VwGH 96/03/0126

VwGH96/03/012613.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des J in M, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 22. November 1995, Zl. UVS-3/3548/1-1995, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §63 Abs1;
VStG §46 Abs1;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §63 Abs1;
VStG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ladungsbescheid vom 16. November 1992 legte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung dem Beschwerdeführer unter anderem eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 zur Last und lud ihn für den 9. Dezember 1992 zur Vernehmung. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 23. November 1992 zugestellt.

Laut "Strafverhandlungsschrift" der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 9. Dezember 1992 gab der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu. Darauf verkündete der Verhandlungsleiter das Straferkenntnis, mit welchem über den Beschwerdeführer wegen der angeführten Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe verhängt wurde. In der vom Verhandlungsleiter und vom Beschwerdeführer unterschriebenen Niederschrift heißt es sodann, daß nach Verkündigung des Straferkenntnisses vom Beschuldigten ausdrücklich auf Berufung verzichtet werde. Die mündliche Verkündung des Straferkenntnisses werde hiemit beurkundet.

Am 25. Oktober 1995 gab der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W, eine Berufung gegen das Straferkenntnis vom 9. Dezember 1992 zur Post. Darin führte er unter anderem aus, daß er Dr. W zu seinem Bevollmächtigten bestellt habe. Dr. W habe die Bevollmächtigung der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung mit Eingabe vom 25. November 1992 angezeigt. Das Straferkenntnis hätte daher an Dr. W zugestellt werden müssen, die mündliche Verkündung dem Beschwerdeführer gegenüber sei nicht zulässig gewesen.

Diese Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 63 Abs. 5 AVG in Verbindung mit § 24 VStG als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß, weil der Beschwerdeführer anläßlich der Strafverhandlung am 9. Dezember 1992 eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Straferkenntnisses nicht verlangt habe, die 14-tägige Berufungsfrist mit der Verkündung begonnen und mit Ablauf des 23. Dezember 1992 geendet habe. Die am 25. Oktober 1995 eingebrachte Berufung sei daher verspätet. Der Umstand, "daß der Beschuldigte einen Rechtsvertreter in der Sache beauftragt hat und dieser das Bevollmächtigungsverhältnis am 25.11.1992 mit Telekopie der Behörde bekanntgegeben hat," ändere nichts an der Verspätung. Der Beschwerdeführer sei zu einem Zeitpunkt, als das Bevollmächtigungsverhältnis der Behörde noch nicht bekannt gegeben gewesen sei, zur Strafverhandlung am 9. Dezember 1992 geladen worden. Er sei zu dieser Verhandlung ohne Rechtsvertreter erschienen und in der Lage gewesen, in eigenem Namen Rechtshandlungen zu setzen. In dieser Verhandlung sei vom Beschwerdeführer ausdrücklich auf eine Berufung verzichtet worden. Eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides sei nicht verlangt worden. Der Bescheid sei daher im Sinne des § 62 AVG mit der mündlichen Verkündung in der Verhandlung erlassen worden, zumal auch im Gesetz eine zwingende schriftliche Zustellung des Bescheides nicht vorgesehen sei. Damit habe aber die Unterlassung der Zustellung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keinen Verfahrensmangel bewirkt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 6. März 1996, B 8/96, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab und trat sie mit dem weiteren Beschluß vom 21. Mai 1996 dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde erwogen:

Die belangte Behörde nahm in der Begründung ihres Bescheides an, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, der von ihm bestellte Bevollmächtigte habe der erstinstanzlichen Behörde das Bevollmächtigungsverhältnis am 25. November 1992 bekanntgegeben, zutreffe. Davon ausgehend ist der Beschwerdeführer aber im Recht, wenn er geltend macht, daß das am 9. Dezember 1992 bloß ihm persönlich gegenüber verkündete erstinstanzliche Straferkenntnis nicht rechtswirksam erlassen worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 13. Dezember 1982, Zl. 82/10/0015) ist es nämlich nicht zulässig, einer Partei ein erstinstanzliches Straferkenntnis unter Umgehung ihres der Behörde gegenüber namhaft gemachten Vertreters mündlich zu verkünden. War die mündliche Verkündung des Straferkenntnisses vom 9. Dezember 1992 somit nicht rechtswirksam, so hätte die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung mangels eines bekämpfbaren Bescheides als unzulässig zurückzuweisen gehabt. Mit der Zurückweisung der Berufung "als verspätet" hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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