VwGH 96/17/0091

VwGH96/17/009125.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des Ing. A in T, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 5. März 1996, Zl. 11/215-3/1995, betreffend Übertretung nach dem Tiroler Kurzparkzonenabgabengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67d impl;
VStG §51e;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §67d impl;
VStG §51e;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 21. November 1995 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 6. Mai 1993 von 09.53 Uhr bis 10.03 Uhr ein näher bezeichnetes mehrspuriges Kraftfahrzeug in Innsbruck, Leopoldstraße 24, in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone geparkt, wobei die vergebührte Parkzeit überschritten worden sei und er dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 6 Abs. 1 lit. a des Tiroler Kurzparkzonenabgabengesetzes, LGBl. Nr. 52/1981 idgF in Verbindung mit den §§ 1, 3 und 5 der Innsbrucker Kurzparkzonenverordnung begangen habe. Es wurde über ihn gemäß § 6 Abs. 2 des Tiroler Kurzparkzonenabgabengesetzes eine Geldstrafe in Höhe von S 400,-- verhängt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der er insbesondere ausführte, daß nicht die vergebührte Parkzeit überschritten worden sei, sondern er seinen PKW lediglich für die Dauer von insgesamt neun Minuten in der gegenständlichen Kurzparkzone abgestellt gehabt habe. Die belangte Behörde veranlaßte durch die Behörde erster Instanz die Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des die gegenständliche Übertretung anzeigenden Kontrollorgans zum vorliegenden Sachverhalt und zur Verantwortung des Beschwerdeführers. Die Behörde erster Instanz führte eine Vernehmung des Kontrollorgans als Zeugin durch und übermittelte die Niederschrift über diese Vernehmung der belangten Behörde. Die Aussage der Zeugin ging dahin, daß es sich "offenbar um eine Parkzeitüberschreitung" gehandelt habe, "da von mir eine Beanstandung 003 - die bezahlte Parkzeit wurde überschritten - festgestellt wurde. Der Parkschein wies ein Parkzeitende um 09.53 Uhr auf und kam ich bei meinem zweiten Kontrollgang um 10.03 Uhr bei gegenständlichem Fahrzeug vorbei, und stellte, da sich der Abstellort des Fahrzeuges nicht verändert hat, eine Organstrafverfügung aus."

Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer befristet Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Zeugenaussage ein und wies ihn darauf hin, daß eine mündliche Berufungsverhandlung nur über ausdrücklichen Antrag (§ 51e Abs. 2 VStG idF BGBl. Nr. 620/1995) zu erfolgen habe. In einer daraufhin fristgerecht eingebrachten Stellungnahme beantragte der Beschwerdeführer ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung und wies darauf hin, daß sich die Zeugin nicht mehr daran erinnern könne, ob der Beschwerdeführer nun die vergebührte Parkzeit überschritten oder seinen PKW lediglich für die Dauer von insgesamt neun Minuten in der gegenständlichen Kurzparkzone abgestellt hatte. Aufgrund der undeutlichen und unklaren Ausdrucksweise der Zeugin ("es handelt sich hier offenbar um eine Parkzeitüberschreitung, da ..."), lasse sich keinesfalls mit einer für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen, daß die gesetzlich zulässige Parkzeit überschritten worden sei. Auch der Hinweis auf den Code "003" gebe keinesfalls ausreichend Aufschluß darüber, ob nun die zulässige Parkzeit überschritten oder die gebührenpflichtige Parkzeit gar nicht erreicht worden sei. Der Beschwerdeführer könne sich ausdrücklich daran erinnern, daß er nur eine kurze Erledigung zu tätigen hatte, welche keinesfalls mehr als zehn Minuten in Anspruch genommen habe, sodaß es nicht notwendig gewesen sei, Parkgebühr zu entrichten.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Berufung als unbegründet abwies. Begründend führt die belangte Behörde aus, es ergebe sich aus dem erstinstanzlichen Akt, daß vom Organ der öffentlichen Aufsicht, Frau Anita G., die Übertretung unter dem Deliktscode 003 zur Anzeige gebracht worden sei und daß der fragliche PKW am 6. Mai 1993 nach Überschreiten der bezahlten Parkzeit von 09.53 Uhr bis 10.03 Uhr in der Leopoldstraße 24 abgestellt gewesen sei. Im Rahmen der Beweiswürdigung glaube die Berufungsbehörde den Angaben der unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugin, die mit dem Anzeigeninhalt übereinstimme. Es sei daher als erwiesen anzusehen, daß vom Beschwerdeführer der fragliche PKW am 6. Mai 1993 in der gegenständlichen gebührenpflichtigen Kurzparkzone über die bezahlte Parkzeit hinaus von 09.53 Uhr bis 10.03 Uhr abgestellt gewesen sei. Hinsichtlich der Strafbemessung wurde auf die Ausführungen im Straferkenntnis verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes bekämpft der Beschwerdeführer den Bescheid insbesondere im Hinblick auf eine mangelhafte Begründung, unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird einerseits auf den Grundsatz der Amtswegigkeit gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hingewiesen und andererseits die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 51e VStG gerügt.

§ 51e Abs. 1 und 2 VStG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 620/1995 lauten:

"§ 51e. (1) Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder aufgrund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

(2) Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Den Parteien ist eine von einer anderen Partei erhobene Berufung unter Hinweis auf diese Rechtsfolge mitzuteilen. Vor Erlassung des Bescheides ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu geben."

Ausnahmen von der Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung enthält § 51e Abs. 2 VStG. Die belangte Behörde hat sich im Beschwerdefall auf keine der in § 51e Abs. 2 VStG genannten Tatbestände gestützt, das Vorliegen eines der Ausnahmetatbestände ist nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich. Die Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung stellt somit grundsätzlich einen Verfahrensmangel dar, der nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen hat, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0165, vom 18. Mai 1993, Zl. 93/11/0013, oder vom 26. Mai 1995, Zl. 93/17/0124).

Die belangte Behörde vertritt in ihrer Gegenschrift die Auffassung, daß dem vorliegenden Verfahrensmangel keine derartige Relevanz im Sinne der genannten Judikatur zukomme.

Dem kann im vorliegenden Fall nicht gefolgt werden. Im Hinblick auf § 51i VStG betreffend die Unmittelbarkeit des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat kommt Verletzungen der Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 51e VStG besonderes Gewicht zu (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1995, Zl. 93/17/0124). Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen, daß im Hinblick auf die unklare Aussage ("offenbar") der Zeugin deren Vernehmung und die Herstellung eines unmittelbaren Eindrucks von der Aussage durch den erkennenden unabhängigen Verwaltungssenat mit der Möglichkeit, bei gleichzeitiger Anwesenheit von Beschwerdeführer und Zeugin die bestehenden Unklarheiten aufklären zu können, geboten sei, die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels dargetan. Wenngleich sowohl aus der Anzeige als auch aus der Aussage der Zeugin hervorgeht, daß diese "offenbar" einen Parkschein mit dem Parkzeitende 09.53 Uhr im PKW des Beschwerdeführers wahrgenommen habe, wäre diese Frage im Hinblick auf die nicht von vornherein unschlüssige Verantwortung des Beschwerdeführers vor Erlassung eines Straferkenntnisses von der belangten Behörde aufzuklären gewesen. Dies umso mehr, als die Zeugin nicht ausgesagt hat, einen Parkschein im Auto gesehen zu haben, sondern sie dies nur aus dem Umstand geschlossen hat, daß sie einen bestimmten Code angekreuzt habe, und nach den bisherigen Verfahrensergebnissen auch noch aufklärungsbedürftig ist, ob die Zeugin den Pkw des Beschwerdeführers schon vor 09.53 Uhr an diesem Abstellort gesehen hat oder nicht, warum im ersteren Fall der PKW des Beschwerdeführers überhaupt schon aufgefallen sowie sein Abstellort in Erinnerung geblieben ist, und in letzterem Fall (wenn sie um oder nach 09.53 Uhr zum ersten Mal am PKW des Beschwerdeführers vorbeigekommen ist), warum sie diesfalls erst beim 2. Kontrollgang um 10.03 Uhr eine Ahndung der Parkzeitüberschreitung vorgenommen hat. Es kann daher nicht gesagt werden, daß im konkreten Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Aufschlüsse für die Beweiswürdigung erwarten hätte lassen. Der Verfahrensmangel der Unterlassung der Durchführung der mündlichen Verhandlung ist daher ein wesentlicher.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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