VwGH 96/11/0120

VwGH96/11/01201.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des A in T, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. März 1996, Zl. 5/04-14/634/5-1996, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
RAO 1868 §28 Abs1 lith;
RAO 1868 §34 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
RAO 1868 §28 Abs1 lith;
RAO 1868 §34 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm auf die Dauer von 20 Monaten, gerechnet ab Zustellung des angefochtenen Bescheides, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer behauptet, in seinen Rechten dadurch verletzt zu sein, daß die belangte Behörde das Entziehungsverfahren trotz dessen Aussetzung gemäß § 38 AVG bis zum rechtskräftigen Abschluß eines näher bezeichneten Verwaltungsstrafverfahrens ohne Aufhebung des Aussetzungsbescheides fortgesetzt habe.

Diesem Vorbringen ist zum einen entgegenzuhalten, daß eine bescheidmäßige Aussetzung des Entziehungsverfahrens tatsächlich nicht erfolgt ist. Bei dem in der Beschwerde genannten "rechtskräftigen Bescheid" der belangten Behörde vom 24. April 1995 handelt es sich um eine Erledigung ohne Bescheidcharakter. Damit wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren (der nicht ident ist mit dem im Berufungsverfahren eingeschrittenen Rechtsanwalt, dem nunmehrigen Beschwerdevertreter) formlos "bekanntgegeben", daß das Berufungsverfahren wegen Entziehung der Lenkerberechtigung bis zum rechtskräftigen Abschluß eines näher bezeichneten Strafverfahrens ausgesetzt werde. Angesichts dieses Inhaltes der Erledigung, der jedenfalls Zweifel über ihren Bescheidcharakter entstehen läßt, hätte es der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid bedurft, um die Erledigung als Bescheid werten zu können. Das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid ist somit essentiell (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A). Davon abgesehen kann die behauptete Rechtsverletzung auch deshalb nicht gegeben sein, weil selbst aus einem rechtskräftigen Aussetzungsbescheid nach § 38 AVG der Partei kein subjektives Recht auf Nichtbeendigung des ausgesetzten Verfahrens erwächst und sie daher durch die Fortsetzung des Verfahrens vor Beendigung des die Vorfrage betreffenden Verfahrens in ihren Rechten nicht verletzt sein kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1992, Zl. 92/11/0077 mit weiteren Judikaturhinweisen).

2. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid auch wegen Fehlens eines erstinstanzlichen Bescheides für rechtswidrig. Bei der Erledigung der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, vom 31. Jänner 1995 handle es sich mangels rechtswirksamer Zustellung nicht um einen Bescheid. Die Beschwerde führt dazu aus, im erstinstanzlichen Verfahren sei Rechtsanwalt Dr. M. als Vertreter und damit Zustellungsbevollmächtigter des Beschwerdeführers ausgewiesen gewesen. Dr. M. sei mit 31. Oktober 1994 in den Ruhestand getreten. Mit

14. Dezember 1994 sei der nunmehrige Beschwerdevertreter zu dessen mittlerweiligem Stellvertreter bestellt worden. Der erstinstanzliche "Bescheid" vom 31. Jänner 1995 sei nicht dem in der Zustellverfügung als Empfänger ausgewiesenen Dr. M., sondern - am 7. Februar 1995 - der Kanzlei des nunmehrigen Beschwerdevertreters zugestellt worden. Dieser sei aber mangels Vollmacht nicht ermächtigt gewesen, den "Bescheid" für den Beschwerdeführer entgegenzunehmen. Er sei erst mit Schreiben des Beschwerdeführers vom 13. Februar 1995 beauftragt worden, gegen diesen "Bescheid" eine Berufung einzubringen.

Die belangte Behörde tritt in ihrer Gegenschrift dieser Sachverhaltsdarstellung nicht entgegen. Sie meint aber, bei Beendigung der Tätigkeit eines Anwaltes müsse die Empfangnahme von nachträglich einlangenden Schriftstücken durch einen eigens hiefür bestellten Vertreter zulässig sein. Es sei daher unbedenklich, wenn ein Schriftstück nicht direkt "dem verhinderten Anwalt, sondern seinem befugten Vertreter" zugestellt werde. (Im angefochtenen Bescheid wird der Beschwerdevertreter als "Zustellungsbevollmächtigter des Rechtsanwaltes Dr. M." bezeichnet.) Im übrigen verstoße das diesbezügliche Beschwerdevorbringen gegen das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Letzteres trifft schon deshalb nicht zu, weil die Rechtswirksamkeit der Zustellung des erstinstanzlichen "Bescheides" in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich erörtert wurde.

Verfehlt ist auch die Ansicht der belangten Behörde betreffend die Zulässigkeit der Zustellung des erstinstanzlichen "Bescheides" an den nunmehrigen Beschwerdevertreter als mittlerweiligen Stellvertreter des Rechtsanwaltes Dr. M. Die im angefochtenen Bescheid dazu vertretene Meinung, er sei dessen Zustellungsbevollmächtigter gewesen, ist unzutreffend. Für die Annahme einer dem Beschwerdeführer zuzurechnenden rechtswirksamen Zustellung kommt es darauf an, ob der nunmehrige Beschwerdevertreter damals Zustellungsbevollmächtigter DES BESCHWERDEFÜHRERS war. Dies ist zu verneinen, weil seine Bestellung zum mittlerweiligen Stellvertreter des Rechtsanwaltes Dr. M. noch kein Vollmachtsverhältnis zwischen ihm und dem Beschwerdeführer begründete (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1983, Slg. Nr. 11.112/A, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des OGH; Knirsch, Der mittlerweilige Stellvertreter, Anw. 1986, 388). An den in der Zustellverfügung als Vertreter des Beschwerdeführers genannten Rechtsanwalt Dr. M. wurde die Erledigung vom 31. Jänner 1995 nicht zugestellt (nach Ausweis des im Verwaltungsakt erliegenden Rückscheines erfolgte die Zustellung nicht an ihn, sondern unmittelbar an die Kanzlei des nunmehrigen Beschwerdevertreters). Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob eine Zustellung an Dr. M. nach dessen Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft überhaupt noch eine rechtswirksame Bescheiderlassung hätte bewirken können. Daß die Erledigung vom 31. Jänner 1995 dem in der Zustellverfügung neben Dr. M. als Empfänger der Sendung genannten Beschwerdeführer ("A, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. M. ...") tatsächlich zugekommen wäre, ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich, wird von der belangten Behörde selbst nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem Beschwerdevorbringen. Es kann daher auch nicht von einer Sanierung des Zustellmangels gemäß § 7 ZustellG durch tatsächliches Zukommen an den Beschwerdeführer ausgegangen werden.

Da es sich nach dem Gesagten bei der Erledigung vom 31. Jänner 1995 mangels rechtswirksamer Zustellung und damit Erlassung nicht um einen Bescheid handelt, hätte (weil der Mangel einer rechtswirksamen Zustellung auch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht behoben war - vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E 16b, c zu § 66 Abs. 4 AVG zitierten Fälle der Behebung eines solchen Mangels im Zuge des Berufungsverfahrens) die dagegen erhobene Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Die belangte Behörde hat stattdessen über die Berufung meritorisch abgesprochen und dadurch den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte