VwGH 95/05/0184

VwGH95/05/018427.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. April 1995, Zl. MD-VfR - B XXII -1/95, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: B-GmbH in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §76;
BauO Wr §80 Abs1;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §76;
BauO Wr §80 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 19. Juli 1994 beantragte die mitbeteiligte Partei die Baubewilligung für die Errichtung einer Reihenhausanlage auf dem Grundstück Nr. n1 der Liegenschaft EZ nn1, KG A. Das Grundstück liegt laut den mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 20. Oktober 1993, Zl. MA 37/V-6742/93, bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen im Wohngebiet, Bauklasse I, mit einer maximalen Gebäudehöhe von 7,5 m; vorgesehen ist entweder eine offene oder gekuppelte Bauweise. Die Fläche des sich von der X-Gasse Richtung Norden erstreckenden, rund 69 m langen und 23,5 m breiten Grundstückes beträgt 1.621,03 m2. Das Gelände des Grundstückes fällt in der Mitte seiner Breitseite ab, sodaß es auf der Westseite um 2,80 m tiefer liegt. An der Ostseite dieses Grundstückes grenzt das der Beschwerdeführerin gehörige Grundstück Nr. n2 der Liegenschaft EZ nn2, KG A. Projektsgemäß sollen zwei Reihenhäuser mit einer Breite von rund 10 m und einer Länge von je 24,20 m in einer Entfernung von 6 m zur Grundstücksgrenze des Grundstückes der Beschwerdeführerin errichtet werden. Das erste Reihenhaus befindet sich 10,5 m von der Grundstücksgrenze zur südlich gelegenen X-Gasse entfernt. Beide Reihenhäuser sind 7 m von einander entfernt und durch einen 1,20 m breiten Laubengang verbunden. Der zwischen beiden Reihenhäusern vorgesehene Keller befindet sich unter dem bestehenden Gelände. Die dem Grundstück der Beschwerdeführerin zugewandte Außenfläche der beiden Reihenhäuser ist plangemäß 6,49 m hoch. Aus dem Dach ragen mehrere Gaupen jeweils mit nicht mehr als 2 Fenstern heraus.

In der mündlichen Verhandlung wendete die Beschwerdeführerin ein, das Bauvorhaben sei unpassend zur Struktur der bestehenden Baulichkeiten, es werde zu einer Lärmbeeinträchtigung und wesentlich erhöhten Abgasimmissionen kommen, welche das Grundstück der Beschwerdeführerin entwerten und ihre Lebensqualität beeinträchtigen. Die zulässige Drittelbebauung werde überschritten, da auch der zwischen den beiden Reihenhäusern vorgesehene Kellertrakt zur bebauten Fläche zähle.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 23. November 1994 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung unter Auflagen erteilt. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden teilweise ab-, teilweise zurückgewiesen; teilweise wurde die Beschwerdeführerin mit ihren Einwendungen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. April 1995 wurde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben, die Baubeschreibung im erstinstanzlichen Bescheid jedoch dahingehend berichtigt, daß das Gelände natürlich von "Osten nach Westen" abfällt. Der unterirdisch gelegene Mittelteil, beinhaltend den Fahrradabstellraum, den Waschraum sowie Kellerabteile, hätte bei der Ermittlung der bebauten Flächen außer Betracht zu bleiben, da er zur Gänze "unter dem gewachsenen Gelände" liege. Die Zutrittsmöglichkeit von außen könne kein Kriterium dafür bedeuten, daß es sich hier um ein über dem Erdboden gelagertes Gebäude handle. Der Beschwerdeführerin komme kein subjektives Recht auf Freihaltung des Vorgartens zu. Die Anordnung der projektsgemäß vorgesehenen Zufahrten stünde nicht im Widerspruch zur Widmung als Vorgarten. Auf die Erhaltung eines bestimmten Stadt- und Landschaftsbildes hätten die Anrainer kein subjektiv-öffentliches Recht. Bezüglich des in der Berufung vorgebrachten Einwandes, die Gebäudehöhe werde überschritten, liege Präklusion vor. Im übrigen sei aber den Bauplänen und der vorgelegten Höhenberechnung zu entnehmen, daß die Gebäudehöhe eingehalten werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf Freisein von bauordnungswidrigen Einwirkungen durch ein Nachbargrundstück verletzt. Positiv formuliert wurde ich somit in meinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung von Bestimmungen der Bauordnung für Wien, insbesondere was die Bauklasse I betrifft, verletzt".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin führt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer solchen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aus, die Gebäudehöhe sei falsch berechnet worden; sie hätte vom "gewachsenen Boden aus gemessen" werden müssen. Die Behörden hätten nicht bedacht, daß das zu bebauende Grundstück extrem abfallend sei. Da die belangte Behörde die Gebäudehöhe nicht vom gewachsenen Boden aus gemessen, sondern eine Fluchtlinie mit den Nachbarhäusern gebildet habe, würden sowohl die auf Grund der Bauordnung für Wien erlaubten 7,5 m als auch die erlaubten 11,5 m als maximale Gebäudehöhe überschritten. Bei einem abfallenden Grundstück müßten die einzelnen Gebäude in Entsprechung der Bauordnung vom Boden aus gemessen jeweils die gleiche Gebäudehöhe haben, andernfalls käme man zu dem bauordnungswidrigen Ergebnis, daß das letzte Haus im Bereich des Endes des abfallenden Grundstückes die drei- bis vierfache Gebäudehöhe des ersten Hauses, das sich am höchsten Punkt des abfallenden Grundstückes befindet, habe. Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin, wonach durch die Gegebenheiten des Grundstückes eine Überschreitung der maximalen Gebäudehöhe notwendigerweise vorliege, hätte die belangte Behörde - allenfalls vor Ort - feststellen müssen, ob die behaupteten Überschreitungen tatsächlich vorlägen. Sowohl die Verletzungen der Bestimmungen über die Gebäudehöhe als auch die Verletzung der Anzahl der zulässigen Geschoße sei auf eine unrichtige Berechnung des Amtssachverständigen zurückzuführen. Bei pflichtgemäßem sachlichem Vorgehen und entsprechender - dem Gebot der materiellen Wahrheitsfindung gerecht werdender - Ermittlungstätigkeit hätte die belangte Behörde einen neuerlichen Augenschein anberaumen und ein weiteres Sachverständigengutachten zur Frage des natürlichen Abfalles des Grundstückes und der damit verbundenen Auswirkungen auf die tatsächliche Gebäudehöhe einholen müssen. Daraus hätte sich ergeben, daß nicht nur die Bestimmungen über die Gebäudehöhe nicht eingehalten worden seien, sondern auch die tatsächliche Bebauung mehr als ein Drittel betrage.

