VwGH 95/18/1207

VwGH95/18/120728.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, dieser vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. März 1995, Zl. SD 1043/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §5 Abs3;
AsylG 1968 §7 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
AsylG 1968 §5 Abs3;
AsylG 1968 §7 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. März 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Gemäß § 17 Abs. 1 FrG seien Fremde - unter Bedachtnahme auf § 19 FrG - auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten.

Der Beschwerdeführer sei am 12. November 1989 in das Bundesgebiet eingereist und habe in weiterer Folge einen Asylantrag gestellt, der mittlerweile rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Einwand des Beschwerdeführers, ihm würde eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinn des § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 zukommen, sei nicht zutreffend. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 19. September 1994, Zl. AW 94/19/0456-3, seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die gegen den zweitinstanzlichen Asylbescheid eingebrachte Beschwerde stattgegeben, dies jedoch mit der Maßgabe, daß dem Beschwerdeführer jene Rechtsstellung zukomme, die er als Asylwerber vor Erlassung des genannten Asylbescheides gehabt habe.

Dabei sei aber zu bedenken, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in Österreich 12 Jahre lang, nämlich von 1977 bis 1989, in Saudiarabien aufgehalten habe und demnach bereits in diesem Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei. Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 sei daher im vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen gekommen, sodaß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG gegeben seien.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, sei zunächst festzuhalten, daß der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen zu Österreich habe und solche auch nicht geltend mache. Aufgrund seines relativ langen - wenn auch unerlaubten - Aufenthaltes sei jedoch von einem mit der Maßnahme verbundenen relevanten Eingriff in sein Privatleben auszugehen gewesen. Dessen ungeachtet sei aber seine Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Dies habe zur Folge, daß jedenfalls ein unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet, dem - wie im Fall des Beschwerdeführers - nie ein rechtmäßiger vorausgegangen sei, eine Beeinträchtigung des bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interesses von solchem Gewicht darstelle, daß die Ausweisung dringend geboten und damit zulässig im Sinn des § 19 FrG sei. Dazu komme, daß dem Beschwerdeführer - mangels Erfüllung der im § 6 Abs. 2 erster Satz des Aufenthaltsgesetzes normierten Voraussetzung, daß ein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom Ausland aus zu stellen sei - auch nicht die erforderliche Bewilligung nach diesem Gesetz erteilt werden dürfe. Eine Abstandnahme von der Ausweisung könnte dem Beschwerdeführer entgegen der genannten, ein wesentliches Element der mit dem Aufenthaltsgesetz getroffenen Regelung darstellenden Bestimmung den tatsächlichen, jedoch nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ebenfalls grob zuwiderlaufen würde. Sohin erweise sich die Ausweisung des Beschwerdeführers auch im Grunde des § 19 FrG als zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer beruft sich auf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinn des § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes (1968). Dieses Vorbringen vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine aufgrund des § 25 Abs. 3 des Asylgesetzes 1991 im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehende vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz (1968) als eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1995, Zl. 95/18/0473). Allerdings kam dem Beschwerdeführer nach dieser Bestimmung keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu, da weder sein Aufenthalt in Saudiarabien (in der Dauer von 12 Jahren) noch die aus dem Verwaltungsakt ersichtlichen, dem Beschwerdeführer von diesem Staat erteilten Aufenthaltsberechtigungen daran zweifeln lassen, daß sein Aufenthalt den saudiarabischen Behörden bekannt war und von diesen auch gebilligt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1986, Zl. 84/01/0094, dessen Rechtssatz in Slg. Nr. 12131/A abgedruckt ist).

Der Beschwerdeführer kann daher seinen Aufenthalt nicht auf eine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung stützen. Daran hat die vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 19. September 1995, Zl. AW 94/19/0456, erfolgte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an seine Beschwerde gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid nichts geändert. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit diesem Beschluß dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nämlich mit der Wirkung stattgegeben, "daß dem Antragsteller die Rechtsstellung zukommt, die er als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte". Da der Beschwerdeführer vor diesem Zeitpunkt keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 hatte, konnte ihm auch dieser Beschluß eine solche nicht verschaffen.

1.2. Schließlich ist festzuhalten, daß - anders als die Beschwerde vermeint - die Frage, ob dem Beschwerdeführer eine (vorläufige) Aufenthaltsberechtigung nach den asylrechtlichen Vorschriften zukommt, von der belangten Behörde im Rahmen des § 17 FrG jedenfalls zu prüfen war.

2.1. Die Beschwerde hält den bekämpften Bescheid im Grunde des § 19 FrG für rechtswidrig, weil die belangte Behörde nicht begründet habe, "warum eine Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung dringend geboten" sei; weiters sei im Hinblick auf § 19 FrG das Recht des Beschwerdeführers "auf gesetzliches Gehör" verletzt worden, da er weder aufgefordert noch mit ihm "eine Einvernahme darüber gemacht" worden sei, ob er familiäre Bindungen in Österreich oder Verwandte "bereits vor Einreise hier" gehabt hätte.

Auch dieses Vorbringen ist verfehlt:

2.2. Die Begründung des angefochtenen Bescheides bringt zweifelsfrei zum Ausdruck, daß im Hinblick auf den "relativ langen - wenn auch unerlaubten - Aufenthalt" des Beschwerdeführers seine Ausweisung einen relevanten Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 19 FrG darstelle. Die belangte Behörde hat aber ungeachtet dessen die Ansicht vertreten, daß die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüber dem einen hohen Stellenwert einnehmenden maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, welches die Ausweisung des Beschwerdeführers dringend gebieten würde, zurückzustehen hätten. Diese Beurteilung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Denn einerseits kommt den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 96/18/0035, mwH). Andererseits sind die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich angesichts der gänzlichen Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes von etwas mehr als fünf Jahren nicht so stark ausgeprägt, daß sie schwerer zu gewichten wären als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er sich "keiner Verbrechen oder Vergehen weder in strafrechtlicher noch in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht schuldig gemacht" habe, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

2.3. Der Verfahrensrüge, daß die belangte Behörde im Hinblick auf die Beurteilung nach § 19 FrG das "Recht auf gesetzliches Gehör verletzt" habe, ist schon unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen der Boden entzogen.

Ungeachtet dessen ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer - was die Beschwerde völlig unbeachtet läßt - nach Ausweis der Verwaltungsakten bereits von der Erstbehörde mit Schreiben vom 21. Juli 1994 aufgefordert worden war, Daten betreffend seine persönlichen Verhältnisse mitzuteilen und dieser in seinem Schreiben vom 9. August 1994 angegeben hat, daß er "über keinerlei Familienangehörige in Österreich" verfüge. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid verweist der Beschwerdeführer bezüglich des Sachverhaltes ausdrücklich auf die genannte Stellungnahme vom 9. August 1994.

3. Da nach den obigen Ausführungen dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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