VwGH 95/18/1021

VwGH95/18/102114.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde der S und des M, dieser vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. April 1995, Zl. Fr 4136/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 4. April 1995 wurden die Beschwerdeführer, beide jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführerin sei am 26. März 1991 von der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg ein Sichtvermerk zum Zwecke des Aufenthaltes bei ihrem in Österreich lebenden Vormund mit der Gültigkeitsdauer bis zum 30. Oktober 1991 ausgestellt worden. Am 25. Mai 1993 habe die Erstbeschwerdeführerin von der österreichischen Vertretungsbehörde in Belgrad einen Touristensichtvermerk erhalten. Dieser sei mehrmals verlängert worden, schließlich bis zum 13. August 1994. Seit diesem Zeitpunkt halte sich die Erstbeschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Aufgrund des Touristensichtvermerkes liege der zwingende Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor, weil ein Touristensichtvermerk im Inland nicht verlängerbar sei und ein etwaiger Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz im Ausland gestellt werden müsse. Wie aus der Aktenlage ersichtlich sei, hätte sich die Erstbeschwerdeführerin für sich bzw. den Zweitbeschwerdeführer bis heute nicht bemüht, den Aufenthalt im Bundesgebiet zu legalisieren. Auch in der Berufung sei nichts Gegenteiliges dargelegt worden.

Ein geordnetes Fremdenwesen sei für die Republik Österreich von eminentem Interesse. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

Bei Vorliegen der im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen habe die Behörde die Ausweisung zu verfügen. Ein Ermessen sei ihr hiebei nicht eingeräumt. Allerdings sei auf die im § 19 FrG vorgesehene Interessenabwägung Bedacht zu nehmen. Die belangte Behörde anerkenne, daß die beabsichtigte Ausweisung einen vorübergehenden Eingriff in das Privat- und Familienleben der beiden Beschwerdeführer darstelle. Die Erstbeschwerdeführerin werde bis zur Bewilligung ihres vom Ausland aus zu stellenden Antrages auf Aufenthaltsbewilligung von ihrem Mann getrennt sein. Dennoch erachte die belangte Behörde die Ausweisung in bezug auf § 19 FrG als gerechtfertigt, weil diese im Interesse der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Ordnung, insbesondere eines geordneten Fremdenwesens, dringend geboten sei. Die Eheschließung der Erstbeschwerdeführerin vermöge nicht zu ihren Gunsten auszuschlagen, da sie zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als die Erstbeschwerdeführerin rechtens nicht mit einem längeren Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen. Dem Interesse an einem geordneten Fremdenwesen würde es grob zuwiderlaufen, wenn ein Fremder auf solche Weise den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, daß sich die Erstbeschwerdeführerin seit dem Ende der Geltungsdauer des ihr zuletzt erteilten Sichtvermerkes am 13. August 1994 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Diese Beurteilung stößt auf dem Boden der unbestritten gebliebenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung auf keine Bedenken. Unbestritten ist weiters, daß der Zweitbeschwerdeführer, der Sohn der Erstbeschwerdeführerin, über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich verfügt.

2.1. Ungeachtet der somit zu bejahenden Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG hält die Beschwerde den angefochtenen Bescheid im Grunde des § 19 FrG für rechtswidrig. Eine Ausweisung würde zu einem "Auseinanderreißen" der Familie führen und die Erstbeschwerdeführerin sowie den Zweitbeschwerdeführer einer "ungewissen Situation" aussetzen, "welche durchaus lebensbedrohliche Ausmaße annehmen" könne. Für den Fall der Ausweisung seien die Beschwerdeführer der "Obdachlosigkeit ausgesetzt"; dadurch sei zumindest das Leben des Zweitbeschwerdeführers bedroht. Die Beschwerdeführer hätten in Jugoslawien keine Möglichkeit, Unterkunft zu finden, es sei auch nicht damit zu rechnen, daß man der Erstbeschwerdeführerin und ihrem Sohn dort "forthelfen" würde. Weiters dürften die Erstbeschwerdeführerin und ihr Sohn aufgrund ihres "Allgemeinzustandes" keine längeren Reisen unternehmen. Die weitere Anwesenheit der Beschwerdeführer in Österreich gefährde "weder die nationale Sicherheit, noch die öffentliche Ruhe und Ordnung", noch das "wirtschaftliche Wohl Österreichs"; die Erstbeschwerdeführerin habe auch keine strafbaren Handlungen begangen.

2.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides bringt zweifelsfrei zum Ausdruck, daß im Lichte des § 19 FrG die persönlichen und familiären Interessen der beiden Beschwerdeführer gegenüber dem einen hohen Stellenwert einnehmenden maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, welches die Ausweisung der Erstbeschwerdeführerin sowie des Zweitbeschwerdeführers dringend gebieten würde, zurückzustehen hätten. Zutreffend hat die belangte Behörde angenommen, daß den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 96/18/0035, mwH). Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer an einem weiteren Verbleib in Österreich sind angesichts des - nach Ausweis der Verwaltungsakten - noch keineswegs langen Aufenthaltes der Erstbeschwerdeführerin in der Dauer von etwa zwei Jahren und zehn Monaten sowie des Zweitbeschwerdeführers in der Dauer von etwa acht Monaten, wovon hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin ein Zeitraum von etwa acht Monaten, hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers die Dauer seines gesamten Aufenthaltes in Österreich als unrechtmäßig zu Buche schlagen, nicht so stark ausgeprägt, und zwar auch nicht unter Bedachtnahme auf die in der Beschwerde dargestellte private und familiäre Situation, daß sie schwerer zu gewichten wären, als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse. Die Ehe der Erstbeschwerdeführerin wurde unbestritten nach Ablauf der Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich und somit zu einem Zeitpunkt geschlossen, als die Erstbeschwerdeführerin nicht mehr mit einem längeren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte; die Ehe ist somit nicht von wesentlichem Gewicht und vermag folglich nicht zu ihren Gunsten auszuschlagen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/18/0418). Die in der Beschwerde behauptete mangelnde Reisefähigkeit ist im übrigen kein Kriterium, das im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung gemäß § 19 FrG zu berücksichtigen wäre; diesem Umstand hätte allenfalls durch einen Durchsetzungsaufschub nach § 22 Abs. 1 FrG Rechnung getragen werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 96/18/0288).

Daß die Erstbeschwerdeführerin behauptetermaßen keine strafbaren Handlungen begangen habe, ändert nichts an der Unbedenklichkeit der von der belangten Behörde gemäß § 19 vorgenommenen Bewertung.

2.3. Das Beschwerdevorbringen betreffend die Lage in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit die Beschwerdeführer besitzen, ist nicht zielführend, da bei einer Ausweisung nicht darüber abgesprochen wird, daß ein Fremder in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/18/0479).

3. Da nach den obigen Ausführungen dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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