VwGH 94/05/0305

VwGH94/05/030527.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerden 1. des M, und weiteren 43 Beschwerdeführern, alle in A, alle vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 15. Dezember 1993, Zl. 06 3546/87-V/4/93-Str, betreffend Genehmigung einer Sonderabfallaufbereitungsanlage (mitbeteiligte Partei: OÖ. L-Ges.m.b.H. in L, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §42;
AVG §8;
AWG 1990 §29 Abs4;
AWG 1990 §29 Abs5 Z5;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §75 Abs2;
AVG §37;
AVG §42;
AVG §8;
AWG 1990 §29 Abs4;
AWG 1990 §29 Abs5 Z5;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §75 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer zusammen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der OÖ. L-Ges.m.b.H. in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 6. September 1991 beantragte die Mitbeteiligte die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für das Projekt "Sonderabfallaufbereitungsanlage Asten". Mit Schreiben vom 2. Juli 1992 ersuchte die Abfallbehörde, der Landeshauptmann von Oberösterreich, die Marktgemeinde Asten, ab 9. Juli 1992 eine Bekanntmachung an der Amtstafel anzuschlagen. Nur in ihrem Schreiben vom 2. Juli 1992 hat die Abfallbehörde das Datum des Genehmigungsansuchens unrichtig mit 6.9."1992" wiedergegeben; hingegen lautet die tatsächlich an der Amtstafel der Gemeinde angeschlagene Bekanntmachung wie folgt:

"Bekanntmachung

Gemäß § 29 Abs. 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, wird bekanntgemacht:

Die O.ö. L-Gesellschaft m.b.H. beantragte mit der Eingabe vom 6.9.1991 die Erteilung der Genehmigung für das Projekt "Sonderabfallaufbereitungsanlage Asten" in der Marktgemeinde Asten, Grundstück Nr. n1, KG. X.

Diesem Antrag wurde ein Projekt in 4-facher Ausfertigung beigelegt. Die Nachbarn, die von diesem Projekt berührt werden, haben die Möglichkeit, bis zum 20. 8.1992 begründete schriftliche Einwendungen gegen die Genehmigung dieser Anlage bei der Abfallwirtschaftsbehörde, Amt der o.Ö. Landesregierung, Umweltrechtsabteilung, Christian-Coulin-Straße 15, 4020 Linz, unter Angabe der Geschäftszahl einzubringen.

Das Projekt liegt ab Donnerstag, 9.7.1992, während der Amtsstunden beim Marktgemeindeamt Asten, 4481 Asten, zur Einsichtnahme auf. Parteistellung in diesem Verahren haben Nachbarn, die Einwendungen innerhalb der 6-wöchigen Frist erhoben haben."

Diese Bekanntmachung wurde über Auftrag der Behörde auch in der "Kronen-Zeitung" abgedruckt.

Die Dritt-, Achtzehnt-, Neunzehnt-, Vierundzwanzigst-, Fünfundzwanzigst-, Sechsundzwanzigst-, Dreißigst-, Einunddreißigst- und Sechsunddreißigstbeschwerdeführer richteten daraufhin Eingaben an die Behörde, in welchen sie die Einräumung der Parteistellung begehrten. Weiteres Vorbringen wurde von ihnen nicht erstattet. Bei der Verhandlung vom

10. und 12. Mai 1993 wurde vom bau- und gewerbetechnischen Sachverständigen auf folgende Abweichungen vom Projekt hingewiesen:

"Abweichend vom Projekt wird im Lager für Leeremballagen ebenfalls ein Abfluß hergestellt und werden anfallende Flüssigkeiten ebenso wie beim Shredderraum über eine Hebeanlage nach vorheriger Analyse und Feststellung der Eignung zur Abwasserbehandlungsanlage geleitet.

Beim Shredderraum werden abweichend vom Projekt die beiden Tore soweit verbreitert, daß jeweils noch eine Gehtüre eingebaut werden kann. Die nicht mehr geeigneten Leeremballagen werden in den Raum eingebracht, über ein Förderband zum Trichter über den Shredder hochtransportiert, dabei Bindematerial (Sägespäne) zugesetzt und das geshredderte Material über ein Förderband in einen Container transportiert.

...

Zu den Emballagenlagern wird festgestellt, daß in diesen auch brennbare Flüssigkeiten der Gefahrenklasse I-III und besonders gefährliche brennbare Flüssigkeiten gelagert werden sollen. Für die gesamte Anlage wird die mit 1. Juni 1993 in Kraft getretende Verordnung über brennbare Flüssigkeiten - VbF, BGBl. Nr. 240/1991, angewendet.

Aus dem vorgenannten Grund wurde von den Vertretern der Antragstellerin eine Änderung bei den Emballagenlagern in der Form beantragt, daß die Lager in der Längsachse, jeweils in der Mitte, durch brandbeständige Wände in insgesamt vier Lager unterteilt werden sollen und die Lager als oberen Abschluß eine brandbeständige Decke erhalten sollen. Bei jedem Lager wird in der südl. Außenmauer eine Fluchtwegtüre ins Freie, über die auch ein Zugang für die Feuerwehr ermöglicht wird, eingebaut werden."

Bei dieser Verhandlung traten - neben einer Vielzahl anderer Personen - die Beschwerdeführer auf, legten schriftlich verfaßte Einwendungen vor und trugen vor, weshalb nach ihrer Auffassung die Anlage nicht genehmigungsfähig sei. Sie beantragten die Einräumung einer Frist von sechs Monaten, um eine ausführliche Stellungnahme und ein Gegengutachten vorlegen zu können.

Vom Rechtsvertreter der Marktgemeinde Asten wurde der Antrag gestellt, die zur Verhandlung nicht geladenen (anwesenden) Personen als Parteien dem Verfahren beizuziehen. Diesem Antrag gab der Verhandlungsleiter unter Hinweis auf § 29 Abs. 4 AWG nicht statt.

Mit Bescheid vom 20. Juli 1993 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich die Einwendungen der 144 Personen, die bei der Verhandlung erschienen waren (darunter sämtliche Beschwerdeführer), mangels Parteistellung als unzulässig zurück. Seitens dieser Personen seien keine schriftlich begründeten Einwendungen innerhalb der Bekanntmachungsfrist des § 29 Abs. 4 AWG erhoben worden, weshalb ihre Parteistellung nicht gegeben sei.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, daß sich die Bekanntmachung vom 2. Juli 1992 nicht auf das gegenständliche Projekt bezogen habe, weil dort auf eine Eingabe vom 6. September 1992 verwiesen worden sei. Eine weitere Bekanntmachung in der Kronen-Zeitung entspreche nicht dem Gesetz, weil die Kronen-Zeitung keine örtliche Zeitung sei. Das ursprünglich eingereichte Projekt sei nach dem 6. August 1992 abgeändert worden, weil zusätzliche Absauganlagen und Filter eingebaut werden und das Emballagenlager abgeändert werde. Abweichend vom ursprünglichen Projekt sollten beim Shredderraum die beiden vorgesehenen Tore verbreitert werden, was einen Einfluß auf Lärmimmissionen hätte. Diese Projektsänderungen hätten gemäß § 29 Abs. 4 AWG öffentlich bekannt gemacht werden müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde diesen Berufungen keine Folge. Auch wenn der Aushang der Bekanntmachung mit dem unrichtigen Datum (Jahreszahl) erfolgt sein sollte, habe dies keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens herbeiführen können, weil es für jedermann ersichtlich gewesen sei, daß es sich um einen Tippfehler gehandelt habe. Dem Erfordernis einer Bekanntgabe in einer "örtlichen" Zeitung sei entsprochen worden, weil diese Zeitung zwar österreichweit erscheine, der Abdruck aber in einem speziell für die Region Linz und Umgebung zugeschnittenen Beilagenteil erfolgte. Eine Abklärung eventueller Projektsänderungen im Rahmen des Verfahrens der ersten Instanz könne seitens der Berufungsbehörde nicht erfolgen, da das Projekt nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sei. Sache des Berufungsverfahrens bilde die Angelegenheit, die dem Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde entspreche. Da sich der Bescheid der ersten Instanz auf die "Zurückweisung der Parteistellung" beschränkt habe, könne nur dies Sache des Berufungsverfahrens sein.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 26. September 1994 die Behandlung der dagegen erhobenen, ursprünglich an ihn gerichteten Beschwerde ab. Er trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die Beschwerdeführer machten in ihrer Ergänzung eine Verletzung des Rechtes auf Parteistellung geltend und begehrten Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 29 Abs. 1 AWG, BGBl. 325/1990, ist die Errichtung von Anlagen von Unternehmen, deren überwiegender Betriebszweck die Übernahme von nicht im eigenen Betrieb anfallenden gefährlichen Abfällen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung ist, durch den Landeshauptmann zu genehmigen. Die Abs. 4 und 5 dieser Gesetzesstelle lauten:

"(4) Wird eine Genehmigung gemäß Abs. 1 beantragt, so hat der Landeshauptmann den Antrag durch Anschlag in der Gemeinde und in einer örtlichen Zeitung öffentlich bekanntzumachen. Mit der Bekanntmachung ist eine Frist von sechs Wochen einzuräumen, innerhalb der gegen die Genehmigung der Behandlungsanlage von den Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 Gewerbeordnung 1973) begründete schriftliche Einwendungen beim Landshauptmann eingebracht werden können.

(5) Parteistellung in diesem Verfahren haben

  1. 1. die betroffenen Grundeigentümer,
  2. 2. die Inhaber rechtmäßig geübter Wassernutzungen gemäß § 12 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz 1959,
  3. 3. die Gemeinde des Standortes und die unmittelbar angrenzenden Gemeinden der Behandlungsanlage,
  4. 4. das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1974,
  5. 5. Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 Gewerbeordnung 1973), die Einwendungen gemäß Abs. 4 innerhalb der sechswöchigen Frist erhoben haben."

Es steht fest, daß innerhalb der Frist des § 29 Abs. 4 AWG 35 Beschwerdeführer überhaupt nicht eingeschritten sind, während neun Beschwerdeführer bloß Parteistellung begehrt, aber keine Einwendungen erhoben haben.

