Normen
VStG §51e;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VStG §51e;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
RR gab bei seiner Vernehmung am 6. August 1991 an, daß nicht er, sondern sein Bruder UR (der Beschwerdeführer) "zum Tatzeitpunkt" das dem Kennzeichen nach bestimmte Kraftfahrzeug zur Verfügung gehabt habe.
Über eine "Aufforderung nach dem Kraftfahrgesetz" der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 22. August 1991 gab der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom "10.7.1991" (bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel am 11. September 1991 eingelangt) bekannt, daß er am 22. März 1991 den dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt habe.
In weiterer Folge gab der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung vor der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel am 25. August 1992 (u.a.) an, sich bezüglich des ihm vorgeworfenen Tatbestandes nicht mehr erinnern zu können.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 17. September 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 22. März 1991 von 14.00 Uhr bis 14.31 Uhr - unter näherer Angabe des Tatortes - das dem Kennzeichen nach bestimmte mehrspurige Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone geparkt, es jedoch unterlassen, die Kurzparkzonenabgabe vorschriftsgemäß zu entrichten. Die Kurzparkzonenabgabe sei insofern verkürzt worden, als der Parkschein gefehlt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung "nach § 6 Abs. 1 lit. a des Tiroler Kurzparkzonenabgabegesetzes, LGBl. Nr. 52/1981, i.V. mit §§ 1 und 5 der Innsbrucker Kurzparkzonenabgabeverordnung (GR-Beschluß vom 26.1.1982) begangen". Gemäß § 6 Abs. 2 Tiroler Kurzparkzonenabgabegesetz wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a., von einer Einvernahme des Organs der öffentlichen Aufsicht sei abgesehen worden, weil der Sachverhalt seitens des Beschwerdeführers nicht bestritten worden sei.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin wird im wesentlichen geltend gemacht, es fehlten die klaren Grundlagen dafür, daß der Beschwerdeführer die behauptete Tat begangen habe, wie dies bei einer auch nur flüchtigen Durchsicht der Begründung des bekämpften Bescheides keiner weiteren Erklärung bedürfe. "Die behauptete Tat wurde nicht gesetzt, ist nicht erwiesen, sodaß der angefochtene Bescheid nicht bestehen kann."
Mit Bescheid vom 9. November 1992 wies der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol diese Berufung als unbegründet ab.
Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer erst in seiner Berufung gegen das angefochtene Straferkenntnis behauptet, die Tat nicht gesetzt zu haben.
Unter Hinweis auf diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes heißt es sodann, der Beschwerdeführer sei im gesamten Ermittlungsverfahren seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Außer einer globalen Bestreitung sei keinerlei konkretes Vorbringen, noch seien Beweisanträge durch den anwaltschaftlich vertretenen Beschwerdeführer vorgebracht worden. "Die Behörde" sei daher ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen und sei auf Grund des Ergebnisses derselben zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer die Tat in objektiver wie auch subjektiver Hinsicht begangen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 19. März 1993, B 11/93-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten hat.
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in dem Recht verletzt, der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und dafür nicht bestraft zu werden. Er bringt hiezu - auf das Wesentlichste zusammengefaßt - vor, die belangte Behörde hätte nicht dem Beschwerdeführer de facto die gesamte Beweislast aufbürden dürfen. Es könne keinesfalls dem Beschuldigten zur Last gelegt werden, wenn er sich nach dem langen Zeitraum, in dem die Behörde gegen ihn überhaupt keine Ermittlungen angestellt habe, nur mangelhaft an die Tat erinnern könne. Obwohl eine Tatfrage zu lösen gewesen wäre, sei keine mündliche Berufungsverhandlung anberaumt worden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 51e VStG lautet auszugsweise:
"(1) Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.
(2) Wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird, oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, dann ist eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.
(3) Von der Verhandlung kann abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen.
(4) ..."
Der Beschwerdeführer erachtet sich u.a. in seinem Recht auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verletzt.
Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 51e VStG für das Absehen von einer solchen Verhandlung vorgelegen seien, ohne dies zu begründen. Der Verwaltungsgerichtshof kann der Aktenlage nicht entnehmen, daß die Voraussetzungen des Gesetzes für das Absehen von der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgelegen seien.
Der Beschwerdeführer hat in der Berufung die Begehung der Tat bestritten. Von ihm wurde daher nicht nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet; die Berufung richtete sich auch nicht nur gegen die Höhe der Strafe. Die belangte Behörde hat daher dadurch gesetzwidrig gehandelt, daß sie ohne gesetzlichen Grund von der Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung absah.
Für den Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte sie im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 51i VStG bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Nach Lage der Akten hat der Beschwerdeführer zwar in der Beantwortung der Lenkeranfrage nach KFG am 10. Juli 1991 - ca. 4 Monate nach der angeblichen Tatzeit - angegeben, am 22. März 1991 den PKW gelenkt zu haben.
In seiner Berufung vom 29. September 1992 hat er seine Täterschaft bestritten, nachdem er bereits vor der Bezirksverwaltungsbehörde in seiner Beschuldigtenvernehmung am 25. August 1992 angegeben hatte, sich bezüglich des vorgeworfenen Tatbestandes nicht mehr erinnern zu können.
Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist vom Verwaltungsgerichtshof der vor ihm angefochtene Bescheid aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Nach dem geschilderten Gang des Verfahrens vor den Verwaltungsbehörden (unterschiedliche Angaben des Beschuldigten) läßt sich nicht ausschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der §§ 51e, 51i VStG zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.
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