Insp. M. habe der Amtssachverständige den Alkoholisierungsgrad dahingehend beurteilt, daß nicht einmal von einer mittelstarken Alkoholisierung des Beschwerdeführers zum Fahrzeitpunkt ausgegangen werden könnte. Weiters habe er ausgeführt, daß das Verhalten des Beschwerdeführers, wie es "aufgrund der Zeugen" geschildert worden wäre, durchaus mit dem Mindestalkoholgehalt von 1,3 Promille vereinbar wäre, diesfalls auch die Kombination zwischen Blutalkoholwert und Atemalkoholwert "passe". Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer nach Angaben des Sachverständigen im Falle eines Vollrausches einen schwankenden Gang gehabt haben, er darüber hinaus schläfrig und unkonzentriert gewesen sein müßte und weiters nicht in der Lage gewesen wäre, zusammenhängende Aussagen abzugeben oder eine sinnvolle Unterhaltung mit seinem Beifahrer zu führen, erscheine die vom Sachverständigen getroffene Beurteilung, daß im gegenständlichen Falle "von einer geringen Alkoholisierung" auszugehen sei, als schlüssig. Tatsächlich habe das durchgeführte Beweisverfahren eine Vielzahl von Anhaltspunkten dafür gebracht, daß sich der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden habe. So sei etwa in der Anzeige vom 28. Februar 1994 in bezug auf die Symptome der Alkoholisierung festgehalten worden, daß die Sprache des Beschwerdeführers deutlich und sein Verhalten ruhig gewesen seien. Zum Verhalten des Beschwerdeführers habe der Zeuge Insp. M. im Zuge seiner Einvernahme bei der Berufungsbehörde ausgeführt, daß dieser die von ihm gestellten Fragen präzise beantwortet und präzise verstanden habe. Auch habe der Beschwerdeführer eine genaue Schilderung des Geschehnisablaufes geben können. Diese Angaben ließen sich auch mit jenen des Zeugen H. in Einklang bringen. Dieser habe im Zuge seiner Einvernahme vor der belangten Behörde erklärt, er habe den Eindruck gehabt, daß der Beschwerdeführer "ein bißchen alkoholbeeinträchtigt" gewesen sei. Es sei aber keinesfalls so gewesen, daß der Beschwerdeführer auf ihn einen stark durch Alkohl beeinträchtigten Eindruck gemacht habe. Sein Verhalten sei ganz normal gewesen, er habe noch ein bißchen nach Alkohl gerochen. Diese Ausführungen deckten sich mit jenen Aussagen, welche der Zeuge H. am 28. Februar 1994 gegenüber der Gendarmerie sowie am 7. Juni 1994 vor dem Landesgericht Innsbruck gemacht habe. Die Richtigkeit der Angaben des Zeugen H. würden auch durch die Ausführungen der Mutter des Beschwerdeführers am 26. Juli 1994 vor dem Landesgericht Innsbruck gestützt, wonach diese, bezogen auf den Zeitpunkt unmittelbar vor dem Unfall, angebenen habe, der Beschwerdeführer habe auf sie keinen stark alkoholisierten Eindruck gemacht. Überdies spreche auch die vom Beschwerdeführer in der Niederschrift vom 26. Februar 1994 festgehaltene Darstellung im Bezug auf seine Fahrweise gegen das Vorliegen einer Vollberauschung.

Wenn die Behörde auf dieser Grundlage - wenn auch nicht gesagt werden kann, daß es sich im Fall des Beschwerdeführers lediglich um eine "geringe Alkoholisierung" gehandelt habe - angenommen hat, daß aufgrund des situationsbezogenen Verhaltens des Beschwerdeführers eine seine Zurechnungsfähigkeit ausschließender Rauschzustand zum Tatzeitpunkt nicht angenommen werden kann, begegnet dies keinen Bedenken (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 1997, Zl. 97/02/0044, 0045 und vom 26. Mai 1993, Zl. 92/03/0008).

3.3. Die Beschwerde bringt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften weiters vor, daß der Beschwerdeführer bei der mündlichen Berufungsverhandlung die Einvernahme einer näher genannten Zeugin zum Beweis dafür beantragt habe, daß der Beschwerdeführer die Verständigung der Gendarmerie nach § 4 Abs. 2 StVO veranlaßt habe; es sei keinesfalls ausgeschlossen, daß die Einvernahme dieser Zeugin ergebe, daß der Beschwerdeführer die Gendarmerie tatsächlich verständigen habe lassen bzw. davon ausgehen habe können, daß die Gendarmerie bereits verständigt sei.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Richtig ist zwar, daß die Anzeigepflicht gemäß § 4 Abs. 2 StVO unter anderem auch durch einen Dritten erfüllt werden kann. Das bedeutet - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. November 1994, Zl. 84/02/0218, ausgeführt hat - aber nicht, daß die Verpflichtung an sich übertragbar wäre, sondern es wird dem Verpflichteten damit lediglich die rechtliche Möglichkeit eingeräumt, sich diesbezüglich auch der Mitwirkung eines Dritten zu bedienen, weshalb der Verpflichtete strafbar bleibt, wenn er sich nicht davon überzeugt, ob der Bote auch den Auftrag im Sinn des Gesetzes befolgt hat. Daß sich der Beschwerdeführer in diesem Sinne davon überzeugt hätte, ob ein von ihm allfällig in Anspruch genommener Bote tatsächlich die Verständigung im Sinne des § 4 Abs. 2 leg. cit. vorgenommen hat, wird in der Beschwerde aber nicht einmal behauptet.

3.4. Die Beschwerde bekämpft auch die Strafhöhe. Diesbezüglich wendet sie ein, die belangte Behörde habe offenbar übersehen, daß es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Jugendlichen handle. Nach § 20 VStG komme bei einem Jugendlichen die außerordentliche Strafmilderung unabhängig davon in Betracht, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwögen. Der Beschwerdeführer habe daher vorliegend einen Rechtsanspruch auf Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gehabt. Die belangte Behörde sei aber der falschen Rechtsauffassung gewesen, daß auch bezüglich des Beschwerdeführers die außerordentliche Strafmilderung nur dann zum Tragen käme, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe überwögen. Gestützt auf diese falsche Rechtsauffassung habe die Behörde rechtswidrig von der außerordentlichen Milderung der Strafe abgesehen.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes räumt § 20 VStG der Behörde ungeachtet der Verwendung des Wortes "kann" kein Ermessen ein. Ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, dann hat er einen Rechtsanspruch auf die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes. Die Behhörde hat in diesem Fall der Strafbemessung einen Strafrahmen zugrundezulegen, dessen Untergrenze die Hälfte der (gesetzlichen) Mindeststrafe beträgt und ausgehend davon die Strafe innerhalb des solcherart (nach unten) geänderten Strafrahmens festzusetzen. Die Strafzumessung innerhalb dieses sich aus der Anwendung des § 20 VStG ergebenden Strafrahmens ist - wie in den Fällen, in denen das außerordentliche Milderungsrecht nicht zur Anwendung gelangt - in das Ermessen der Behörde gestellt, das sie nach den Kriterien des § 19 VStG auszuüben hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 31. Jänner 1990, Zl. 89/03/0027, vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0015, und vom 2. September 1992, Zl. 92/02/0150). Dies hat die belangte Behörde aber verkannt, wenn sie § 20 VStG bei der Strafbemessung betreffend die Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 nicht herangezogen hat, wäre doch der Beschwerdeführer, der zur Zeit der Tat (am 26. Februar 1994) das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, von der belangten Behörde als Jugendlicher (§ 4 Abs. 2 VStG) zu behandeln gewesen.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Ausspruchs über die Strafe (und die damit verbundenen Kosten) betreffend die Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde betreffend die genannte Übertretung gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte