VwGH 95/06/0129

VwGH95/06/012930.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 27. April 1995, Zlen. A 17 - K - 8.639/1992 - 7 sowie

A 17 - K - 10.733/1994 - 6, betreffend Einwendungen gegen Baubewilligungen (mitbeteiligte Parteien: 1. X-Gesellschaft mbH in Graz, 2. M in G, beide vertreten durch Dr. H), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
BauO Stmk 1968 §58 Abs1 litd;
BauO Stmk 1968 §61;
BauRallg;
AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
BauO Stmk 1968 §58 Abs1 litd;
BauO Stmk 1968 §61;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 10. September 1991 ersuchte die erstmitbeteiligte Partei mit Zustimmung des Grundeigentümers um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf einem Grundstück in G. Der Beschwerdeführer erhob als Nachbar Einwendungen gegen das Vorhaben, das zuletzt nicht mehr den ursprünglich geplanten Ausbau des Dachbodens umfaßte. Mit Bescheid vom 20. März 1992 erteilte die Baubehörde I. Instanz die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Oktober 1992 als unbegründet abgewiesen wurde. Dieser Berufungsbescheid wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 92/06/0250, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben (in der Folge kurz: "erstes Bauverfahren").

Zwischenzeitig hatte die zweitmitbeteiligte Partei mit Zustimmung des Grundeigentümers (in Ausnützung einer Widmungsänderungsbewilligung vom 5. März 1993, mit welcher die höchstzulässige Bebauungsdichte auf 0,6 angehoben worden war) mit Eingabe vom 23. März 1993 um baubehördliche Bewilligung für den Ausbau des Dachbodens angesucht (in der Folge kurz: "zweites Bauverfahren"). Auch dagegen erhob der Beschwerdeführer Einwendungen. Mit Bescheid vom 29. Juli 1993 erteilte die Baubehörde I. Instanz die beantragte Baubewilligung. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. März 1994 als unbegründet abgewiesen wurde. Dieser Berufungsbescheid wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/06/0101, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Das Nähere ist den beiden genannten Erkenntnissen zu entnehmen. Festzuhalten ist, daß das Gebäude, wie sich aus verschiedenen Lichtbildern in den Verwaltungsakten ergibt, zwischenzeitig errichtet wurde.

Im fortgesetzten ersten Bauverfahren forderte die belangte Behörde die erstmitbeteiligte Partei mit Erledigung vom 7. September 1994 auf, im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 23. Juni 1994 die eingereichten Baupläne insoweit abzuändern, als eindeutig ersichtlich sein müsse, daß die Stiegenhausanlage nach außen offen errichtet worden sei und somit dem Stiegenhaus keine raumbildende Wirkung zukomme. Außerdem sei eine Bebauungsdichteberechnung vorzulegen, wobei die im Gebäude integrierten Erschließungsgänge ebenfalls in die Bebauungsdichte miteinzubeziehen seien. Die Bebauungsdichte für das gesamte Gebäude, also inklusive dem ausgebauten Dachgeschoß, müsse sodann dem in der Widmungsänderungsbewilligung festgesetzten Bebauungsdichtewert von höchstens 0,6 entsprechen. Die erstmitbeteiligte Partei habe die Möglichkeit, binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eine Stellungnahme abzugeben (dieses wurde den Verwaltungsakten zufolge am selben Tag abgefertigt). In einer behördeninternen Erledigung vom 25. Oktober 1994 ist festgehalten, daß die Änderungen in den Einreichunterlagen von der Bewilligungswerberin noch nicht durchgeführt worden seien. Sodann findet sich in den Verwaltungsakten eine undatierte Bebauungsdichteberechnung, die von der erstmitbeteiligten Partei unterfertigt ist (demgemäß belaufe sich die Dichte auf - aufgerundet - 0,58), sowie eine ebenfalls undatierte Bebauungsdichteberechnung des Amtssachverständigen, in welcher die Dichte des Gebäudes einschließlich des Dachgeschosses mit 0,57 ohne das Stiegenhaus, und mit 0,60 mit Stiegenhaus ermittelt wird. Angeschlossen sind entsprechende Planunterlagen. Der Beschwerdeführer äußerte sich in beiden Bauverfahren unter Anschluß entsprechender Berechnungen eines Baumeisters ablehnend, wobei er insbesondere vorbrachte, daß die Planunterlagen unzureichend seien, sich aber (schon) aus diesen unzureichenden Unterlagen ergäbe, daß die höchstzulässige Dichte überschritten werde, weil auch das Stiegenhaus in die Dichteberechnung miteinzubeziehen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde beiden Berufungen des Beschwerdeführers abermals keine Folge gegeben und die bekämpften Bescheide der Behörde I. Instanz (vollinhaltlich) bestätigt. Die belangte Behörde führte begründend im wesentlichen aus, daß das außenliegende, offene Stiegenhaus nicht in die Bebauungsdichte miteinzuberechnen sei, weil es keinen fünfseitig umschlossenen Bereich im Sinne des § 4 der Bebauungsdichteverordnung 1993 darstelle. Festzuhalten sei, daß bei der Bebauungsdichteberechnung von den eingereichten Unterlagen (Bauplänen und Baubeschreibungen) auszugehen sei und nicht von einem allenfalls in der Natur tatsächlich gegeben Bestand. Sowohl aus den Berechnungen des Amtssachverständigen, als auch aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Berechnungen sei ersichtlich, daß das geplante Wohnhaus sowohl mit als auch ohne Hinzurechnung des Heizhauses die höchstzulässige Dichte von 0,6 nicht überschreite. (Wurde eingehend näher ausgeführt.) Die Berufungen seien daher abzuweisen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeteten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zusammengefaßt geltend, daß ein befangener Amtssachverständiger an den fortgesetzten Berufungsverfahren mitgewirkt habe, daß die belangte Behörde zu Unrecht aufgrund überdies mangelhafter Planunterlagen davon ausgegangen sei, daß das Vorhaben die höchstzulässige Dichte nicht überschreite, und auch auf das Berufungsvorbringen in bezug auf die befürchteten Immissionen überhaupt nicht eingegangen worden sei.

Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers war der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige nicht deshalb befangen (§§ 7, 53 AVG), weil er bereits am erstinstanzlichen Verfahren mitgewirkt hat (siehe die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, in E 6 zu § 53 AVG und E 6 zu § 7 AVG wiedergegebene Judikatur). Die Annahme, daß der Sachverständige deshalb, weil er im erstinstanzlichen Bescheid (des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz) als Bearbeiter aufscheint und die zugrundeliegende Bauverhandlung geleitet hatte, iSd § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG an der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (im ersten Bauverfahren) mitgewirkt hätte, ist unzutreffend (siehe die in Hauer-Leukauf, aaO, in E 23 zu § 7 AVG wiedergegebene Judikatur).

Im übrigen ist der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen jedenfalls im Ergebnis im Recht:

Die dem ersten Bauverfahren zugrundeliegenden Austauschpläne (die ursprünglichen, "ungültigen" Einreichpläne - siehe Seite 4 des genannten Vorerkenntnisses Zl. 92/06/0250 - befinden sich nicht mehr im Akt) weisen im Dachgeschoß eine Decke auf; die Raumhöhe ist mit 2,10 m angegeben. Die belangte Behörde hat auch im Berufungsbescheid vom 5. Oktober 1992 damit argumentiert, daß das Dachgeschoß, dessen Ausbau damals nicht mehr projektgegenständlich war, in die Bebauungsdichteberechnung nicht miteinzubeziehen sei, weil die erforderliche Raumhöhe nicht erreicht werde. In den dem zweiten Bauverfahren zugrundeliegenden Plänen hingegen ist die Raumhöhe mit 2,50 m ausgewiesen und die Decke entsprechend höher eingezeichnet, aber als Bestand ausgewiesen. Ebenso fällt auf, daß in diesen Plänen das Kellergeschoß zur Gänze als Bestand mit einer Raumhöhe von 2,45 m und einem Fußbodenniveau von minus 2,80 m als Bestand ausgewiesen ist, in den Austauschplänen hingegen die projektierte Raumhöhe mit 2,20 m und das Fußbodenniveau mit minus 2,55 m eingezeichnet ist. Sowohl der Amtssachverständige als auch der Beschwerdeführer sind in ihren Berechnungen davon ausgegangen, daß ein "Heizhaus" in die Dichteberechnung einzubeziehen ist; dabei handelt es sich fraglos um einen, wie sich aus den vorgelegten Lichtbildern ergibt, in der Natur tatsächlich vorhandenen Anbau. Dieser Anbau ist in den Plänen, die dem zweiten Bauverfahren zugrundeliegen, als Bestand ausgewiesen (Ostansicht, Südansicht, Lageplan), scheint hingegen in den dem ersten Bauverfahren zugrundeliegenden Austauschplänen überhaupt nicht auf. In letzteren Plänen ist beim Schnitt A-A bei der Darstellung des Stiegenhauses die Erläuterung "Witterungsschutz durchsichtig nicht raumbildend" gestrichen, daneben steht "offenes Stiegenhaus nicht verglast 10.1.1994" (Unterschrift). Dementsprechend ist bei den Grundrissen des Erdgeschosses und des Obergeschosses beim Stiegenhaus jeweils vermerkt "offenes Stiegenhaus nicht verglast". Bei der Ostansicht hingegen, auf welcher das Stiegenhaus dargestellt ist, heißt es weiterhin sichtlich unverändert "Witterungsschutz durchsichtig nicht raumbildend" und es unterscheidet sich diese Darstellung auch insofern vom ausgewiesenen Bestand in der Ostansicht in den Bauplänen des zweiten Bauverfahrens. Zwar steht zu vermuten, daß diese Zusätze in bezug auf die Verglasung des Stiegenhauses im fortgesetzten Berufungsverfahren vorgenommen wurden, was aber mit der Datierung 10. Jänner 1994 nicht Einklang gebracht werden kann (zu dieser Zeit war das Verfahren noch vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Aufforderung zur Abänderung erging erst im September 1994). Möglicherweise liegt ein Datierungsfehler vor.

Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, daß Gegenstand des Bauverfahrens ein durch Bauplan und Baubeschreibung konkretisiertes Bauvorhaben zu sein hat und nicht ein allenfalls abweichender tatsächlicher Bestand. Andererseits ist doch zu vermuten, daß es den Bauwerbern daran gelegen ist, einen Konsens für das zwischenzeitig tatsächlich errichtete Gebäude zu erwirken, wofür auch spricht, daß in den dem zweiten Bauverfahren zugrundeliegenden Bauplänen dieser Anbau oder auch die Raumhöhen im Dach- sowie im Kellergeschoß als (vermeintlicher) Bestand ausgewiesen sind, was aber wiederum mit den im ersten Bauverfahren vorgelegten Austauschplänen nicht in Einklang zu bringen ist. Aufgrund der besonderen Umstände des Falles können nach dem Gesagten die in beiden Verfahren vorgelegten Pläne nicht als Grundlage für eine verläßliche Beurteilung des Projektes und damit auch nicht für eine verläßliche Berechnung der Bebauungsdichte angesehen werden, womit die Berufungsverfahren an Rechtswidrigkeiten infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften leiden, weil - nach Lage des Falles - eine entsprechende Aufklärung durch die belangte Behörde geboten gewesen wäre. Geht man davon aus, daß während des Berufungsverfahrens eine Planmodifikation stattgefunden hat, wäre dies überdies im Spruch des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck zu bringen gewesen (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 94/06/0024, = BauSlg. 158/1994, betreffend eine Beschwerde gegen einen Bescheid der belangten Behörde). Auch verstand sich der Hinweis im eingangs genannten Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 92/06/0250, auf das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1994, Zl. 92/06/0246 (Immissionen von Pkw-Abstellplätzen), als Anregung, worauf es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im fortgesetzten Verfahren rechtlich ankomme, war aber entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zum Ausdruck gebrachten Beurteilung keineswegs dahin zu verstehen, daß auf dieses Vorbringen des Beschwerdeführers im Ersatzbescheid "nicht mehr eingegangen" werden müsse. Die belangte Behörde war daher keineswegs der Verpflichtung enthoben, sich in ihrer neuerlichen Berufungsentscheidung mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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