VwGH 95/20/0130

VwGH95/20/01306.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der H in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. November 1994, Zl. 4.343.999/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. November 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen des Irak, die am 31. Jänner 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 1. Februar 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Februar 1994 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesasylamt vom 2. Februar 1994 im wesentlichen angegeben habe, sie habe den Irak aus zwei Gründen verlassen. Erstens hätte der Geheimdienst bei ihr ständig Hausdurchsuchungen durchführen wollen, da ihr Sohn wegen dessen Wehrdienstverweigerung zur Verhaftung ausgeschrieben gewesen sei, zweitens sei ihr Sohn das einzige Kind und sie hätte deshalb zu ihm gehen wollen, um bei ihm zu wohnen. Ihr Sohn würde bei Rückkehr in den Irak eingesperrt, da er der Einberufung zur Armee nicht Folge geleistet habe. Sie selbst sei zweimal von den Leuten des Geheimdienstes mitgenommen worden, wobei sie bezüglich ihres Sohnes befragt worden sei, sei dabei jedoch weder mißhandelt noch gefoltert worden.

In ihrer aufgrund der abweisenden Entscheidung der ersten Instanz erhobenen Berufung habe sie die erstinstanzlichen Angaben wiederholt und darüberhinaus lediglich angegeben, daß sie ihren Sohn versteckt habe und dann mit ihm gemeinsam nach Syrien und weiter nach Jordanien geflüchtet sei. Der Grund für ihr Kommen nach Österreich sei die Angst vor der Geheimpolizei und die Angst eingesperrt zu werden, außerdem wolle sie mit ihrem einzigen Sohn zusammenleben.

Die belangte Behörde resümierte, die Beschwerdeführerin erfülle ausgehend vom erstinstanzlichen Vorbringen die Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht, weil sie nicht Verfolgung aus den im § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Gründen zu gewärtigen gehabt habe bzw. derzeit für den Fall einer etwaigen Rückkehr in ihre Heimat zu befürchten hätte, weshalb ihr die Flüchtlingseigenschaft nicht zukäme und deshalb die Asylgewährung zwingend ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insofern sich die Beschwerdeführerin in der Beschwerde dagegen wendet, die belangte Behörde sei davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin in Jordanien sicher vor Verfolgung gewesen sei, ist das Vorbringen aktenwidrig, denn der angefochtene Bescheid setzt sich ausschließlich inhaltlich mit den von der Beschwerdeführerin behaupteten Fluchtgründen auseinander. Auf die von der Beschwerdeführerin zur Frage der "Verfolgungssicherheit" gemachten Ausführungen ist daher nicht einzugehen.

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angegebenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/080 bis 0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).

Da die Beschwerdeführerin in der erstinstanzlichen Befragung ausdrücklich angegeben hat, weder mißhandelt noch gefoltert worden zu sein, und sie weder in der Berufung noch in der Beschwerde einen Verfahrensmangel hinsichtlich des Zustandekommens der erstinstanzlichen Einvernahme behauptet, fällt das erstmals in der Beschwerde erstattete Sachverhaltsvorbringen, daß die Beschwerdeführerin mißhandelt worden sei, unter das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Die belangte Behörde ist auch zu Recht von § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ausgegangen, wonach der Bundesminister für Inneres in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen hat, weil von der Beschwerdeführerin in der Berufung kein relevanter Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens aufgezeigt wurde.

Auch in inhaltlicher Sicht kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Hausdurchsuchungen und Verhöre, welche dem Zweck der Ausforschung des Sohnes der Beschwerdeführerin dienten, in Übereinstimmung mit der hiezu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als asylrechtlich nicht relevant erachtet hat. Denn Maßnahmen des Staates, die nur der Ausforschung von Verwandten, Bekannten etc. dienen (Befragungen, Hausdurchsuchungen, kurzfristige Haft), ohne daß die Maßnahmen in Wahrheit auf die Verfolgung des Betroffenen aus asylrechtlich relevanten Gründen abzielen, sind kein Asylgrund. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin ist kein Anhaltspunkt auf eine individuell gegen sie selbst gerichtete konkrete Verfolgung durch den Heimatstaat zu entnehmen (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 94/19/1414).

Das zweite Motiv, daß die Beschwerdeführerin weiterhin mit ihrem Sohn zusammenbleiben wollte, bildet keinen in der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 vorgesehener Grund für die Flüchtlingseigenschaft.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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