VwGH 95/20/0658

VwGH95/20/065818.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. September 1995, Zl. 4.347.108/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 6. August 1995 in das Bundesgebiet ein. Am 9. August 1995 stellte er den Antrag, ihm Asyl zu gewähren.

Anläßlich seiner am 16. August 1995 vor dem Bundesasylamt erfolgten niederschriftlichen Befragung gab er zu seinen Fluchtgründen an, sein Vater sei alt, er selbst habe die Schule besucht und nach der Matura zweimal an der Universität Prüfungen gemacht. Man habe behauptet, seine Prüfungen seien erfolglos gewesen. Man habe nicht gewollt, daß er die Universität besuche. Dann habe er zum Militär einziehen sollen, das habe er jedoch nicht gewollt, da 90 % aus seinem Wohngebiet nach Sirnak geschickt würden. Er habe daher nicht bleiben wollen. Er sei nicht in Haft gewesen. Er habe mit Behörden oder Organen Probleme nur insofern gehabt, als man ihn zum Militärdienst habe einziehen wollen. Seine Aufnahmeprüfungen an der Universität seien im Juni 1994 sowie im Juni 1995 absolviert worden. Diese Aufnahmeprüfungen seien an einer Volksschule in G gemacht worden. Er habe keine Nachweise über diese Prüfungen, er habe diese Papiere zerrissen. Auf die Frage, wann er zum Militärdienst hätte einrücken müssen, antwortete der Beschwerdeführer, er habe schon ein Schreiben bekommen. Die Musterung sei im Jahr 1994 gewesen, im Herbst in A. Er habe seinen Wehrdienst bis 1997 wegen seines Studiums verschieben können, da er jedoch die Prüfung nicht geschafft habe, hätte er nunmehr zum Militär gemußt. Er habe ein Schreiben mit seiner Einberufung nach S bekommen, könne sich aber an das Datum nicht erinnern. In S gebe es die PKK und es gebe dort auch einen richtigen Krieg. Man hätte ihn dazu gebracht, auf seine eigenen Landsleute zu schießen. Es kämen Soldaten und Leute der "anderen Seite" um. Er hätte nicht viele Chancen gehabt. Deshalb habe er den Wehrdienst nicht leisten wollen. Die Einberufung sei ihm vor seiner Ausreise nach Albanien zugestellt worden. Die weitere Frage, ob er noch weitere Fluchtgründe geltend machen wolle, verneinte der Beschwerdeführer. Auf die Frage, ob er bereits in Ungarn um Asyl angesucht habe, antwortete der Beschwerdeführer: "Nein, ich habe dort niemanden, der mir helfen könnte. Ich wollte zu meinen Brüdern nach Österreich. Die Menschenrechte in Österreich sind außerdem besser als in Ungarn."

Über Vorhalt des Bundesasylamtes, Ungarn sei Mitglied der Genfer Konvention, verbunden mit der Frage, ob der Beschwerdeführer einen Grund zur Annahme gehabt habe, daß man ihm dort Schutz verweigert hätte, antwortete der Beschwerdeführer: "Es wäre dort vielleicht alles in Ordnung gewesen, aber ich habe dort niemanden."

