Normen
BauG Stmk 1995 §119 Abs2;
BauO Stmk 1968 §70a;
BauRallg;
VwRallg;
BauG Stmk 1995 §119 Abs2;
BauO Stmk 1968 §70a;
BauRallg;
VwRallg;
Spruch:
In Anwendung des § 42 Abs. 4 VwGG und des § 73 AVG wird aufgrund des Antrages der Beschwerdeführerin vom 10. Februar 1993 gemäß § 70a Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 der Abbruch der auf dem Grundstück 462/5, KG F, errichteten baulichen Anlagen, nämlich eines LKW-Abstellraumes, der in einem Abstand von 0,9 bis 1,35 m zur Grenze der Grundstücke der Beschwerdeführerin errichtet ist, sowie des Tank-, Lager-, Geräte- und Bürogebäudes binnen 4 Monaten ab Zustellung dieses Erkenntnisses angeordnet.
Die Gemeinde F hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Antrag vom 10. Februar 1993, eingelangt bei der Gemeinde F am 15. Februar 1993, beantragte die Beschwerdeführerin als grundbücherliche Eigentümerin der EZ 85 mit (unter anderem) den Grundstücken 1620/2, 464, 462/2, 1393/1, 462/1, jeweils der KG F, gestützt § 70a Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung die Erlassung eines Beseitigungsauftrages hinsichtlich der vorschriftswidrigen und konsenslosen Baulichkeiten auf dem Grundstück 462/5 der EZ 408, KG F. Die im Kopf des Erkenntnisses genannten zwei weiteren Parteien des Verfahrens sind grundbücherliche Hälfteeigentümer dieser Liegenschaft. Zur Begründung wurde ausgeführt, es würden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte gemäß § 61 Abs. 2 BO verletzt, weil die Gebäudeabstände zu den Grenzen der Grundstücke der Beschwerdeführerin im Bereich des Geräteraumes auf eine Länge von 5,25 m 60 cm, im Bereich des Büro- und Lagerraumes 1,7 m, im Bereich des Dieseltankraumes 2,7 m und im Bereich des LKW-Abstellraumes verlaufend zwischen 0,9 m bis 1,35 m betragen, damit aber die erforderlichen Gebäudeabstände zu den jeweiligen Grenzen gemäß § 4 der Steiermärkischen Bauordnung deutlich nicht eingehalten würden. Die Zustimmung zur Bauführung sei von der Beschwerdeführerin ausdrücklich nicht erteilt worden.
Mit Schriftsatz vom 2. Februar 1994, eingelangt bei der Gemeinde am 3. Februar 1994, beantragte die Beschwerdeführerin den Übergang der Zuständigkeit an die belangte Behörde. Da auch über diesen Devolutionsantrag nicht entschieden wurde, erhob die Beschwerdeführerin die am 19. Oktober 1994 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte und zur Zl. 94/06/0218 protokollierte Beschwerde. Sie verwies darauf, daß von der belangten Behörde innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung über den Devolutionsantrag gefällt wurde.
Mit Verfügung vom 25. Oktober 1994 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein. Die Beschwerde wurde der belangten Behörde mit dem Auftrag zugestellt, gemäß § 36 Abs. 2 VwGG innerhalb der Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und dem Verwaltungsgerichtshof eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Die Verfügung vom 25. Oktober 1994 wurde der belangten Behörde am 4. November 1994 zugestellt. Mit einer am 3. Februar 1995 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Eingabe ersuchte die Gemeinde F um Erstreckung der Frist zur Erlassung eines Abbruchsbescheides; mit Verfügung vom 9. Februar 1995 wurde die Frist zur Erlassung des Bescheides um neun Monate ab Zustellung der Verfügung verlängert.
In der Folge wurde der Bescheid nicht erlassen, aufgrund der Aktenbetreibung durch den Verwaltungsgerichtshof wurden die Verwaltungsakten am 15. Jänner 1997 mit dem Bemerken vorgelegt, die Gemeinde sei nicht in der Lage, einen Abbruchbescheid zu erlassen.
Mit Verfügung vom 24. Jänner 1997 wurden Josef und Cäcilia S das aus der Aktenlage hervorgehende Ermittlungsergebnis und die beabsichtigte Erfüllungsfrist von 4 Monaten mit der Möglichkeit zur Stellungnahme binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verfügung zur Kenntnis gebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde F vom 12. April 1985 wurde gemäß § 73 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ab Zustellung des Bescheides die Einstellung der Baumaßnahmen auf dem LKW-Abstellplatz auf den Parzellen Nr. 462/5 und 463 verfügt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Mit Eingabe vom 18. Mai 1992 hat Josef S die Erteilung der Widmungs- und Baubewilligung für den Neubau eines LKW-Abstellraumes auf dem Grundstück Nr. 462/5 der Katastralgemeinde beantragt. Aufgrund dieses Ansuchens wurde am Donnerstag, dem 11. Juni 1992, eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle angeordnet. Den Niederschriften über die Widmungs- und Bauverhandlung vom 11. Juni 1992 ist zu entnehmen, daß der Sachverständige die Feststellung getroffen hat, wonach die bestehende Bauführung auf dem Grundstück Nr. 462/5 zu den anrainenden Grundstücken der Beschwerdeführerin den gesetzlichen Gebäudeabstand von mindestens 3 m nicht aufweist. Die entsprechenden Gebäudeabstände zu den Grundstücksgrenzen der Beschwerdeführerin im Bereich des Geräteraumes betragen auf eine Länge von 5,25 m ca. 60 cm, im Bereich des Büro- und Lagerraumes ca. 1,70 m, im Bereich des Dieseltankraumes 2,70 m und im Bereich des LKW-Abstellraumes verlaufend ca. 90 cm bis 1,35 m.
