Normen
AVG §45 Abs2;
VStG §21 Abs1;
VStG §9 Abs1 idF 1983/176;
VStG §9 Abs2 idF 1983/176;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4 idF 1983/176;
VStG §9 Abs4;
VwGG §48 Abs2 litb;
VwGG §49 Abs2;
VwGG §53 Abs1;
AVG §45 Abs2;
VStG §21 Abs1;
VStG §9 Abs1 idF 1983/176;
VStG §9 Abs2 idF 1983/176;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4 idF 1983/176;
VStG §9 Abs4;
VwGG §48 Abs2 litb;
VwGG §49 Abs2;
VwGG §53 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 13.695,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung (BH) je vom 26. Mai 1994 wurden die Beschwerdeführer als handelsrechtliche Geschäftsführer und somit als die nach außen zur Vertretung berufenen Organe der Firma B-Ges.m.b.H. in B. (Tatort) schuldig erkannt, daß am 23. September 1993 in der Filiale in dieser Firma in H.,
- "1.) die leicht entzündliche, reizende und dadurch gefährliche Zubereitung "Heissner Teichfolienkleber" (PrZ KH 88/93) im Verkaufsraum zum Verkauf bereitgehalten und somit in Verkehr gesetzt wurde, obwohl die Kennzeichnung dieser gefährlichen Zubereitung nicht den Anforderungen gemäß § 18 Abs. 1-5 oder einer gemäß § 18 Abs. 6 erlassenen Verordnung (Chemikalienverordnung) entsprochen haben;
a) folgende Kennzeichnungselemente haben gefehlt:
* Name des gefährlichen Inhaltsstoffes (§ 18/1/1 ChemG i.V.m. § 12/2/1 und § 13 ChemV),
* Hinweise zur schadlosen Beseitigung (§ 18/1/7 ChemG i.V.m. § 12/2/7 und § 18 ChemV),
- b) folgende Kennzeichnungselemente waren mangelhaft bzw. unvollständig angegeben:
* Name (Firma), Adresse und Telefonnummer des Herstellers
oder Importeurs (§ 18/1/2 ChemG i.V.m. § 12/2/2 ChemV)
* Gefahrensymbol, Kennbuchstabe und Gefahrenbezeichnung
(§ 18/1/3 ChemG i.V.m. § 12/2/3 und § 14 ChemV)
* R-Sätze (§ 18/1/4 ChemG i.V.m. § 12/2/4 und § 15 ChemV)
* S-Sätze (§ 18/1/5 ChemG i.V.m. § 12/2/5 und § 16 ChemV) * Hinweise auf Gegenmaßnahmen im Unglücksfall (§ 18/1/6 ChemG i.V.m. § 12/2/6 und § 17 ChemV).
Weiters wurde
- 2.) die entzündliche und dadurch gefährliche Zubereitung "Ultrament Dachkitt" (PrZ KH 87/93) im Verkaufsraum zum Verkauf bereitgehalten und in Verkehr gebracht, obwohl die Kennzeichnung dieses Produktes nicht den Anforderungen gemäß § 18 Abs. 1-5 oder einer gemäß § 18 Abs. 6 erlassenen VO (ChemV) entsprochen hat;
a) folgendes Kennzeichnungselement hat gefehlt:
* Name der gefährlichen Inhaltsstoffe (§ 18/1/1 ChemG i.V.m. § 12/2/1 und § 13 ChemV)
- b) folgende Kennzeichnungselemente waren unvollständig bzw. mangelhaft angegeben:
* Name (Firma), Adresse und Telefonnummer des Herstellers
oder Importeurs (§ 18/1/2 ChemG i.V.m. § 12/2/2 ChemV)
* S-Sätze (§ 18/1/5 ChemG i.V.m. § 12/2/5 und § 16 ChemV) * Hinweise auf Gegenmaßnahmen im Unglücksfall (§ 18/1/6 ChemG i.V.m. § 12/2/6 und § 17 ChemV)."
Hiefür wurden über die Beschwerdeführer Geldstrafen zwischen S 4.000,-- und S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwischen 4 Tagen und 10 Tagen) verhängt.