Mit Bescheid vom 18. August 1995 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers infolge Verneinung seiner Flüchtlingseigenschaft und Annahme der Verfolgungssicherheit in Ungarn ab.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung rügte der Beschwerdeführer Ermittlungs- und Begründungsfehler der Behörde erster Instanz, vertrat die Ansicht, ihm komme insbesondere im Hinblick auf die Wehrdienstverweigerung Flüchtlingseigenschaft zu, behauptete jedoch keinen von den Vernehmungsergebnissen in erster Instanz abweichenden Sachverhalt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Den im Zusammenhang mit der Annahme der Verfolgungssicherheit erhobenen Mängelrügen entgegnete die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe bereits anläßlich seiner Erstbefragung die Möglichkeit gehabt, zur Annahme der Verfolgungssicherheit in Ungarn Stellung zu nehmen. Er habe auch zur Frage, ob er Grund zur Annahme gehabt habe, daß man ihn in Ungarn Schutz verweigert hätte, ausgeführt, daß dort vielleicht alles in Ordnung wäre, er aber dort niemanden habe. Damit sei das rechtliche Gehör gewahrt worden, der persönliche Aspekt komme nicht zum Tragen, sodaß jedenfalls davon auszugehen gewesen sei, daß der Beschwerdeführer in Ungarn Verfolgungssicherheit erlangt habe. Er habe darüber hinaus auch in der Berufung nochmals Gelegenheit gehabt, sich zur Verfolgungssicherheit in Ungarn konkret zu äußern, doch habe er auch dann noch nichts Konkretes darzutun vermocht. Im übrigen ergebe sich aus seinem Vorbringen nicht, daß eine Einberufung zum Militärdienst, sollte sie tatsächlich stattgefunden haben, politisch, religiös oder ethnisch motiviert gewesen wäre, bzw. daß er wegen Wehrdienstverweigerung aus vorgenannten Gründen eine unverhältnismäßig schwerere Strafe zu befürchten gehabt hätte, weshalb sein Vorbringen nicht geeignet gewesen sei, Flüchtlingseigenschaft zu indizieren. Ebensowenig habe sich aus seinem Vorbringen entnehmen lassen, daß er die Aufnahmeprüfung zur Universität aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 taxativ aufgezählten Gründe nicht bestanden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides befaßt sich der Beschwerdeführer in weitwendigen Ausführungen im wesentlichen und zusammengefaßt mit den, im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, dargelegten Kriterien für eine Asylrelevanz einer behaupteten Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion, ohne jedoch auf die im vorliegenden Fall zunächst relevante Frage einzugehen, inwiefern - ausgehend von den Ermittlungsergebnissen des Verfahrens erster Instanz im Sinne des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 - eine allenfalls bereits erfolgte Einberufung zum Militärdienst aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründen erfolgt bzw. im Falle des Offenkundigwerdens einer Verweigerung des Wehrdienstes - eine solche konnte den Behörden des Heimatlandes noch nicht bekannt sein, da der Beschwerdeführer sein Heimatland offenbar noch vor dem Stellungstermin verlassen hat - aus einem dieser Gründe mit strengerer Bestrafung geahndet worden sei. Konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Annahme sind den erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Damit gehen diese - in ihrer Allgemeinheit grundsätzlich zutreffenden - Ausführungen in der Beschwerde ins Leere.

Der belangten Behörde ist aber auch nicht mit Erfolg entgegenzutreten, wenn sie unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der Verfolgungssicherheit (vgl. u.a. hg. Erkenntnis vom 6. September 1995, Zl. 95/01/0030, mit zahlreichen weiteren Judikaturhinweisen) in Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt Verfolgungssicherheit in Ungarn im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 angenommen hat, wobei sich bereits das Bundesasylamt auf Ermittlungsergebnisse gestützt hat, deren inhaltliche Richtigkeit weder in der Berufung noch in der Beschwerde bestritten wird und denen der Beschwerdeführer lediglich einen Einwand entgegengesetzt hat, der nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet ist, die Annahme der Verfolgungssicherheit zu entkräften (vgl. auch

hg. Erkenntnisse vom 11. September 1996, Zl. 96/20/0478, und 96/20/0498). Die belangte Behörde hat darüber hinaus bereits zutreffend darauf verwiesen, daß eine Verletzung des Parteiengehörs, wie sie in der Beschwerde gerügt wird, in Hinblick auf die erstinstanzliche Befragung zu diesem Thema und der vom Beschwerdeführer auch genutzten Möglichkeit, in der Berufung hiezu Stellung zu nehmen, nicht erkennbar ist.

Aus den vorliegenden Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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