Zu diesem Vorbringen ist zunächst darauf hinzuweisen, daß das Mitspracherecht der Nachbarn im baurechtlichen Bewilligungsverfahren nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Hinsicht beschränkt ist:

Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, uva.).

Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorhaben die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat, wenn also dem Parteivorbringen die Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0294, mwN.). Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes haben die Rechsfolgen der durch die nicht rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen eingetretenen Präklusion zu berücksichtigen.

Bezüglich der Gebäudehöhe des hier zu beurteilenden Projektes hat die Beschwerdeführerin keine rechtzeitigen tauglichen Einwendungen im oben aufgezeigten Sinn erhoben. Der belangten Behörde ist daher kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn sie die Beschwerdeführerin bezüglich des Berufungsvorbringes zur Gebäudehöhe als präkludiert angesehen hat.

Mit ihrem weiteren Beschwerdevorbringen versucht die Beschwerdeführerin nachzuweisen, daß das bewilligte Gebäude gegen die Bestimmungen über die zulässig zu verbauende Fläche verstößt. Unzulässigerweise sei der vom Amtssachverständigen als "unterirdisch" gewertete Mittelteil, der einen Fahrradabstellraum, den Waschraum sowie die Kellerabteile beinhalte, bei der Ermittlung der bebauten Fläche außer Betracht geblieben. Beide Wohnblöcke hätten vielmehr eine Verbindung, welche nicht unterirdisch verlaufe. Diese Verbindung sei daher in die gesamte Bebauungsfläche miteinzubeziehen und es ergebe sich daraus, daß das Gesamtgebäude größer als die erlaubten 470 m2 sei.

Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Gemäß § 76 Abs. 10 BO darf im Wohngebiet und im gemischten Baugebiet mit Ausnahme der Geschäftsviertel und Betriebsbaugebiete bei offener, bei offener oder gekuppelter, bei gekuppelter und bei der Gruppenbauweise das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen. Außerdem darf die bebaute Fläche von Gebäuden in der Bauklasse I nicht mehr als 470 m2, in der Bauklasse II nicht mehr als 700 m2 betragen.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. gilt als bebaute Fläche die senkrechte Projektion des Gebäudes einschließlich aller raumbildenden oder raumergänzenden Vorbauten auf eine waagrechte Ebene; als raumbildend oder raumergänzend sind jene Bauteile anzusehen, die allseits baulich umschlossen sind oder bei denen die bauliche Umschließung an nur einer Seite fehlt. Unterirdische Gebäude oder Gebäudeteile bleiben bei der Ermittlung der bebauten Fläche außer Betracht.

Eine festgelegte Beschränkung der Ausnutzbarkeit der Bauplätze dient dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung von - der Verbauung nicht zugänglichen - Freiräumen und zugleich dem Interesse der Nachbarn (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 89/05/0027).

Es bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Erörterung, von welchem Gelände für die Beantwortung der Frage auszugehen ist, ob ein Gebäude oder Gebäudeteil als unterirdisch zu betrachten ist, weil der zwischen beiden projektierten Reihenhäusern vorgesehene Mittelteil nach den vorliegenden Plänen sowohl auf Grund des gewachsenen als auch des nach Errichtung der Wohnhausanlage vorgesehenen Geländes als unterirdisch anzusehen ist. Eine Verbindung zwischen beiden Reihenhäusern durch diesen unterirdischen Mittelteil ist ebenfalls nicht vorgesehen. Gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Ermittlung der bebauten Fläche bestehen daher ebenfalls keine rechtlichen Bedenken.

Insofern sich die Ausführungen in der Beschwerde auf die Beeinträchtigung der Wohn- und Lebensqualität der Beschwerdeführerin durch den bewilligten Bau beziehen, werden von der Beschwerdeführerin damit keine den Nachbarn durch § 134a BO zugesicherten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte geltend gemacht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 90/05/0104).

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand für bereits im Verwaltungsakt befindliche Urkunden.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte