VwGH 95/18/0366

VwGH95/18/036628.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch DDr. W, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Dezember 1994, Zl. 106.462/3-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 21. Dezember 1994 wies der Bundesminister für Inneres (belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes ab. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 31. Juli 1994 gehabt habe; der Antrag auf Verlängerung sei spätestens vier Wochen vor Ablauf der Geltungsdauer einer Bewilligung zu stellen; als letzter Tag dieser vierwöchigen Frist errechne sich der 4. Juli 1994. Da der Beschwerdeführer den Verlängerungsantrag erst am 11. Juli 1994 eingebracht habe, sei die gesetzlich vorgeschriebene Frist versäumt. Bei der genannten Frist handle es sich um eine vom Gesetz normierte Fallfrist, die der Behörde keinen Ermessensspielraum einräume. Eine Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen wäre nur dann zulässig gewesen, wenn der Beschwerdeführer gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG gestellt hätte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte eine kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer behauptet, daß die Feststellungen der belangten Behörde nicht zutreffend seien. Er habe "konkludent einen Antrag gemäß § 71 AVG gestellt"; sollten die "konkludenten Ausführungen" des Beschwerdeführers aus der Sicht der Behörde erster Instanz nicht als Antrag gemäß § 71 AVG zu werten gewesen sein, habe die Behörde erster Instanz ihm gegenüber als "unvertretene Partei" die Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG verletzt. Er habe den Antrag vom Inland aus gestellt; nach § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes wäre aber im Fall des Fristversäumnisses ein Antrag über das Ausland zu stellen gewesen. Die Behörde erster Instanz hätte daher bei richtiger Auslegung des Gesetzes ihm aufzutragen gehabt, entweder den Antrag aus einem Drittstaat zu stellen oder einen Antrag gemäß § 71 AVG gleichzeitig mit dem verspätet gestellten Antrag einzubringen. Da dies nicht der Fall gewesen sei, habe bereits zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen behördlichen Verfahrens ein gravierender Verfahrensfehler vorgelegen, der eine ausreichende Erörterung des Sachverhaltes bzw. eine Behandlung des Antrages nicht zugelassen habe. Die belangte Behörde habe unter Verkennung dieser Rechtslage die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und den vorliegenden gravierenden Verfahrensmangel nicht in ihre Entscheidung miteinbezogen. Bei richtiger Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes hätte die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer mit Berufung angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben gehabt; durch die Verletzung der Verfahrensbestimmung des § 13a AVG sei der angefochtene Bescheid "ebenfalls inhaltlich rechtswidrig".

2. Unter Zugrundelegung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94, und in der Folge etwa die Erkenntnisse vom 29. Juni 1995, B 2688/94, und vom 11. Oktober 1995, B 2619/94) sind Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben und die aus welchen Gründen immer über keine Aufenthaltsbewilligung (mehr) verfügen, im Fall relativ geringfügiger Versäumung der Frist zur Antragstellung i.S. des § 13 Abs. 1 AufG im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Auslegung des durch § 6 Abs. 2 AufG geschaffenen Regelungssystems dem zweiten Satz der zuletzt genannten Vorschrift zu unterstellen. Das heißt, daß solche Bewilligungsanträge - ungeachtet der Fristversäumnis - als rechtzeitig gestellte Anträge auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die auch vom Inland aus gestellt werden können, zu werten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0759).

Dies gilt umsomehr für Fremde, die sich zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 3 AufG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, die aber den Antrag nicht spätestens vier Wochen vor Ablauf der Bewilligung gestellt hatten (vgl. in diesem Sinne auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1995,

B 172/94 u.a.).

3. Auf den Fall des Beschwerdeführers treffen die unter Punkt 2 dargestellten sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen unbestrittenermaßen zu, da dieser nach den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten in Wien im Jahre 1992 geboren wurde und sich seit 11. Dezember 1992, auch zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Verlängerung seiner bis zum 31. Juli 1994 gültigen Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 3 AufG am 11. Juli 1994, rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Damit ist der vom Beschwerdeführer am 11. Juli 1994 eingebrachte Antrag als rechtzeitig gestellter Verlängerungsantrag im Sinn des § 6 Abs. 3 AufG anzusehen.

Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie im Fall des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis gekommen ist, daß dieser die Antragsfrist von vier Wochen nach § 6 Abs. 3 erster Satz zweiter Halbsatz AufG versäumt habe, den bekämpften Bescheid schon deswegen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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