Mit Bescheid vom 5. April 1994 wurde Josef S die Widmungsbewilligung für das Grundstück Nr. 462/5, KG F, zwecks Schaffung eines Bauplatzes für den Neubau eines LKW-Abstellraumes erteilt, wobei die Baugrenzlinien zu den Grundstücken Nr. 269/1, 1620/2, 464, 462/2 und 1393 mit mindestens 3 m für die offene Verbauung vorgeschrieben wurden. Eine Baubewilligung wurde nach der Aktenlage nicht erteilt, auch ein Bescheid gemäß § 40 Abs. 3 des Baugesetzes ist nicht ergangen.
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag vom 10. Februar 1993 die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes (Einhaltung der Seitenabstände, § 61 Abs. 2 lit. d Stmk. BO 1968) geltend gemacht. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ist davon auszugehen, daß das Gebäude, das unter Verletzung der Abstandsvorschriften errichtet wurde, zum Zeitpunkt der Bauausführung nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ein bewilligungspflichtiges Vorhaben war, durch welches die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Unterschreitung der Abstände in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten beeinträchtigt sein konnte. Unter diesen Voraussetzungen wäre aber die Baubehörde erster Instanz gemäß § 70a Stmk. Bauordnung iVm § 119 Abs. 2 leg. cit. verpflichtet gewesen, über den Antrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden. Da der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz durch mehr als sechs Monate über den Antrag nicht entschieden hat, stellte die Beschwerdeführerin zu Recht einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 AVG. Da auch die belangte Behörde durch mehr als sechs Monate keine Entscheidung fällte, hat die Beschwerdeführerin eine nach § 27 VwGG zulässige Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Da innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides die belangte Behörde keine Entscheidung in bezug auf den Antrag der Beschwerdeführerin getroffen hat, war der Verwaltungsgerichtshof gehalten, in der Sache selbst zu entscheiden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgrund der nunmehr gegebenen Sach- und Rechtslage den Antrag der Beschwerdeführerin zu erledigen, wobei gemäß § 119 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59 (BauG), zu berücksichtigen ist, daß die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. August 1995) anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen sind.
Der Beschwerdeführerin kommt demnach ein Anspruch darauf zu, daß über ihren, noch während des Geltungsbereiches der Steiermärkischen Bauordnung 1968 gestellten und auf deren auf § 70a Abs. 2 gestützten Antrag abgesprochen wird. Da entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Erteilung baupolizeilicher Aufträge im allgemeinen und mangels entgegenstehender Vorschrift im § 70a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 auch bei der Erteilung von Aufträgen nach dieser Gesetzesstelle die Bewilligungspflicht des in Rede stehenden Bauwerkes auch zum Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages gegeben sein muß, ist bei der Erteilung baupolizeilicher Aufträge insoweit stets auch auf die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage abzustellen. § 119 Abs. 2 Stmk. Baugesetz 1995 kann nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber mit dieser Übergangsvorschrift auch eine Änderung dieses Grundsatzes anordnen wollte. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß im Verfahren nach § 70a Stmk. BauO 1968, das gemäß § 119 Abs. 2 Stmk. BauG 1995 grundsätzlich nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen ist, hinsichtlich der Beurteilung der Bewilligungspflicht des Bauwerkes im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages auf das Baugesetz 1995 abzustellen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zl. 96/06/0066).
Das hier zu beurteilende Gebäude (mit Geräteraum, Büro, Lagerraum, Dieseltankraum und LKW-Abstellraum) unterliegt der Bewilligungspflicht des § 19 Abs. 1 BauG. Die Voraussetzungen der §§ 20 und 21 BauG liegen nicht vor.
Das errichtete Gebäude hält weder die Abstände des § 4 Abs. 1 BO noch jene des § 13 Abs. 1 bzw. Abs. 9 des Baugesetzes ein.
Gemäß § 70a Abs. 1 BauO 1968 sind vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt wurde, zu beseitigen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung steht den Nachbarn das Recht zu, die Baueinstellung und die Beseitigung zu verlangen, wenn die Bauarbeiten nach Abs. 1 ihre Interessen (§ 61 Abs. 2) verletzen.
Da das gegenständliche Gebäude sowohl zum Zeitpunkt seiner Errichtung als auch derzeit von der Bewilligungspflicht erfaßt ist, die Baubewilligung nicht erteilt wurde und die Beschwerdeführerin durch die festgestellte Unterschreitung des erforderlichen Abstandes in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt wurde, war der Beseitigungsauftrag zu erlassen. Die festgesetzte Erfüllungsfrist von vier Monaten erscheint im Hinblick auf den Umfang der baulichen Anlagen und die durchzuführenden Arbeiten (Abbruch) angemessen. Im übrigen wurden die weiteren Parteien von der in Aussicht genommenen Erfüllungsfrist mit Verfügung vom 24. Jänner 1997 in Kenntnis gesetzt, sie haben sich dazu nicht geäußert.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des Kostenbegehrens auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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