Wie § 42 AVG für den Eintritt der dort geregelten Präklusion von Einwendungen eine ordnungsgemäße Kundmachung der Verhandlung verlangt, so setzt § 29 Abs. 4 AWG im Zusammenhang mit der Regelung der Parteistellung eine ordnungsgemäße Bekanntmachung des Antrages voraus. Nur im Falle eines ordnungsgemäßen Kundmachungsvorganges gemäß § 29 Abs. 4 AWG, kann die dort genannte Frist zu laufen beginnen und dem Nachbarn bei Nichtausschöpfung die Parteistellung gemäß § 29 Abs. 5 Z. 5 AWG verwehrt werden.

Wohl muß in der Kundmachung das Projekt eindeutig beschrieben sein. Im Gegensatz zu den insoweit mißverständlichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid ergibt sich aus dem Akt unzweifelhaft - worauf auch die Gegenschrift verwiesen hat - daß die angeschlagene Bekanntmachung den Antrag der Bewilligungswerberin zutreffend vom 6. September 1991 nannte. Das Übermittlungsschreiben der Behörde an die Gemeinde, in welchem das Antragsdatum mit 6.9.1992 bezeichnet war, ist nicht die im § 29 Abs. 4 AWG geforderte Kundmachung. Insofern liegt eine Verletzung der Bestimmung des § 29 Abs. 4 AWG somit nicht vor.

Als Kundmachungsmangel machen die Beschwerdeführer nunmehr geltend, es sei nicht erhoben worden, ob die gewählte Zeitung eine derarige Auflagenzahl habe, daß die Möglichkeit des Informationsflusses zu den in § 29 Abs. 2 AWG angeführten Personen gegeben sei. Abgesehen davon, daß für notorische Tatsachen keine Beweisführung erforderlich ist, haben die Beschwerdeführer in der Berufung bestritten, daß die "Kronen-Zeitung" eine "örtliche" Zeitung sei, während sie erst jetzt eine unzureichende Auflagenhöhe behaupten. Insoferne muß ihnen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegengehalten werden.

Wie Präklusion gemäß § 42 AVG auch nur hinsichtlich des kundgemachten Verhandlungsgegenstandes eintreten kann (siehe das bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, als E 9 zu § 42 wiedergegebene hg. Erkenntnis, betreffend § 356 Abs. 3 Gewerbeordnung 1973), so kann für die Beurteilung der Parteistellung gemäß § 29 Abs. 4 im Zusammenhang mit Abs. 5 Z. 5 AWG der erst in der Verhandlung Einschreitenden eine Projektsänderung sehr wohl von Belang sein. Allerdings wird nicht jede Projektsänderung eine neuerliche Kundmachung im Sinne des § 29 Abs. 4 AWG erfordern, weil man sonst zum Ergebnis gelangte, daß auch durch eine ausschließlich dem Schutz der Nachbarinteressen dienende Projektsänderung für den Bewilligungswerber der Rechtsnachteil eines übergangenen Nachbarn herbeigeführt werden könnte. Projektsänderungen, die auf die im § 75 Abs. 2 Gewerbeordnung 1973 genannten Nachbarinteressen keinen Einfluß haben, vermögen einen für die Beurteilung der Parteistellung von Nachbarn zu beachtenden Kundmachungsmangel im Sinne des § 29 Abs. 4 AWG nicht herbeizuführen. Die Identität zwischen dem Gegenstand der Bekanntmachung und dem Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist unter dem Blickwinkel zu sehen, daß die Bekanntmachung als Voraussetzung dafür zu dienen hat, dem Nachbarn die zur Verfolgung seiner Rechte erforderlichen Informationen zu vermitteln (hg. Erkenntnis vom 8. November 1994, Zl. 93/04/0079).

Im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen ist allerdings nicht erkennbar, daß die oben angeführten, insgesamt als unwesentlich zu qualifizierenden Änderungen geeignet sind, Gefährdungen oder Belästigungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Gewerbeordnung 1973 herbeizuführen. Die Verbreiterung von Toren, um noch eine Gehtüre einbauen zu können, führt wohl nicht zu einer Erhöhung von Lärmemissionen, zumal damit offenbar der Zweck verfolgt wird, daß nicht bei jedem Durchschreiten das ganze Tor geöffnet werden muß. Warum die Unterteilung des Emballagenlagers durch brandbeständige Wände nachbarschädlich sein soll, ist den Beschwerdeausführungen gleichfalls nicht zu entnehmen.

Allein wegen dieser geringfügigen Abweichungen vom Projekt ist die Säumnis der Beschwerdeführer, die darin bestand, daß sie nicht innerhalb der Sechs-Wochen-Frist geeignete Einwendungen erhoben haben, nicht sanierbar. Die belangte Behörde hat daher im Ergebnis zu Recht, auch wenn sie die grundsätzliche Relevanz von Projektsänderungen nicht erkannt hat, die Parteistellung der Beschwerdeführer abgelehnt.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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