Gegen diese Straferkenntnisse erhoben die Beschwerdeführer Berufungen und brachten darin im wesentlichen vor, daß die Verantwortung zur Einhaltung der Verwaltungsvorschriften an den Marktleiter übertragen worden sei. Die Geschäftsführung des Unternehmens hätte keine Kenntnis davon, daß Übertretungen der gegenständlichen Art begangen worden seien. Der Marktleiter hätte den strikten Auftrag, das Chemikaliengesetz genauestens einzuhalten. Die Einvernahme des Marktleiters werde beantragt. Die Angaben seien bereits berichtigt worden bzw. die Produkte aus dem Sortiment genommen. Weiters sei die einschreitende Behörde unzuständig. Die Gesellschaft habe nämlich ihren Sitz in B. Eine gesonderte Bestrafung für das jeweils vorgefundene Produkt sei nicht zulässig. Die Verhängung von Strafen in dieser Höhe sei weder aus general- noch aus spezialpräventiven Gründen nötig.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden bestätigte die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG die Straferkenntnisse der BH mit der Maßgabe,
"daß die Punkte 1b und 2b der Tatbeschreibung entfallen. Bei der Übertretungsnorm und Strafnorm entfallen die Punkte 3 und 4.
Die Übertretungsnorm lautet:
ad 1) § 55 Z. 15 i.V.m. § 18 Abs. 1 Z. 1 und 7
Chemikaliengesetz
ad 2) § 15 Z. 15 i.V.m. § 18 Abs. 1 Z. 1 Chemikaliengesetz Hinsichtlich der verbleibenden Punkte 1 und 2 wird die
verhängte Strafe auf S 6.000,-- zu Punkt 1 und auf S 3.000,-- zu Punkt 2 (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage zu Punkt 1 und 3 Tage zu Punkt 2) herabgesetzt".
Begründend führte die belangte Behörde im Zusammenhang mit der Zuständigkeitsfrage aus, daß als Tatort jener Ort anzusehen sei, an dem der Täter gehandelt habe bzw. handeln hätte sollen. Bei einem in Filialen gegliederten Unternehmen sei im Zweifel der Sitz der Unternehmensleitung als jener Ort anzusehen, an dem der Täter gehandelt hat bzw. handeln hätte sollen. Da sich der Sitz des gegenständlichen Unternehmens in B. befinde, sei zu Recht dieser Ort als Tatort angenommen worden. Die Tatortbehörde (Bezirkshauptmannschaft B.) habe das Verfahren rechtmäßig gemäß § 29a VStG an die Wohnsitzbehörde abgetreten, sodaß die erstinstanzliche Zuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde gegeben sei. Die Berufung sei hinsichtlich der Schuldfrage abzuweisen gewesen, jedoch sei die Übertretungsnorm zu berichtigen gewesen. Im Straferkenntnis der BH sei - analog zur Anzeige - angeführt, daß bestimmte Kennzeichnungselemente fehlten bzw. manche lediglich mangelhaft und unvollständig vorhanden gewesen seien. Da jedoch nicht ersichtlich sei, worin die Mangelhaftigkeit bzw. Unvollständigkeit gelegen habe, sei das Straferkenntnis abzuändern bzw. der erhobene Tatvorwurf entsprechend einzuschränken gewesen. Im übrigen handle es sich bei den beiden vorgefundenen Produkten um unterschiedliche Produkte, weshalb sehr wohl diesbezüglich zu kumulieren gewesen sei.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden im wesentlichen inhaltsgleichen Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich durch die angefochtenen Bescheide in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht bestraft zu werden.
Die belangte Behörde hat in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Bundesminister für Umwelt hat von seiner ihm nach § 21 Abs. 1 VwGG zukommenden Parteistellung Gebrauch gemacht und in seiner Äußerung die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat über diese erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen vor, die belangte Behörde gehe im angefochtenen Bescheid davon aus, daß eine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG nicht erfolgt sei. Die belangte Behörde selbst gebe zu, daß von einem Zustimmungsnachweis nur dann gesprochen werden könne, wenn ein Ergebnis schon vor Begehung der Tat vorhanden sei, etwa in Form einer Zeugenaussage. Gerade aus diesem Grund sei von den Beschwerdeführern die Einvernahme des Marktleiters beantragt worden, der seine Verantwortung bestätigt hätte. Hätte die belangte Behörde den Marktleiter einvernommen, wäre sie zweifelsfrei zur Erkenntnis gekommen, daß dieser wirksam zur Einhaltung der Vorschriften beauftragt worden sei. Wie eine Zeugenaussage vor "Begehung der Tat" nachgewiesen werden sollte bzw. könnte, sei ohne die Aussage des Marktleiters nicht nachzuvollziehen.
Um von einem verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG sprechen zu können, ist gemäß Abs. 4 die nachweisliche Zustimmung zu seiner Bestellung erforderlich. Diese Bestellung wird erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, wirksam. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde tritt ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle der zur Vertretung nach außen Berufenen. Die Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten ist daher nur dann zulässig, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. N.F. 12.375/A u.a.). Der Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten zu seiner Bestellung kann auch durch eine Zeugenaussage erbracht werden. Entscheidend ist jedoch, daß dieses Beweismittel schon vor Begehung der Tat vorhanden war, wobei hiefür auch eine entsprechende Aussage des verantwortlichen Beauftragten in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, 92/18/0313).
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer genügt es jedoch zur Erbringung des Zustimmungsnachweises nicht, wenn sich die Beschwerdeführer auf die erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten berufen, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. März 1988, Slg. N.F. 12.675/A). Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie unter Abstandnahme von der von den Beschwerdeführern beantragten Zeugenvernehmung die Rechtswirksamkeit der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten schon im Hinblick auf das Fehlen eines entsprechenden Zustimmungsnachweises verneinte.
Die Beschwerdeführer führen aus, angesichts der Tatsache, daß nach Hervorkommen der behaupteten Übertretungen die Angaben umgehend berichtigt worden bzw. die Produkte vom Marktleiter aus dem Sortiment genommen worden seien und in Anbetracht des Umstandes, daß mittlerweile organisatorische Vorkehrungen getroffen worden seien, die derartige Vorkommnisse in der Zukunft unmöglich machen würden, sei ihr Verschulden als äußerst geringfügig zu qualifizieren. Die belangte Behörde hätte daher gemäß § 21 Abs. 1 VStG von einer Verhängung einer Strafe absehen müssen. Jedenfalls wäre es aber ausreichend gewesen, unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beschwerdeführer diese gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 VStG mit Bescheid zu ermahnen.
Eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG kommt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann in Betracht, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, 92/07/0112). In Fällen, in denen ein geeignetes Maßnahmensystem und Kontrollsystem nicht eingerichtet wurde, kann von einem geringfügigen Verschulden nicht mehr gesprochen werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1994, 92/18/0461).
Zum allein entscheidenden Tatzeitpunkt war ein Kontrollsystem nicht eingerichtet. Daß die Produkte im Anschluß an die Übertretungen aus dem Verkehr gezogen wurden, kann nichts mehr daran ändern, daß ein Kontrollsystem zum Tatzeitpunkt nicht vorhanden war, weshalb jedenfalls kein geringfügiges Verschulden vorlag. Es wurde zwar in den Berufungen bereits mitgeteilt, daß die entsprechenden Produkte aus dem Sortiment genommen wurden, jedoch wird erstmals in den Beschwerden vorgebracht, die Beschwerdeführer hätten auch organisatorische Vorkehrungen getroffen, die derartige Vorkommnisse in der Zukunft unmöglich machen sollten. Diese Behauptung stellt sich als eine vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung dar. Somit lagen - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine ausreichenden Indizien für die Schaffung eines derartigen Kontrollsystems vor, sodaß zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sehr wohl spezialpräventive Überlegungen für den Ausspruch einer Strafe sprachen.
Aus den dargestellten Überlegungen erweisen sich die Beschwerden somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Werden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über mehrere Beschwerden, die dann miteinander verbunden werden, von der belangten Behörde inhaltlich gleichlautende Gegenschriften vorgelegt, so sind diese Gegenschriften auch bei Berechnung des Aufwandersatzes getrennt zu behandeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1970, Zl. 661, 662, 663/68).
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