VwGH 95/19/0003

VwGH95/19/000325.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. November 1994, Zl. 4.316.983/7-III/13/94, betreffend Wiederaufnahme eines Asylverfahrens, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs2;
AVG §69 Abs3;
AVG §69 Abs2;
AVG §69 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und hat nach Einreise in das Bundesgebiet am 28. Mai 1991 am 10. Juni 1991 einen Asylantrag gestellt. Mit einem im Instanzenzug ergangenen, dem Beschwerdeführer am 11. Juni 1993 zugestellten Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juni 1993 wurde festgestellt, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen und damit seinen Asylantrag abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid damit, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, glaubhaft zu machen, bei seiner Rückkehr individuell gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein.

Mit seinem am 27. Jänner 1994 beim Bundesasylamt eingebrachten Antrag begehrte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme dieses Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG. Er sei nun in der Lage, der Behörde ein neues Beweismittel vorzulegen, das seine berechtigte Furcht vor politischer Verfolgung bestätige. Es handle sich dabei um einen Ausschnitt der nigerianischen Zeitung "Sunday Republic", wonach er von der Polizei in Nigeria noch immer gesucht werde. Dies sei der Anzeige auf Seite 2 unten zu entnehmen. Die Zeitungsausgabe stamme vom 19. Dezember 1993. Ein Vorbringen zur Einhaltung der Frist des § 69 Abs. 2 AVG enthielt diese Eingabe nicht.

Mit seiner am 22. Juli 1994 an die belangte Behörde gerichteten Eingabe brachte der Beschwerdeführer zur Rechtzeitigkeit seines seinerzeitigen Wiederaufnahmeantrages vor, er habe die in Rede stehende Zeitung aus Nigeria jedenfalls innerhalb von vierzehn Tagen vor Antragstellung zugeschickt erhalten.

Mit einer bei der belangten Behörde am 4. August 1994 eingelangten Eingabe brachte der Beschwerdeführer vor, seinem Vertreter sei erst nachträglich bekannt geworden, daß er zugleich mit der Ausgabe der "Sunday Republic" vom Dezember 1993 auch ein Schreiben seines Anwaltes erhalten habe, der ihn anläßlich seiner Festnahme durch die nigerianischen Behörden im Jahre 1990 vertreten habe. Dieses Schreiben lasse keine Zweifel darüber zu, daß der Beschwerdeführer nach wie vor wegen des Verdachtes seiner Teilnahme am mißglückten Putsch vom April 1990 von den nigerianischen Behörden gesucht werde.

Mit einer Eingabe vom 10. August 1994 brachte der Beschwerdeführer vor, Nigeria befinde sich derzeit offenbar am Vorabend eines Bürgerkrieges. Der demokratisch gewählte Präsident dieses Landes, Moshood Abijola, sei von der herrschenden Militärjunta inhaftiert worden, als er die Macht übernehmen habe wollen. Zum Beweis hiefür legte der Beschwerdeführer einen Ausschnitt der "Kleinen Zeitung" vom 5. August 1994 vor. Weiters wurde der Jahresbericht von Amnesty International 1993 betreffend Nigeria vorgelegt, aus dem hervorgehe, daß dieses Land die Menschenrechte mißachte. Der Bericht sei in Österreich am 7. Juli 1994 veröffentlicht worden. Weitere Angaben über den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von diesem Bericht enthält die Eingabe nicht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. November 1994 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme seines Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 2 AVG zurück. Dabei führte sie - unter anderem - begründend aus, der Wiederaufnahmswerber habe den genauen Zeitpunkt der Kenntnisnahme des von ihm behaupteten Wiederaufnahmegrundes datumsmäßig zu bezeichnen und nachzuweisen. Das Fehlen dieser Angaben stelle kein Formgebrechen im Sinne des § 13 AVG dar. Dieser Nachweispflicht sei der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht nachgekommen.

Seine in der Eingabe vom 22. Juli 1994 enthaltene Behauptung, er habe vom Wiederaufnahmegrund jedenfalls innerhalb von vierzehn Tagen vor Antragstellung Kenntnis erlangt, reiche hiefür nicht aus.

Auch das Schreiben seines Rechtsfreundes sei der Behörde erst mit der am 4. August 1994 eingelangten Eingabe vom 31. Juli 1994 vorgelegt worden.

Auf die anläßlich der Antragsergänzung vom 10. August 1994 vorgelegten Kopien eines Zeitungsausschnittes aus der "Kleinen Zeitung" vom 5. August 1994 und des Jahresberichtes von Amnesty International für 1993 sei nicht einzugehen, zumal es sich um Berichte handle, die die allgemeine Lage Nigerias betreffen und die daher nicht geeignet seien, die konkrete Situation des Beschwerdeführers zu dokumentieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme jedenfalls binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, zu stellen. Bereits der Wiederaufnahmeantrag selbst muß alle für die Beurteilung seiner Rechtzeitigkeit maßgeblichen Angaben enthalten (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. September 1990, Zl. 90/07/0122, und vom 29. September 1993, Zl. 93/02/0184). Das Fehlen von Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmegrundes stellt kein Formgebrechen dar, das gemäß § 13 Abs. 3 AVG der Verbesserung zugänglich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. November 1986, Zl. 86/11/0073, und vom 31. Mai 1988, Zl. 88/11/0048).

Aus diesem Charakter der Angaben zur Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages als inhaltliche Voraussetzung folgt aber auch, daß ihre Ergänzung nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 2 AVG nicht möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1986, Zl. 84/17/0136, welches diese Aussage für die - insofern vergleichbare - Wiedereinsetzungsfrist trifft).

Im vorliegenden Fall hat der Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers keine Angaben zu seiner Rechtzeitigkeit enthalten. Diese wurden erst in der Eingabe vom 22. Juli 1994, also mehrere Monate nach behaupteter Kenntniserlangung vom Wiederaufnahmegrund und somit außerhalb der Frist des § 69 Abs. 2 AVG nachgetragen. Die Frage, ob die unter Punkt 4 dieser Eingabe enthaltenen Angaben - wie vom Beschwerdeführer behauptet, von der belangten Behörde hingegen bezweifelt - ausreichend konkretisiert sind, kann daher dahingestellt bleiben. Ebenso unbeachtlich ist das Beschwerdevorbringen, wonach diese Behauptungen zur Rechtzeitigkeit glaubhaft gemacht wurden bzw. bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde glaubhaft hätten gemacht werden können.

Was nun das Schreiben des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers vom 28. Dezember 1993 betrifft, so ist auch seine Vorlage verfristet, zumal der Beschwerdeführer selbst angab, er habe dieses - erstmals am 4. August 1994 vorgelegte - Schreiben spätestens am 26. Jänner 1994 erhalten. Ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen zur Glaubwürdigkeit der Angaben über den Zeitpunkt der Kenntniserlangung sowie zur Glaubwürdigkeit des Inhaltes dieses Schreibens und zu seiner Eignung, Wiederaufnahmegründe zu bescheinigen, erübrigt sich daher. Die unter Punkt 3 lit. c sublit. cc vorgetragenen Gründe für die verspätete Berufung auf das Schreiben des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers ändern nichts an der Verfristung dieses Wiederaufnahmegrundes.

Die Eingabe vom 10. August 1994 enthält keine Angaben darüber, wann der Beschwerdeführer von den im Zusammenhang mit dem am 7. Juli 1994 veröffentlichten "amnesty international Jahresbericht 1993" vorgebrachten Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Das auf dem Artikel der Kleinen Zeitung vom 5. August 1994 beruhende Vorbringen "Nigeria befindet sich derzeit offenbar am Vorabend eines Bürgerkrieges: Der demokratisch gewählte Präsident dieses Landes, Moshood Abiola, wurde von der herrschenden Militärjunta inhaftiert, als er die Macht übernehmen wollte", kann nicht als Geltendmachung eines eigenen Wiederaufnahmsgrundes durch den Beschwerdeführer gewertet werden. Diese neuen - und nicht neu hervorgekommenen - Tatsachen sollten erkennbar lediglich der Glaubhaftmachung des im Antrag vom 27. Jänner 1994 geltendgemachten Wiederaufnahmsgrundes dienen. Folgerichtig erkennt der Beschwerdeführer (Seite 17 der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde), daß die in der Eingabe vom 10. August 1994 geltendgemachten Umstände für sich allein genommen (auch abstrakt) nicht geeignet waren, einen den Wiederaufnahmsantrag stattgebenden Bescheid herbeizuführen, sondern nur im Zusammenhang mit den übrigen Ergebnissen des Verfahrens "nach Behebung der gerügten Rechtswidrigkeiten", worunter nur die von ihm angestrebte inhaltliche Behandlung des Antrages vom 27. Jänner 1994 gemeint sein kann, welche der belangten Behörde jedoch aus den oben dargelegten Gründen verwehrt war.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen das Unterbleiben einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Grunde des § 69 Abs. 3 AVG wendet, ist ihm zu entgegnen, daß der Partei ein vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbares Recht auf Anordnung einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zusteht (vgl. den hg. Beschluß vom 10. Dezember 1953, Zl. 2251/51, und das hg. Erkenntnis vom 23. November 1977, Zl. 1070/77).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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